16 "Liebesbriefe, böse Feen und ein St(r)andbild"

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   „Nur noch zwei Tage bis zum Lehrgang – was wenn ich nicht mitdarf? Und, was wenn ich mitdarf?", Elissa sprudelte beim Abendessen nur so vor sich hin. Der einzige, der ihr noch ernsthaft zuzuhören schien, war Thoma, und selbst der fing so langsam das Augenrollen an. Maila hatte nach der fünften was-wäre-wenn-Überlegung sich wieder ihrem Essen zugewandt und beschlossen das Ganze einfach zu ignorieren.

„Man, Ellie, du wirst schon mitkommen. Und was soll dann schon sein? Die Welt wird sich weiterdrehen!", Andrés sah Elissa an, als wäre sie bescheuert. Für ihn schien das ganze Theater unnachvollziehbar. Maila dagegen hing in Gedanken mal wieder bei Attila, denn Valerie war am Morgen nicht beim Geländetraining dabei gewesen und der Schimmel war durch die Box getigert vor Langeweile. Auch abends in der Dressurstunde war keine Spur des dunkelblonden Mädchens zu sehen gewesen. Attilas Extraprogramm wie Koppel und Ausreiten war die letzten Tage schon weggefallen, und jetzt ritt sie nicht mal mehr? Das konnte nur schiefgehen, Maila kannte ihr Pferd. Elissas Sorgen erschienen ihr da gerade mehr als unbedeutend.

Was war schon ein Lehrgang? Pferde, tagein, tagaus. Was nützte es ihr jetzt noch? Wettrennen, wilde Jagden, höher, weiter, schneller. Schleifen, Schärpen, Pokale. All die scheinbar wichtigen Dinge hatten all ihre Bedeutung verloren. Denn das was wirklich zählte, war ihr Partner Pferd. Und der war weg.

Trotz ihrer Gewitterlaune hatte Tiramisu im Gelände alles gegeben, Maila hätte ihrer Stute noch gar nicht so viel zugetraut gehabt. Dennoch war sie noch nicht auf dem Level, wie Attila und die anderen Pferde es waren. Nicht, dass sie das von ihrem Pferdekind erwartet hätte. Es erfüllte sie mit Stolz, dass Tiramisu sich ihr zuliebe so anstrengte, aber es fiel ihr verdammt schwer, dass wirkliche Freude aufkam. Dass das Lächeln ihre Augen oder gar ihr Herz erreichte. Die Mundwinkel verziehen konnte ja jeder.

„Ich möchte aber soo gerne mit", hörte sie Elissa weiter jammern und konnte sich ein genervtes Augenrollen nun wirklich nicht mehr verkneifen.

„Glaub mir, das weiß der ganze Tisch inzwischen zu gut", erwiderte Andrés und lächelte amüsiert zu Maila, deren Gesichtsausdruck wohl Bände sprach. Sie spürte, wie ein Fuß kurz über den ihren streifte, bevor er sie erneut aufmunternd anlächelte.

Elissa seufzte nur, „übrigens war der Postbote vorhin da, hat 'ne ganze Ladung Briefe gebracht. Vielleicht ist ja für jemanden von euch was dabei, hab nur vergessen es früher zu erwähnen"

Andrés schien bei dieser Aussage aufzuwachen. Mit einem „bin mal schauen" verschwand er in Richtung der Post, sein noch nicht leeres Tablett einsam am Tisch hinterlassend. Verwundert schaute Maila seinem eiligen Abgang nach, doch da war er schon um die nächste Ecke verschwunden.

Auch Thoma schien das aufgefallen zu sein, „erwartet da wer einen Liebesbrief?", frotzelte er, bevor er sich den letzten Resten seiner Spaghetti zuwandte. Und nein, er konnte nicht essen, stellte Maila fest und bewunderte die Soßenspritzer auf dem hellblauen Shirt.

Elissa lachte schallend, „würde mich sehr wundern. Also nein"

Erwartungsvoll und ziemlich neugierig saßen die Verbliebenen an ihrem Abendessen, doch ihre erhoffte Unterhaltung ließ auf sich warten.

„Was macht denn der so lange?", maulte Lars, während er die letzten Reste seines Nachtischs zusammen kratzte.

„Frag ihn doch", erwiderte Thoma prompt, mal wieder mit seinem Stuhl kippelnd. Zu seinen Soßenflecken hatte sich noch ein Klecks Tiramisu auf der braunen Reithose gesellt, als er damit überfordert gewesen war, gleichzeitig Elissa und seinen Löffel im Auge zu behalten.

„Maila kann"

„Warum ich?", stöhnte die jetzt und ließ sich gegen die hölzerne Lehne der Sitzbank fallen, „ich steh jetzt nicht auf". Die karierten Kissen waren gemütlich in ihrem Rücken und so schön vollgefressen konnte man sich einfach nicht mehr bewegen.

Hufspuren im SandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt