Kapitel 14 - Die Anderen

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London, 09.11.2015

Der kalte Regen prasselte unaufhörlich gegen die schmalen Fensterscheiben meines Zimmers. Jetzt, wenn mit dem November die kalte Jahreszeit kam, regnete es hier in London immer öfter. Anfangs hatte mich das herabfallende Wasser gestört und mir morgens nur meinen kostbaren Schlaf geraubt. Auch heute hatte mich der Regen wieder aus dem Land der Träume zurück in die Realität geholt. Doch etwas war anders. Das Prasseln störte mich nun weniger und ich empfand es als beruhigend und den Regen als faszinierend. Ich wandte meinen Blick von der von meinem warmen Atem beschlagenen Fensterscheibe ab. "Vielleicht liegt es daran, dass das Wasser mein Element ist", murmelte ich, als ich zu meinem Kleiderschrank tapste. "Vielleicht spüre ich deshalb eine gewisse Verbundenheit mit dem Regen", überlegte ich weiter, während ich mir einen dicken roten Wollpullover und eine enge schwarze Hose aus dem Schrank zog. "Muss ja so sein", schloss ich meine Gedankengänge schulterzuckend ab und war gerade dabei, mein Zimmer zu verlassen und in das Badezimmer der Mädchen zu gehen, als mich ein lautes Knistern zusammenzucken ließ. Verwirrt schaute ich mich um, als schon die weiche Stimme von Mrs. Griselda über die Lautsprecheranlage durch die noch verlassenen Flure der Akademie hallte.

"Liebe Schülerinnen und Schüler", setzte die Direktorin an. "Ich möchte mich entschuldigen, dass ich Sie zu so früher Stunde um Aufmerksamkeit bitte, aber das Lehrerkollegium und ich haben soeben eine erfreuliche Nachricht erhalten, auf die wir nun mehr als zehn Jahre gewartet haben!" Ich stutzte. Welche Nachricht konnte so wichtig sein, dass man zehn Jahre auf sie wartete? Doch bevor ich mir weiter darüber den Kopf zerbrechen konnte, fuhr die Direktorin fort. "Natürlich werden wir diese Nachricht mit euch Schülern teilen, da sie zu einem Großteil auch Sie betrifft. Deswegen bitten wir Sie heute, wenn auch etwas kurzfristig, ein bisschen früher beim Frühstück im Speisesaal zu erscheinen!"

Diesen Worten folgte ein weiteres Knistern, als die Lautsprecheranlage ausgeschaltet wurden und somit die morgentliche Ruhe in die Akademie zurückkehrte. Nachdenklich bis ich mir auf die Lippe. Was hat es mit dieser Nachricht auf sich? Grübelnd vor mich hin murmelnd zog ich die Tür mit der Nummer 47 hinter mir zu und setzte meinen Weg ins Badezimmer fort.

~*~~*~

"Ich glaube, es kommt ein neuer Lehrer", sagte Liz überzeugt, als wir uns gemeinsam an unseren Stammtisch gesetzt hatten. "Ne, kann nicht sein", warf Louise ein und schnappte sich ein Stück Melone von meinem Teller. "Ich sag's euch", fuhr sie leise fort. "Conner aus meinem Mathematikkurs meinte gestern zu mir, dass er und sein Freund mitbekommen haben, wie Mr. Brown und Mrs. Smith sich über 'die Anderen' unterhalten haben", flüsterte sie verschmitzt und schaute uns erwartungsvoll an. "Und wer sollen 'die Anderen' sein?", fragte Liz zweifelnd und sah die Rothaarige misstrauisch an. "Keine Ahnung", mampfte diese und zuckte nur mit den Schultern.
"Ich wusste gar nicht, dass die Schule eine Lautsprecheranlage hat", gab Leo fröhlich seinen Senf dazu, der gerade mit Nico und zwei vollbeladenen Tellern zu uns stieß. "Ich auch nicht", stimmte Nico zu, während er sich neben mich setzte und mir leicht auf den Oberschenkel tippte. Ich drehte mich fragend zu ihm um. "Mrs. Griselda hat mich gestern zu sich ins Büro bestellt und mir gesagt, dass morgen unsere letzte Nachhilfestunde sein wird, weil du wohl keine weiteren mehr benötigst", flüsterte er mir zu. Ich verzog enttäuscht das Gesicht. Die Nachhilfestunden mit Nico waren immer etwas gewesen, auf das ich mich freuen konnte. Der Wasser-Element schien meinen Gesichtsausdruck bemerkt zu haben, denn er lächelte mich aufmunternd an und fügte dann mit einem frechen Grinsen hinzu. "Dafür werde ich dir morgen etwas beibringen, was an der Schule nicht unterrichtet wird und was nur die wenigsten beherrschen!" Mit funkelnden Augen nickte ich ihm aufgeregt zu, bis Leo mir gegenüber einen lauten Pfiff ausstieß. "Ulala, was läuft denn da zwischen euch beiden", grinste er, während er provokant mit den Augenbrauen wackelte. "Ach, bist doch nur eifersüchtig", lachte ich etwas verlegen und boxte dem Braunhaarigen gegen die Schulter. Dieser schaute mich daraufhin gespielt entsetzt an, so dass ich noch mehr lachen musste. Jungs musste man auch erstmal verstehen!

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