Kapitel 1

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NIALL

Eine Woche war es nun her, seit wir die schreckliche Nachricht empfangen hatten, und zu meiner großen Beunruhigung hatte sich rein gar nichts getan. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass jeden Moment bewaffnete Leute das Quartier stürmten und klischeehafte Drohungen brüllten, doch dem war nicht so. Stattdessen harrten wir ziemlich tatenlos hier aus und versuchten, uns so wenig wie möglich in der Öffentlichkeit blicken zu lassen.

Zayn und ich konnten ohnehin fast nur mit Kapuze oder hohem Kragen das Haus verlassen, da mein Vater wie ein Irrer am Rad drehte, uns irgendwie zu finden – um mich zur Vernunft und Zayn hinter Gitter zu bringen. Soll heißen, er gab Hunderte von Fahndungsfotos, Meldungen und Ansagen heraus, die man mittlerweile in jeder Zeitung sehen konnte. Ich konnte mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich einmal etwas unachtsam verträumt im Park herumgeschlendert war, als mich plötzlich eine ältere Dame angesprochen und gefragt hatte, ob ich nicht dieser Typ aus dem Horan-Einsatzteam sei, der von der Malik-Gang entführt worden wäre. Ein paar Augenblicke lang hatte ich sie nur blank angestarrt und anschließend verneint, doch als ich sie mit Hilfe eines Blicks über die Schulter zur nächsten Telefonzelle hechten hatte sehen, wusste ich, dass ich sie trotz aller kreativen Ausreden nicht täuschen hatte können. Keine fünf Minuten später war schon die Sirene eines Einsatzwagens erklungen – ein deutliches Zeichen dafür, dass mein Vater offenbar den ganzen Tag nirgendwo anders als vor dem Telefon verbrachte, in der Hoffnung, Hinweise auf den Aufenthaltsort seines Sohnes zu bekommen.

Fast tat er mir leid.

Aber nur fast.

Es stellte sich eben die Frage, worum er sich mehr Sorgen machte: Um mich oder seinen Ruf. Bis jetzt war es mir noch nicht gelungen, eine Antwort darauf zu finden, aber solange er mich wie einen simplen Teil seines Images behandelte und Zayn nicht akzeptieren konnte, würde ich so schnell nicht freiwillig bei ihm auf der Fußmatte stehen.

Seufzend stützte ich das Kinn auf die Hand, während ich durch die leicht verdreckte Scheibe des Eingangshallenfensters nach draußen auf den Parkplatz spähte, wo Louis gerade dabei war, die quietschenden Scharniere des Tors zu ölen. Wo uns diese neue Unterkunft anfangs noch begeistert hatte, wich diese Begeisterung nun allmählich einem Frustgefühl, denn auf irgendeine Art und Weise schien nach und nach alles den Geist aufzugeben. Erst gestern hatte Zayn beim Öffnen seiner Zimmertür die Türklinke herausgerissen und hätte anschließend vor Ärger am liebsten das Holz eingeschlagen. Bei dem Gedanken daran musste ich unweigerlich grinsen, doch bevor ich mir noch weitere witzige Erinnerungen ausmalen konnte, schlangen sich von hinten zwei Arme um mich.

„Hi, Nialler." Zayn drückte mir einen Kuss aufs Haar und vergrub die Nase darin.

Der Kosename zauberte mir wie immer ein Lächeln auf die Lippen, während ich mich umdrehte, um ihm einen richtigen Kuss auf die Lippen zu geben. „Hallo,Z!" Ich kam nicht umhin, mich komplett dem flatternden Gefühl in meinem Magen hinzugeben, das sich jedes Mal regte, wenn Zayn mir so nahe war.

„Wo warst du jetzt die ganze Zeit? Louis sagte, du musst irgendetwas erledigen", nuschelte ich in seine Schulter, worauf er leise lachte und mich amüsiert den Kopf schüttelnd eine Armeslänge von ihm weghielt, um anständig sprechen zu können.

„Ich habe mit ein paar Leuten Hinweise auf Adam und seine Truppe gesucht. Ich weiß nicht, warum sie noch nicht hier aufgetaucht sind, aber ich kann nicht sagen, dass ich froh darüber bin. Je später sie zuschlagen, desto mehr Zeit hatten sie, ihre neue Gang aufzubauen und sich Pläne zurechtzulegen. Und Adam hat ein Händchen für miese Typen und ebenso miese Pläne, und wenn er beides kombiniert, haben wir schlechte Karten." Gedankenverloren strich er mir mit dem Daumen über die Wange. „Du weißt, wie es mit unserer Mitgliederzahl gerade aussieht."

Revenge (Ziall)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt