Kapitel 25

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Die tief-grünen Nadelgewächse schienen kein Ende nehmen zu wollen. Der goldene Schmuck blitzte sie beinahe an, türmten sich in den Fenstern der Bewohner Ypsilantis oder standen im Vorgarten herum. Dicke Weihnachtsmänner, prachtvolle Bögen - ja, sie stand wieder vor der Tür: die Weihnachtszeit Cat konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt ein richtiges Weihnachten gefeiert hatte, mit geschmücktem Baum, duftenden Plätzchen, kunstvoll eingepackten Geschenken …
Und der Familie, schoss es ihr durch den Kopf.
Sam und Dean waren jetzt so etwas wie ihre Familie. Die einzigen Menschen, die sie in ihrer Umgebung haben wollten, die sie nicht anlogen.
»Cat, kommst du, oder willst du im Wagen festwachsen?«, rief Dean sie in die Gegenwart zurück.
Sie waren bereits angekommen, Cat hatte es gar nicht bemerkt, und die Winchester-Brüder standen nun auf sie wartend neben dem Impala.
»Ich komme«, sagte Cat und Dean, der sich zuvor in den Wagen gebeugt hatte, richtete sich auf.
Zusammen liefen sie zum Eingang und Sam klingelte. Eine Frau mit blonden, offenen Haaren öffnete die Tür.
»Sie sind vom FBI, oder?«, fragte sie.
»Ja, wir hatten telefoniert«, erklärte Dean.
Die Frau schluckte schwer, Tränen erfüllten ihre Augen und sie versuchte sie, mit einem Blinzeln zu vertreiben.
»Wir werden Sie nicht lange aufhalten«, sagte Sam. »Wenn Sie erlauben, würde ich mich gerne im Haus umsehen und mein Partner und unsere Praktikantin stellen Ihnen solange einige Fragen.«
»Ja, ja, natürlich. Sehen Sie sich um«, antwortete die Frau und Sam betrat das Haus.
Ein kleines blondhaariges Mädchen blickte durch ein Fenster im Rücken der Frau zu ihnen herüber und Cat lächelte ihm freundlich zu. Es reagierte nicht, was sie ihm nicht übel nahm - sie hatte immerhin ihren Vater verloren.
»Mrs. Walsh, könnten Sie mir vielleicht erzählen, was vorgefallen ist?«, fragte Dean höflich.
»Meine Tochter und ich lagen schon im Bett. Mike war unten und hatte den Baum geschmückt. Ich hörte einen dumpfen Schlag auf dem Dach und dann hörte ich, wie Mike schrie. Und jetzt spreche ich mit dem FBI.« Die Stimme der Frau zitterte, immer noch versuchte sie die Tränen zu unterdrücken.
»Und Sie haben nichts gesehen?«, wollte Dean wissen, während er nebenbei noch die Informationen auf den Notizblock schrieb.
»Nein, ähm, er war ... er war einfach weg …«
»Die Türen waren verschlossen? Kein gewaltsames Eindringen?«
»Nein, gar nichts.«
»Hat sonst noch jemand einen Schlüssel?«
»Nur meine Eltern«, erklärte die Frau knapp.
»Wo leben die?«
»Florida.«
»Danke, dass ich mich umsehen durfte, Mrs. Walsh«, sagte Sam, der nach draußen kam. »Ich glaube, wir haben so ziemlich alles, was wir brauchen. Wir sind dann fertig.«
»Sie hören von uns«, meinte Dean und schlug den Notizblock zu.
»Ist gut.« Die Frau nickte und die Winchesters und Cat wandten sich zum Gehen. »Noch eine Frage.« Die drei blieben stehen und wandten sich um. »Die Polizei sagt, mein Mann sei vielleicht gekidnappt worden.«
»Schon möglich«, meinte Dean.
»Doch wieso haben die Kidnapper nicht angerufen? Oder ein Lösegeld gefordert? Es sind noch drei Tage bis Weihnachten. Was soll ich nur unserer Tochter sagen?«
»Es tut uns sehr leid«, sagte Sam und als die Frau nichts erwiderte, gingen die drei endgültig.
»Was entdeckt?«, fragte Dean seinen Bruder.
»Nur Strümpfe, 'n Mistelzweig und das hier.« Sam legte ihm etwas in die Hand.
»Ein Zahn?«, sagte dieser verwundert.
»Ja.«
»Wo war der?«
»Im Kamin.«
»Ein Mensch passt doch niemals durch den Kamin. Das ist viel zu eng«, entgegnete Dean.
»Jedenfalls nicht in einem Stück«, meinte Sam.
»Welches Wesen holt Menschen kurz vor Weihnachten und zieht sie dann durch den Kamin?«, wollte Cat verwundert wissen.
»Das müssen wir herausfinden«, sagte Sam.
»Wer auch immer Daddy durch den Schornstein gezogen hat, ist der Mörder«, meinte Dean.
Sie fuhren zurück zum Motelzimmer, wo Sam sich sofort auf die Suche nach Informationen begab. Dean holte zwischendurch etwas zu essen und als er wiederkam, fragte er: »Und? Hatt' ich recht? Ist der Schornsteinfeger der Serienmörder?«
»Ja«, antwortete Sam. »Es ist Dick Van Dyke.«
»Wer?«
»Mary Poppins?«
»Wer ist das?«
»Ich bitte dich«, sagte Sam, winkte aber sogleich wieder ab. »Ach, vergiss es.«
»Wie's aussieht, ist Walsh der zweite, der diesen Monat aus seinem Haus geholt wurde«, meinte Dean und zog sich die Jacke an.
»Ach, ja? Der andere wurde auch noch durch den Kamin hoch gezerrt?«
»Ich weiß nicht. Zeugen sagen, sie hätten ein Poltern auf dem Dach gehört. Was glaubt ihr, womit wir's hier zu tun haben?«
»Na ja, ich hab' da so eine Idee.«
»Ja?«
»Es klingt sicher etwas ... verrückt …«
»Was sollte das sein, was für mich verrückt klingt«, fragte Dean verwundert.
»Ein, ähm ... böser ... Weihnachtsmann«, erklärte Sam.
Dean zog die Augenbrauen hoch und nickte. »Ja, das ist verrückt.«
«Na ja, ich will ja nur sagen, dass es in jeder Kultur irgendeine Version eines bösen Weihnachtsmannes gibt.«
»Zum Einen gibt es den Pelznickel«, sagte Cat und nahm das Bild des bösen Weihnachtsmannes vom Tisch und reichte es Dean. »Dann den Krampus, den schwarzen Peter …«
»Egal, wie du sie nennen willst, es gibt da viele Geschichten«, meinte Sam.
»Die was besagen?«, wollte Dean wissen, immer noch das Bild musternd.
»Dass sich der Bruder vom Weihnachtsmann zum Bösewicht entwickelte und jedes Jahr zur Weihnachtszeit auftaucht, aber statt Geschenke zu bringen, bestraft er die Bösen«, erklärte Sam locker.
»Indem er sie durch den Kamin zieht?« Unglaubwürdig sah Dean seinen kleinen Bruder an.
»Könnte doch sein.«
»Das ist also eure Theorie, ja? Der böse Bruder?«
»Na ja, ich sage nur, so ist es überliefert …«
»Der Weihnachtsmann hat keinen Bruder. Es gibt keinen Weihnachtsmann!«, entgegnete Dean.
»Ich weiß. Du warst derjenige, der mich aufgeklärt hat, schon vergessen?«
Dean schwieg und Cat begann zu grinsen. Sie wollte sich nicht einmal vorstellen, wie Dean es Sam vor vielen Jahren beigebracht hatte. Bestimmt kurz und schmerzlos - für ihn. Für Sam war das sicher ein Albtraum gewesen.
»Na ja, vielleicht irre ich mich ja auch.« Er klappte seinen Laptop zu und seufzte. »Ich muss mich irren.«
»Möglicherweise auch nicht«, erwiderte Dean.
»Was?« Verwundert blickte sein Bruder ihn an.
»Ich bin der Sache nachgegangen und hab' herausgefunden, dass beide Opfer am selben Ort waren, bevor sie entführt wurden.«
»Wo?«, fragten Sam und Cat beinahe gleichzeitig.
Sie fuhren zu Santa's Village, eine Art Weihnachtsmarkt für Kinder. Weihnachtslieder dröhnten durch die alten, knisternden Lautsprecher. Mitarbeiter, verkleidet als Rentiere oder Wichtel, und Kinder liefen herum.
»Da erscheint unsere Theorie doch direkt wahrscheinlich«, meinte Dean, der seine Blicke schweifen ließ, während er zusammen mit seinem Bruder und Cat durch die Stadt schlenderte.
»Ja, aber wirklich überzeugen tut's mich nicht«, sagte Sam daraufhin.
»Na ja, es bleibt ein Weihnachtswunder.«
»Das einzige Wunder hier ist, dass kein Schnee liegt«, bemerkte Cat. »In Michigan.« Die Frau hatte recht. Überall konnte man den verstaubten Boden und das alte, trockene Gras sehen.
»Vielleicht nur ein dummer Zufall«, meinte Dean, doch auch er schien es nicht ganz zu glauben. »Wir sollten es dieses Jahr auch feiern.«
Sam verzog fragend das Gesicht. »Was feiern?«
»Weihnachten.«
Sam lachte. »Nein, danke.«
»Wir holen uns einen Baum, einen kleinen Truthahn - genauso wie damals als wir noch klein waren.«
»Dean, das sind für mich nicht unbedingt die schönsten Erinnerungen, verstehst du?«
»Was erzählst du da? Wir hatten tolle Weihnachtsfeste!«, entgegnete sein Bruder.
»Ich weiß nicht, von wessen Kindheit du hier sprichst.«
»Och, ich bitte dich, Sam«, sagte Dean und blieb stehen. Fassungslos sah er seinen Bruder an.
»Nein, einfach ... nein …«
»Na, schön, Grinch«, erwiderte Dean nur, etwas getroffen von Sams Antwort, und lief weiter.
»Hattest du wirklich keine schöne Weihnachten?«, fragte Cat Sam, als die beiden Dean folgten.
»Nicht unbedingt. Dean verdrängt das Ganze sehr gerne«, antwortete Sam. »Du etwa?«
»Nicht unbedingt«, gab Cat mit einem Grinsen zurück. »Ich denke, ich bin auch nicht so der Weihnachtsmensch. Die verkleideten, roten Männer mit dem weißen, langen Bart und dem «Hoho«. Das ist nichts für mich. Schon als Kind bin ich immer schreiend vor ihnen davongerannt - vor allen Menschen, die sich in solche Kostüme zwängen und zu Kindern immer ganz freundlich sind.«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Sam. »Bei mir sind es Clowns.«
Cat schüttelte sich bei dem Wort. »Dieser breite, rote Mund, das irre Lächeln - ich verstehe einfach nicht, wie Kinder so was mögen können.«
Sams Blick fiel auf eine Rentier-Figur und er versank in seinen Gedanken. Cat bemerkte es nicht, lief einfach weiter und holte zu Dean auf. Sie sahen sich ein wenig um, bis sie wieder auf Sam trafen, der genau an derselben Stelle stand, wo Cat ihn zurückgelassen hatte.
»Für die zehn Mäuse Eintritt könnte man eigentlich erwarten, dass der Weihnachtsmann 'n bisschen Schnee ankarrt«, meinte Dean.
»Was?«, fragte Sam, der überhaupt nichts erfasst hatte.
»Ach, nichts«, winkte Dean ab. »Wonach suchen wir doch gleich?«
»Ähm ... die Überlieferung sagt, dass der böse Weihnachtsmann humpelt und nach Süßigkeiten riecht.«
Die drei liefen weiter über den Markt.
»Na, toll. Wir suchen nach 'nem Zuhälter-Weihnachtsmann«, meinte Dean. «Doch wozu die Süßigkeiten?«
»Denk doch mal nach, Dean. Kinder lieben Süßigkeiten. Somit fallen sie dir leichter in die Arme«, erklärte Cat.
»Das ist unheimlich. Woher weiß dieser Kerl, wer unartig war und wer nicht?«
»Ich hab' keine Ahnung«, gestand Sam und in diesem Moment hielten sie vor den Häuschen, unter welchem Überdach der Weihnachtsmann saß und die Kinder auf seinen Schoß winkte.
»Vielleicht ist es der da?« Dean blickte zu dem Mann.
»Willkommen beim Weihnachtsmann«, begrüßte eine Frau im Wichtelkostüm die drei. »Möchte Ihr Kind ihm vielleicht »Guten Tag« sagen?«
»Ähm, nein. Aber vielleicht mein Bruder. Er träumt schon sein ganzes Leben lang davon.« Dean legte Sam seine Hand auf die Schulter.
»Oh, das tut mir leid. Keine Kinder über zwölf.«
»Nein, das war nur 'n Scherz«, sagte Sam. »Wir sind nur hier, um zuzuschauen.«
Die Frau verzog angewidert das Gesicht, ließ ein »Äh, na, dann« von sich und ging.
»Ich meine damit nicht, dass wir hergekommen sind -«, begann Sam, doch war es eh zu spät. »Vielen Dank, Dean. Herzlichen Dank.«
Dean lachte amüsiert. »Seht euch das an.«
Er deutete auf den Weihnachtsmann, der sich von seinem Stuhl erhob an und den dreien vorbeihumpelte. Die Winchesters und Cat sahen ihm nachdenklich hinterher.
»Habt ihr das gesehen?«, fragte Dean.
»Es gibt 'ne Menge Leute, die Humpeln«, erwiderte Sam.
»Hast du das nicht gerochen? Das waren Bonbons!«
»Vanilleeiscreme!«, sagte Sam sofort. »Denk' ich ... zumindest …«
»Möglich. Wollen wir das Risiko eingehen?«
»Ohne mich, Jungs.« Cat hob die Hände in die Luft. »Ich bin da raus.«
»Wieso?«, wollte Dean verwundert wissen.
»Keine zehn Pferde bringen mich freiwillig an diesen Typen«, gab Cat zurück. Dean runzelte die Stirn, nickte aber dennoch.
In der Nacht fuhren sie zu dem Haus des Fake-Weihnachtsmannes und warteten vorerst. Cat saß auf der Rückbank. Sie würde im Wagen warten, mehr nicht.
Dean gähnte und lehnte seinen Kopf gegen das Fenster. »Wie spät ist es?«
»Genauso spät wie das letzte Mal, als du gefragt hast«, meinte Sam. »Hier. Koffein.« Er reichte seinem Bruder eine Thermosflasche, doch als dieser etwas in den Deckel gießen wollte, kam nicht einmal ein Tropfen heraus.
»Vielen Dank«, sagte Dean ironisch. »Hey, Sam.«
»Ja?«
»Erklär mir bitte, warum du Weihnachten so hasst.«
»Dean ...« Sam verdrehte genervt die Augen.
»Ich geb's ja zu: Wir hatten manchmal turbulente Festtage, als wir Kinder waren …«
»Turbulent?«, wiederholte Sam verständnislos.
»Aber das war damals«, sprach Dean weiter. »Dieses Jahr machen wir's richtig.«
»Hör zu, Dean. Wenn du Weihnachten feiern möchtest, dann tu, was du nicht lassen kannst, aber lass mich aus dem Spiel.«
»Oh, ja, das macht bestimmt Spaß, wenn ich mir alleine Preiselbeergelee mache«, meinte Dean sarkastisch.
»Du hast ja noch Cat.«
»Oh, nein, ich passe«, entgegnete die Frau.
»Sag nicht, du bist auch ein Anti-Weihnachten-Freak«, sagte Dean.
»Hey, wir haben hier nicht von Freaks gesprochen.« Cat setzte sich richtig auf. »Ich bin nur nicht der Weihnachtsmensch - das ist alles.«
Der Fake-Weihnachtsmann erschien im Fenster. Er hatte seinen Mantel ausgezogen, die Mütze hing schief auf seinem Kopf und das weiße Hemd, welches er trug, war ausgeblichen und alt. Er vergewisserte sich, dass niemand ihn beobachtete - er sah sie augenscheinlich nicht - und zog die Vorhänge zu, so dass die drei ihn nicht mehr sehen konnten.
»Was glaubt ihr, was er vorhat?«, fragte Dean.
Bevor Sam antworten konnte, erklang einer lauter Schrei einer Frau. Sofort verließen die Brüder das Auto und rannten auf das kleine Haus zu. Dean öffnete die Tür und die Winchester verschwanden aus Cats Sichtfeld. Nach einer Weile vernahm sie schiefen Gesang und verwundert runzelte sie die Stirn. Sam und Dean kamen zurück und sie warf ihnen einen fragenden Blick zu.
»Der Mann ist vielleicht ein Säufer«, meinte Dean, als er wieder im Wagen saß, »aber er ist kein Mörder.«

2087 Wörter

Wer von euch kann sich noch an die Szene erinnern, wo Sam und Dean "Silent Night" gesungen haben? XD

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Omfg <3

Ich mag trotzdem keine Maskottchen oder verkleideten Weihnachtsmänner ... ^^

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