Lustlos und aggressiv zugleich betrat ich das Klassenzimmer. McGonagalls Ankündigung beim Frühstück hatte mir Hoffnung gemacht, vielleicht nicht mehr mit Fred Weasley in einem Kurs zu sein, auch wenn sich ein winziger, unbedeutender Teil in mir heftig gegen diese Vorstellung sträubte. Ich wurde enttäuscht, denn er und seine Freunde waren bereits an ihren Plätzen. Das beknackte Schicksal hatte also entschieden, dass ich weiter in Freds Gegenwart gefangen war und ich war mir nicht ganz sicher, ob das ein Grund zum Freuen oder Heulen war. Ich drängte meine Empfindungen beiseite und biss die Zähne zusammen. Es war Zeit, meine kühle Maske anzulegen. Es musste ja nicht gleich jeder wissen, wie es mir ging. Mit betont unbeteiligter Miene drängelte ich mich an den Gryffindors vorbei und verschwand unter gezischten Beleidigungen an meinem Platz ganz hinten. Hinten saßen die coolen Kids, das hatte ich schon in der Muggelschule gelernt. Kein Wunder, dass Lorcan immer in der ersten Reihe gesessen hatte . . . Fast schon peinlich genau achtete ich nun darauf, nie mit ihm zusammen Unterricht zu haben. Dafür waren natürlich ein paar andere Ravenclaws und Hufflepuffs dabei, die mir jetzt schon auf die Nerven gingen. Molly Weasley, die Schulsprecherin, war ebenfalls in meinem Kurs gelandet und kam mit suchendem Blick meinem Tisch gefährlich nahe. Warnend sah ich sie an und machte eine drohende Bewegung mit dem Kopf. Irritiert zuckte sie zurück, doch bevor ich irgendetwas Abwertendes sagen konnte, ertönte die Stimme von Fred Weasley: "Du kannst hier rüber kommen, Molly!", rief er und beachtete mich nicht. "Neben Teddy ist noch ein Platz frei." Dankbar entfernte Molly sich mit schnellen Schritten zu ihrem Cousin und seinen Freunden. Ohne ein weiteres Wort hatte Fred sich wieder umgedreht. Aha, das war also sein Plan: Mich zu ignorieren. Gut. Meinetwegen. Trotzdem verspürte ich den seltsamen Drang, irgendetwas Auffälliges zu tun, egal wie bescheuert es war, nur um seine Aufmerksamkeit zu ergattern. Verdammt, was war bloß los mit mir? Mit auf- und abwippendem Bein sah ich mich in dem Klassenzimmer um. Außer Fred, Molly und Teddy waren nicht viele mir bekannte Gesichter hier, Victoire und James wurden wohl dem zweiten Kurs zugeteilt. Sollte mir Recht sein. Professor Blackbird betrat den Raum und es ging los mit dem Patronuszauber. Gleich nach der Schlacht von Hogwarts hatte Harry Potter dafür gesorgt, dass jeder Schüler der siebten Klasse diese Art der Verteidigung beherrschte. Jeder feierte diesen Zauber so krass, ich war die absolute Ausnahme. Mich interessierte der ganze Müll wegen den Dementoren einfacch nicht, außerdem - und das war der deutlich schwerwiegendere Grund - konnte ich es schlichtweg nicht. Aber das musste ja niemand wissen. Gelangweilt starrte ich aus dem Fenster, vor dem Fred saß, wobei meine Augen immer wieder zu dem braunen, lockigem Wuschelkopf huschten. "Mr Scamander, wären Sie so freundlich uns zu erklären, wovon die Form eines Patroni abhängt?" Professor Blackbirds durchdringende Stimme drang in mein Ohr und riss mich aus meinen Tagträumen. Meine Fassade begann zu bröckeln und ich merkte, wie ich rot wurde. Alter, ich musste mich zusammenreißen! "Keine Ahnung?", gab ich genervt zurück, doch meine Stimme schwankte. Mollys Arm schoss in die Höhe, doch zu meiner Genugtuung ignorierte unsere Hauslehrerin sie. "Nun, dann sagen Sie mir wenigstens, was für eine glückliche Erinnerung Sie nehmen würden. Das kann ja nicht so schwer sein!" Herausfordernd wartete sie meine Antwort ab, während ich fiebrig anfing, mein Gehirn nach einer positiven Erinnerung abzusuchen. Eine wirklich gute, schöne Erinnerung, die mich glücklich machte. Scheiße. Mir fiel nichts ein. Wie konnte mir nichts einfallen? War ich denn nicht glücklich? Ich hatte doch ein beneidenswertes Leben, war beliebt und hatte Freunde. Nur hatte ich keine aufrichtigen, ehrlichen Momente mit diesen Freunden, die mir Freude bereiten könnten. Wenn ich an meine Familie dachte, kamen mir nur deprimierende und niederschmetternde Eriegnisse in den Sinn. Die ganzen Mädchen, die ich im Bett hatte, bedeuteten mir nichts. Gab es denn nichts anderes, was mich glücklich machen konnte? Der Schweiß tropfte mir beinahe von der Stirn umd die Stille wurde langsam unangenehm. Ich hatte keine Kraft für eine sarkastische Bemerkung, geschweige dann für die offen gestandene Einsicht, dass es keine zufrieden stellende Antwort auf ihre Frage gab. Professor Blackbird bemerkte, wo das Problem lag, und ihr Blick wurde unmerklich sanfter. "Kommen Sie nach der Stunde zu mir, Scamander", sagte sie dann bestimmt. Normalerweise hätte ich dreckig grinsend erwidert: "Ich dachte, Sex zwischen Lehrer und Schüler wäre verboten, aber wenn Sie darauf bestehen . . .", aber jetzt konnte ich nur betäubt nicken. Ich wagte es nicht, den anderen in die Augen zu schauen und sah den Rest des Unterrichts verbissen auf meine Aufzeichnungen. Zum Ende hin war ich unwahrscheinlich wütend auf mich selbst und hätte am liebten die Zeit zurück gedreht. Weshalb hatte ich mir meine Schwäche auch noch so offensichtlich anmerken lassen müssen? Ganz klar: Sie hatte mich in einem ungünstigen Moment überrumpelt, ich war nicht genug vorbereitet gewesen. Wenn ich nicht komplett untergehen wollte, sollte ich mich wohl besser zusammen reißen. Lässig schulterte ich meinen Rucksack und schlenderte zum Lehrertisch. "Weasley, auf ein Wort!", rief Blackbird gerade Fred nach, der sich verwirrt von der Tür wieder umdrehte. In einem höflichen Abstand wollte ich warten, bis sie mit ihm gesprochen hatte, doch zu meiner Verwunderung winkte sie mich ebenfalls heran. Fred beachtete mich noch immer nicht, aber ich sah, dass er genau wie ich keinen blassen Schimmer hatte, was hier abging. "Lysander, deine Noten sind in letzter Zeit drastisch in den Keller gegangen. Wir beide wissen, dass sie mit ihren jetzigen Leistungen nie im Leben ihre UTZ-Prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste bestehen und mit Volltempo durchrasseln werden", meinte Blackbird direkt heraus. Abwehrend hob ich die Hände: "Ich krieg' das schon wieder hin, wirklich-", doch sie nahm mich nicht ernst und schüttelte lediglich unwirsch den Kopf. "Nicht ohne Hilfe. Daher will ich, dass Fred dir Nachhilfe gibt." Erst jetzt ließ Fred seine alberne Ignoranz mir gegenüber sein und riss überrascht den Mund auf. "Was? Nein! Nein, Professor, das können Sie nicht so meinen, ganz sicher gebe ich diesem Deppen keine Nachhilfe, niemals!", protestierte er voller Abscheu. Ich erwiderte nichts und bewahrte meinen kühlen Blick. Der von Blackbird jedoch gefror förmlich zu Eis und sie schnauzte Fred wütend an: "Oh doch, das wirst du! Du bist mit Frank der Beste in diesem Jahrgang und aus reiner Solidarität solltest du das von dir aus machen! Gerade in diesen Zeiten müssen wir zusammen stehen, egal aus welchem Haus wir sind." Fred schien den Tränen nahe. "Sie verstehen das nicht! Man, kann nicht Frank diesem Arschloch hier Nachhilfe geben und ich übernehme Dominique?" Professor Blackbird sog scharf Luft ein und Fred verstand, dass er zu weit gegangen war und blieb still. Währenddessen durchbohrte ein hinterhältiger Schmerz mein Herz. Was denn?, fragte eine Stimme in meinem Kopf. Du verhältst dich stets wie ein Arschloch, da musst du dich nicht wundern, wenn andere dich so bezeichnen! Aber nicht Fred. Doch Fred. Böse funkelnd fuhr ich mir wortlos durch das Haar. "Es bleibt dabei", sagte Professor Blackbird eisern und in einem Ton, der keinen weiteren Widerspruch dulden würde und eher etwas aussagte wie: 'Jetzt erst Recht.' "Ich stelle euch diesen Raum zur Verfügung, jeden Donnerstagabend. Und jetzt Abmarsch." Mit diesen harschen Worten schickte sie uns vor die Tür. Schweigend gingen wir den Gang entlang. Unsere stampfenden Schritte hallten laut auf dem leeren Korridor und gab der Situation etwas Mystisches. Plötzlich wandte Fred sich finster blickend zu mir: "Ich hasse dich. Und mir ist es scheißegal, was Blackbird sagt, die muss mir gar nicht mit Häusersolidarität kommen! Du bist doch derjenige, der so beschissen mit mir und meiner Schwester umgeht." Fred spuckte mir vor die Füße. Ich lächelte spöttisch, obwohl es mir weh tat. "Danke für das Kompliment, weiß ich sehr zu schätzen", grinste ich und ging ein paar Schritte rückwärts. "Wir sehen uns am Donnerstag, Darling!" Beim letzten Wort machte ich eine tuntige Handbewegung und spielte so auf seine Homosexualität an, die meinen Augen nicht entgangen war. Ich lachte ein letztes Mal befreit auf und und drehte mich um. Beim Weggehen hörte ich noch sein Knurren in der Dunkelheit.

Smells Like Teen SpiritWhere stories live. Discover now