Music, save me - again

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Der Bass hämmert durch meinen Körper, bringt ihn zum beben. Meine Hände bewegen sich wie von Fäden gelenkt im Rhythmus, klatschen im Takt in dem Glauben, nie einer anderen Tätigkeiten nachgegangen zu sein. Adrenalin fließt durch meine Adern, während ich von Kopf bis Fuß unter Spannung stehe. Die Töne dröhnen durch die riesige Halle, vermischen sich mit dem Gepfeife und Applaus der Massen. Mein Herz passt sich dem Drummer an, ich gebe mich vollkommen der Musik hin, fühle den harten Beat des Schlagzeuges und Basses, die weichen, eleganten Tonfolgen des Keybords, die verbindenden Akkorde und schnellen Läufe der Gitarre. Verschmelze mit der Brüllenden, singenden Menschenmenge. Meine Droge, die Musik. Ich lasse mich fallen, verliere mich in ihr, in ihrem betörenden, abwechslungsreichen Wahn, kein Gedanke an eventuelle Ohrenschäden. Vergessen. Völlige Hingabe zu etwas, dessen Entstehung von der Natur nicht zwingend erfordert wurde. Etwas sich wandelndes, etwas mit unglaublich vielen Facetten. Unendlich viele Möglichkeiten der Realität zu entfliehen, sich ein neues Zuhause zu suchen wo es keines gibt. Und doch flüchtet man sich wieder in Vergängliches, so sehr wir uns auch wünschen für immer ein Teil dieser Macht, dieser Freiheit zu sein. Jede Droge verliert ihre Wirkung, jede Melodie findet ihr Ende. Die Realität lauert hinter der nächsten Ecke, sie wartet nur auf den letzten verklingenden Ton um dich wieder in ihre kalte, dunkle Welt zu verschleppen. Machtlos, klein und unbedeutend stehen wir da, bis wir wieder der Musik das Steuer überlassen, sie uns entführen lassen in ihre Welt, die wir geschaffen haben, die uns vertraut und doch neu ist. In der wir uns verlieren und finden, lachen und weinen. Ein Netz, das uns auffängt, wenn wir vom Leben in den Dreck geworfen werden, ein Fallschirm, ein Halt. Sicherheit, Geborgenheit, Töne werden nicht urplötzlich ihre Abfolge ändern, dich verachten und sich nicht mehr blicken lassen. Sie werden dich nicht allein lassen. Immer da sein. Und dann bist du wie ich, wie tausende andere, wieder Teil dieser Gemeinschaft, Teil einer Masse aus klatschenden Händen, Begeisterung, Feuerzeugen. Teil der Musik. Zeitbegrenztes Glück, eine weitere Droge der Menschheit.

Kurzgeschichten über Alles und JedenWhere stories live. Discover now