Aspyns High School Drama Show

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Den ganzen Vormittag über bekam Pandora ihre Schwester kaum zu Gesicht. Sie besuchten nicht immer dieselben Klassen, aber in Biologie tauchte sie komischerweise nicht auf. Was sie wohl trieb? Vorsichtshalber schrieb Pandora alles haarklein für sie mit. Konnte ja sein, dass Mrs Schuermann morgen einen unangekündigten Test schreiben würde. In der letzten Stunde vor dem Mittagessen, tauchte sie verwunderlicherweise dann doch in "Amerikanische Geschichte" auf, allerdings zehn Minuten zu spät. Mr. Dutter schien sich von Aspyns spätem Auftreten nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, nahm aber dennoch kurz seine Brille ab. "Aspyn, wie schön, dass du auch noch die Zeit finden konntest, an meinem Unterricht teilzunehmen."
Allerdings hatte er in Aspyn in Bezug auf gelassenes Auftreten seinen Meister gefunden. Übertrieben langsam schloss sie die Tür und strich sich dann die blonden Haare über die Schulter. "Das wollte ich mir doch auf keinen Fall entgehen lassen." Sie warf Pandora einen kurzen Blick zu. "Vor allem nicht jetzt, wo es gerade so spannend wird bei ..."
<<Der Inflation in den Jahren nach dem Bürgerkrieg>>, sagte ihr Pandora über das Zwillingsband vor.
"Nun ja mehr oder weniger spannend, wenn man mich fragt", hüstelte Aspyn belustigt.
Mr. Dutters Blick bohrte sich in die Zwillinge. Die Falten auf seiner Stirn erreichten beinahe seine blonden Haarspitzen. "Wie amüsant. Aber du solltest dich dennoch in die Nachsitzliste eintragen, wenn man mich fragt." Er nickte in Richtung der Liste, die gleich rechts neben der Tür an der Wand hing. "Oh so ein Zufall, schon zweimal zu spät diesen Monat!" Er tat überrascht. "Leider haben wir am Wochenende einen Feiertag, daher kein Wochenendnachsitzen für dich. Aber dafür gibt es einen Plan B. Nachsitzen bedeutet für diese Woche Bibliotheksdienst in den Mittagspausen. Viel Spaß."
"Was?", keuchte Aspyn.
"Du hast mich schon verstanden und jetzt setz dich, sonst kannst du gerne deine Hausaufgaben vortragen." Mr. Dutter neigte abwartend den Kopf.
Niemand überraschte es, dass Aspyn nicht wollte. Wenn sie überhaupt Hausaufgaben machte, dann die in Sport, Kunst oder in Politik.
Schnaubend ließ sie sich auf den Platz neben ihrer Schwester fallen. <<Was hat er nur gegen mich?>> Sie schlug ihr Heft auf und begann so zu tun, als ob sie die Daten auf der Tafel abschrieb. Dabei malte sie anstelle von Buchstaben filigrane Blumen in ihr Heft.
Sobald Mr. Dutter mit seinem Monolog über die Inflation fortfuhr, beugte sich Pandora tiefer über ihr Heft und griff nach dem Zwillingsband. <<Heute früh habe ich diesen pickligen blonden Typen in der schwarzen Kutte wieder gesehen. Er hat dich beobachtet.>>
Daraufhin ging die Spitze von Aspyns Bleistift in Flammen auf. Die Nachricht schockte sogar die sonst so taffe Aspyn.
Mit einem geübten Handgriff brachte Pandora die Situation wieder unter Kontrolle. Flammen ausschlagen stellte seit ihr Kindheit eine der wichtigsten Reflexe überhaupt dar. <<Hast du ihn erwischt?>>
<<Nein, er ist weggerannt.>>
<<Mist. Möchte wissen, wer das ist. Und was er von uns will.>> Nachdenklich spielte Aspyn an der Ecke ihres Hefts herum. <<Matt hat mir geschrieben, dass er mich ins Kino einladen möchte. Er würde seinen Chauffeur zu mir schicken, stell dir das mal vor!>>Unter dem Tisch zeigte sie Pandora die Nachricht. Kopschüttelnd las Pandora den Text. <<Du antwortest ihm nicht? Ist ignorieren angesagt?>>
<<Genau.>> Schnaubend steckte Aspyn ihr Handy wieder weg. <<Hast du eine Nachricht von Drew bekommen?>>
<<Nein, bisher nichts von ihm gehört.>> Was sie ganz und gar nicht schade fand. Den Rest der Stunde schimpfte Aspyn immer wieder über "die dämlichen Bonzen-Phoenixe, die glaubten, sich mit Geld alles kaufen zu können."
Pandora grinste einfach nur und schrieb fleißig mit.

Als es läutete und beide aufsprangen, wandte sich Mr. Dutter erneut an Aspyn: "Nicht vergessen: Bibliotheksdienst statt Mittagspause. Und oha!", er tat überrascht, "das ist ja genau jetzt!" Am liebsten hätte Aspyn ihm in diesem Moment in seine übertrieben weit aufgerissenen Augen gespuckt. "Also los, Aspyn und jetzt schau nicht so, als ob du mich anspucken wolltest. Du bist kein Lama."
Kichernd begleitete Pandora ihre Schwester bis zu den Türen der Bibliothek.
"Keine Panik, wenn du diesen Gesichtsausdruck weiter beibehälst, traut sich sowieso niemand dich anzusprehen um ein Buch auszuleihen." Genau genommen hatte Aspyn ihren "ich lasse kleine Kinder zu Stein erstarren-Blick" aufgesetzt.
"Ja ja, mach dich nur lustig. Du kannst ja in die Kantine gehen. Ich aber nicht."

~Aspyn~

Nach einem letzten dramatischen Aufstöhnen öffnete Aspyn die Tür.
Zuerst versuchte sie in dem Chaos, das sich ihr bot, einen Menschen zu finden. Überall stapelten sich Bücher neben Regalen und auf dem Ausleihtresen. Der Rollwagen, auf dem Bücher zurück in ihr Regal geschoben wurden, sah aus, als sei er schon seit Jahren nicht mehr geleert worden. "Hallo? Jemand da?"
Damit Pandora nichts von ihrem peinlichen Strafarbeitseinsatz in dieser Messie-Bibliothek mitbekam, ließ sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Das Holz kratzte dabei über den kotzgrünen Teppichboden.
Niemand rührte sich.
Mit verschränkten Armen ließ sie ihren Blick über die unendlichen Stapel an Büchern schweifen. Das Tippen ihres Fußes auf dem Teppich war das einzige wahrzunehmende Geräusch. Immer noch niemand zu sehen. Vielleicht hieß das, dass sie wieder gehen konnte? Offenbar war diese Bibliothek gerade wegen Umräumungsarbeiten geschlossen oder etwas in der Art. Außerdem war es ja nicht so, als würden die Schüler hier Schlange stehen, um ein Buch auszuleihen ... Sie würde dem Ganzen noch zehn Sekunden geben und dann... Doch da ertönte auf einmal ein kratzendes Geräusch untermalt von einem aufdringlichen Quietschen. Keine zwei Sekunden später rollte ein Junge auf einem runden Trittstuhl in der Mitte des Raumes von rechts nach links über den Gang bis er wieder hinter dem nächsten Bücherregal verschwand. Vor Schreck vergaß sie beinahe wütend mit dem Fuß aufzustampfen. War hier gerade ein Typ auf einem aufgemotzten Hocker entlang gerollt? Hatte er das Ding tatsächlich mit Flammen bemalt und ihm rote Rollen angeschraubt?
Vielleicht hatte sie sich das aber auch nur eingebildet. Am Ende litt sie schon an Unterzuckerung, weil sie ihr Mittagessen ausfallen lassen musste.
"Oh hallo! Du musst das Nachsitzopfer sein."
Wie bitte? Sie hörte ja wohl nicht richtig! Augenblicklich kniff sie die Augen zusammen, pustete sich dann anstelle einer Antwort ihre Haare aus der Stirn.

Games of Flames [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt