Jeder hat sein Päckchen zu tragen

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„Sag bloß!" rief ich gespielt erstaunt. „Erzähl mir was Neues! Zum Beispiel weshalb ihr euch gestritten habt." Ich sah ihn auffordernd an, er seufzte. 

„Ich liebe Sammy, wirklich. Deshalb war ich dumm genug anzunehmen er bräuchte einfach nur noch ein wenig mehr Zeit. Aber an diesem Abend, nachdem er mich zum wiederholten Male weggestoßen hat, da hab ich es endlich verstanden." Ich brauchte einen Moment bis mir klar wurde, worauf Blondie gerade anspielte.

„Okay, warte! Ihr habt also noch keinen Sex gehabt?" fragte ich ein wenig zu laut. Einige Menschen an den Nachbartischen sahen mich entsetzte an, auch Blondie schien unangenehm berührt von meiner direkten Art. Meine Güte, wir waren doch alle erwachsene Menschen, und jetzt taten sie so, als hätten sie noch nie etwas dergleichen getan. Ich wollte gar nicht wissen, was bei manch einem von denen im Schlafzimmer abging, wenn die Rollläden erstmal unten waren.

„Ich dachte, er wäre eben noch nicht soweit." Er zuckte leicht mit den Schultern. Sein Gesicht schien verschlossen, doch man merkte ihm an, wie sehr ihn all dies mitnahm.

„Fuck. Ich dachte wirklich er wäre endlich darüber hinweg." Ich fuhr mir über mein Gesicht. Es war besser geworden in letzter Zeit. Und seit er Blondie kannte, war er so glücklich gewesen, da hatte ich es irgendwie vergessen, in der Annahme er hätte dasselbe getan. Dabei wusste ich doch, dass man so etwa nicht vergessen konnte, vor allem nicht Sammy.

„Hör zu Tim, das ist alles nicht Sammys Schuld. Er liebt dich!"

Blondie lachte bitter auf. „Ich bin vielleicht nicht immer der Schnellste, aber irgendwann habe selbst ich es kapiert. Ihr braucht mir nicht länger etwas vorzuspielen. Ich hab euch durchschaut."

„Das hast du?" Ich musste zugeben, dass mich das ziemlich überraschte. Er hatte meine Meinung über sich zwar heute in ein besseres Licht gerückt, aber so viel traute ich ihm dann doch noch nicht zu. „Hat Sammy es dir erzählt?" fragte ich deshalb nach.

Er schnaubte. „Das brauchte er gar nicht. Es war mehr als offensichtlich was dazwischen euch läuft. Ich meine, irgendwie  verstehe ich es ja auch, du warst sein persönlicher Held in seiner Kinderzeit, hast ihn beschützt und auf ihn aufgepasst. Da können schnell Gefühle einstehen..."

„Warte! Wovon zum Teufel redest du?" Ich sah ihn verständnislos an.

„Das Sammy verliebt ist in Dich!" Einen Moment lang starrte ich ihn einfach nur an, musste seine Worte erst einmal realisieren. Mein rechter Mundwinkel zuckte, dann brach es aus mir raus. Ich lachte, konnte mich kaum noch halten, meine Augen begannen bereits zu tränen. Blondie verzog keine Miene.

„Das kannst du nicht ernst meinen!" brachte ich schließlich hervor und wischte mir die Lachtränen weg. „Sammy ist die einzige Familie, die ich noch besitze. Und ich liebe ihn, von ganzem Herzen, wie einen Bruder. Wir haben eine enge Beziehung zueinander, aber sie war, ist und wird immer platonisch sein. Und zwar von beiden Seiten aus! Sammy liebt mich, aber er ist verliebt in dich!" Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, blickte ich ihm direkt in die Augen. Blau. Wie der Ozean. Ganz hübsch, wenn man auf blaue Augen stand. Ich bevorzugte Braun.

„Aber... Was ist dann der Grund, das er mich immer wieder von sich stößt? Er verbirgt etwas vor mir, das spüre ich." Er verschränkte die Arme vor der Brust, zog die Augenbrauen zusammen. Er erinnerte mich ein wenig an ein bockiges Kind, das seinen Spinat nicht essen wollte.

„Es ist eigentlich nicht meine Aufgabe dir das zu erzählen..."
„Bitte! Cornelius. Ich will Sammy nicht verlieren, aber ich muss wissen was da zwischen uns steht."

In seinen Augen stand die Verzweiflung. Ich glaubte es kaum, aber ich hatte tatsächlich Mitleid! Mit Blondie! Langsam war mir nicht mehr zu helfen.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Where stories live. Discover now