Wen

Bevor ich beginne euch meine Geschichte zu erzählen, werde ich mich und meine Familie vorstellen. Also es gibt natürlich einmal mich, das heißt ich, Wen Sawyer. Und nein, mein voller Name lautet nicht Wen sondern Wendy, ja ich weiß wie diese Pferdezeitschrift für Kinder. Und nochmal nein, ich bin kein großer Pferdefan. Das heißt nicht, dass ich keine Pferde mag, aber ich bin auch nicht vernarrt in sie. Was gibt es sonst noch über mich zu sagen? Ach ja ich bin 17 Jahre alt und extrem schüchtern.

Dann gibt es da noch meine bessere Hälfte Sophie, sie ist meine Zwillingsschwester und leider älter als ich. Ich weiß, ich weiß zwei Minuten sind kein großer Unterschied was das Alter angeht, aber trotzdem. Sie zieht mich nämlich bei jeder Gelegenheit damit auf.

Vom Aussehen her sehen wir uns ziemlich ähnlich: hellbraune Haare, dunkelbraune Augen und eine schlaksige Figur. Meine Schwester und ich denken, dass wir ganz unterschiedlich aussehen, welcher Zwilling findet das nicht, aber alle die uns nur flüchtig kennen halten uns für das doppelte Lottchen, was mit der Zeit recht nervig ist.

Meine Eltern sind weder tot noch geschieden. Sie sind sogar ziemlich normal und verstehen sich gut. Es gibt zwar immer wieder 'Diskussionen', die aber meistens zwischen ihnen und meiner Schwester und mir stattfinden. Außerdem betreiben sie eine Bäckerei, in der meine Zwillingsschwester Sophie und ich manchmal aushelfen.

In letzter Zeit übernehme ich meistens Sophies Schichten, da sie es geschafft hat sich einen Freund zu angeln, was mich eigentlich sehr wundert. Nicht wegen ihrem Aussehen, sie ist wirklich hübsch *hust* Eigenlob *hust*, sondern wegen ihrem verrückten Charakter, der auch bei mir nicht zu kurz kommt.

Und dann gibt es da noch meine große Schwester Charlie, die wie Sophie mit einem tollen Namen gesegnet wurde. Im Vergleich zu mir. Sie studiert in England Betriebswissenschaften und lässt nur wenig von sich hören.

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Meine Geschichte beginnt damit, dass ich auf den Bus in die Innenstadt warte. Natürlich hatte ich meinen Bus gerade verpasst, weswegen ich auf der kalten Metallbank bei der Haltestelle platz nehmen muss und in meiner Tasche nach meinen Kopfhörern krame. Erst nachdem ich meinen gesamten Tascheninhalt ausgeleert habe, bemerke ich, dass sie sich gar nicht in der Tasche befinden da sich Sophie die Kopfhörer mit großer Wahrscheinlichkeit geschnorrt hatte.

Seufzend sammle ich meinen Tascheninhalt vom Boden auf, der Gott sei dank aus nicht allzu vielen Sachen besteht, weil ich keine dieser Personen war, die ihr gesamtes Haus mit sich herumschleppen.

Nach zehn Minuten, die sich für mich, einem eher ungeduldigen Menschen, wie fünf Stunden anfühlen, rauscht der Bus um die Ecke in den ich einsteige.

Im Bus sind bei meinem Glück alle Einzelplätze besetzt. Also setze ich mich, kontaktfreudig wie ich bin, weit weg von allen anderen auf einen Viererplatz, da dort die Wahrscheinlichkeit geringer als auf einem Doppelsitz ist, dass sich jemand neben dich pflanzt.

Bei der nächsten Station, steigen viele Leute ein, von denen sich niemand neben mich setzt, was auf meine Killerblicke zurückzuführen ist. Als sich der Bus wieder in Bewegung setzt, atme ich erleichtert auf, bis sich doch jemand neben mich setzt. Wo bleibt da die Wahrscheinlichkeit? Ich musste die Killerblicke auf jeden Fall noch verbessern, oder ich setzte meine Geheimwaffe, stark verkühlte Kranke ein, die Sophie und ich während eines Skiurlaubes eingeführt hatten und so erfolgreich unsere Gondel von unerwünschten Passagieren freihalten konnten.

Als ich mich gerade umdrehe um den Fremden filmreif anzuniesen, stocke ich. Der Fremde entpuppt sich als ziemlich attraktiver Typ, der mich unverwandt anschaut. Schnell drehe ich meinen Kopf zur Fensterscheibe und laufe rot an. Wie ihr spätestens jetzt merkt habe ich noch nicht soviel mit Kerlen zu tun. Ja, ich weiß ich bin 17 aber es hat sich einfach noch nicht ergeben.

Daraufhin schwenken meine Gedanken zu Sophie und ihrem Freund Mark, der für einen Jungen ganz passabel ist. Trotzdem nehme ich es ihm übel, dass Sophie wegen ihm weniger Zeit für mich und die Bäckerei hat. Und dass ich meinen Sitzplatz mit unverschämt gutaussehenden Typen teilen muss.

Der Bus hält wieder. Warum fahren diese Dinger auch so langsam. Ich will nicht erst morgen bei der Bibliothek ankommen. Gerade als ich denke, dass dieser Tag nicht noch schlimmer werden kann, sehe ich die Aufdringlichkeit in Person: Mike.

Mike ist, ja wie soll ich sagen, speziell. Er sieht umwerfend aus, seine Haare sehen aus als wären sie einer Frisörwerbung und seine blauen Augen aus einer Schokoladenwerbung entsprungen. Jetzt wo ich es mir recht überlege sieht er insgesamt wie ein Model aus, dass mit einem Grinsen auf mich zukommt. Ja, ihr habt richtig gehört, auf mich. Denn das Spezielle an Mike ist nicht sein Aussehen, sondern dass er unbedingt mit mir ausgehen will. Seit Jahren.

Verstecken wäre zwecklos, er hatte mich bereits gesehen.

"Hey, Wen." Er setzte sich mir gegenüber und strahlt mich an. Ich weiß nicht warum ein so gutaussehender Junge überhaupt Interesse an mir hat. Wahrscheinlich war er nur in seinem Ego verletzt, weil ich ihm vor Jahren einen Korb gab, weil ich mit seiner arroganten Art nicht klar komme. Seitdem versucht er mich rumzukriegen. Echt traurig wenn ihr mich fragt. Aber er hat eigentlich nichts zu verlieren, er kann sich ja noch immer mit den tausenden Mädchen trösten, die bei ihm Schlange stehen.

"Hi Mike." Ich versuche gar nicht den Sarkasmus in meiner Stimme zu verbergen.

"Wo ist Sophie?", fragt er mich verwundert. Ich verdrehe meine Augen. Wir sind zwar Zwillinge und wir machen auch viel miteinander, aber sobald wir getrennt sind, fragen uns alle wo die jeweils andere ist. Ich meine, es ist ja nicht so als ob mir ein Ohr fehlen würde, oder?

"Sie ist bei Mark", sage ich abweisend.

"Tja, du könntest jetzt auch Zeit mit deinem zukünftigen Freund verbringen. Ich steh dir immer zur Verfügung."

"Mike, bitte. Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber ich habe kein Interesse, was dir in den letzten Jahren vielleicht schon aufgefallen ist."

"Ich weiß, ich weiß. Aber", er sieht mich eindringlich an und ich merke, wie sich seine rosa Lippen zu einem Grinsen kräuseln, "du hast letztens versprochen, dass ich eine Verabredung bekomme, weil ich dich in der Schule in Ruhe gelassen habe. Es war wirklich schwer dich seit dem zu finden. Man könnte fast meinen du wärst mir absichtlich aus dem Weg gegangen."

Ich schaue Mike mit meinem 'no shit sherlock'-Blick an und seufze. Warum, warum bin ich nur so blöd.

Anscheinend sind Idioten doch nicht vergesslich.

"Tut mir leid Mike, aber es geht nicht."

"Warum nicht?". Jetzt hieß es improvisieren.

"Weil -und jetzt kommt die dümmste Entscheidung meines Lebens, Applaus, Applaus- er mein Freund ist."

Mit diesen Worten zeige ich auf den Typen neben mir und habe mein Schicksal besiegelt.

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Why you shouldn't lieWhere stories live. Discover now