1. Just One Life •/◇

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Von jungen Mördern im Tod

Wenn er jetzt beschrieben sollte, wie es im Jenseits war, dann könnte er sich nicht erinnern. Es wären viele verblasste Orte und Handlungen, an die er sich nicht erinnern konnte, wenn er plötzlich wieder zum Leben erweckt werden würde.
Er würde sich nicht mehr an die Kälte, Einsamkeit und Finsternis erinnern, genauso wenig wie an die Wärme, Helligkeit und Freiheit.
Er könnte sich nicht an mich erinnern. Ich war so eine wie er -- nur dass ich meinen Freund nicht gerettet hatte. Ich war dumm! Ich hatte zu große Angst, irgendetwas zu tun. Normalerweise war ja ich das schwache Glied unserer Beziehung, doch in diesem Fall war es nicht so. Mein Freund ist ertrunken. Anscheinend hatte er einen Krampf und ich konnte ihm nicht meine Hand reichen, um ihn zu retten. Und selber ins Wasser konnte ich nicht springen. Ich litt damals zu sehr an dem Tod meiner Mutter, die gleich wie mein Freund gestorben ist.
Sogesehen war ich eine Mörderin. Hatte meinen Freund ertrinken lassen. Ich war nicht so ein Ehrenmann wie er. Er war für sie in ein brennendes Haus gerannt und war hinausgesprungen, um so ihr Leben zu retten -- und seins zu opfern. Ich war nicht so. Ich war viel zu egoistisch. Vielleicht würdest du jetzt einwenden, dass ich ihn nie richtig geliebt habe. Ich habe ihn geliebt! Nur auf eine Art und Weise, die dir total fremd ist.
Nach dem Tod von meinen Eltern war ich am Ende. Aber nach dem Tod von meinem Freund sah ich rot. Irgendwie war ich so sauer auf mich und mein innerstes, dass eine Seite hervorgetreten ist, die ich noch nie gehabt hatte.
Meine Schuldgefühle waren weg und stattdessen ritt mich eine Kälte und Interessenlosigkeit, die mich freute. Ich mochte es. Und mit dieser Zeit tauchte ein neues Unterbewusstsein in meinem Kopf auf.
Es sagte mir, was ich tun sollte, was es von mir hielt und dominierte mich von Zeit zu Zeit mehr. Ich muss zugeben, es war umwerfend sowie verwirrend. Normalerweise war ich Herr der Lage, doch das hatte sich geändert.
Wenn ich Sachen tat, dann weil meine Stimme in mir es mir gesagt und mich solange beleidigt hatte, bis es verdammt nochmal tat. Es waren grauenvolle Dinge. Nachts war es besonders schlimm. Normalerweise erwachte nachts immer meine kreative Phase, doch ich nutzte sie negativ.
Ich gebe es offen zu. Ich hatte Menschen gefoltert und auch umgebracht. Ich war ein schlechter Mensch, dessen bin ich mir mittlerweile bewusst. Doch damals... ich weiß nicht. Wenn mein Unterbewusstsein nach frischem Blut lechzte, zeigte ich frisches Blut. Erstaunlicherweise habe ich mir selbst nie etwas angetan. Jedenfalls nicht physisch.
Ich habe die beste Freundin meiner Mom ermordet-- und ihre Familie. Ich bin ein grauenvoller Mensch.
Nach meinem ersten Mord erwachte meine gute Seite -- das war das letzte Mal. Ich sah was ich getan hatte und sicherte dieses Mal bis in mein Herz. Und es erschütterte mich, dass selbst die nettesten Menschen (so war ich jedenfalls davor) zu solcher grausamer Tat fahrig waren. Und damals hätte ich mich noch retten können. Zum Psychiater gehen oder mit jemanden darüber reden. Doch ich war dumm, und handelte anders. Ich war so verletzt von mir selber, dass ich meine gute, nette, freundliche und mitfühlende Seite verdrängte. Ich wollte nichts mit ihr zutun haben. Und in diesem Moment haben die bösesten Dämonen mich übernommen.
Die Polizei ermittelte in vielen Fällen, in denen ich der Mörder war. Aber mein Kreativität hatte irgendwie nicht nachgelassen. Ich konnte mir immer etwas einfallen lassen, dass den Fokus auf Unschuldige lenkte.
Doch mit der Zeit wurde mir langweilig. Es turnte mich lange nicht mehr an Menschen zu töten. Ich mochte diesen Hilflosen und bettelnden Blick in ihren Augen. Und dann wenn sich meine Lippen zu einem kalten Lächeln verzogen, wie ihre Augen ihre raue, verweigernde Akzeptanz mit dem Tod widerspiegelten.
Bald begann ich mit der Polizei zu spielen. In dieser Zeit war ich bekannt als Der Endtführungs-Mörder. So ein scheiß Name... Ich entführte ehemalige Mitschüler, die mich mal gemobbt oder beschimpft hatten und tötete sie dann. Erst schauten sie erschrocken, als sie mich erkannten, doch dieses Grinsen lieferte mir eine gewisse Vorfreude. Bring sie zum schreien; sie sollen dich -- uns -- anflehen, donnerte mein Unterbewusstsein und wie so oft tat ich was man mir sagte.
Ich war skrupellos. Ich spielte mit der Polizei. Erst entführte ich jemanden und dann entfernte ich nach und nach Körperteile, und schickte diese an die Polizei. Denen sagte ich, dass sie schneller und besser suchen sollten, sonst stirbt die Person, dessen Körperteile sie zugeschickt bekommen hatten.
Ich schäme mich.
Generell war die Polizei echt langsam. Ich hatte sogar überlegt von meiner Großstadt in eine noch größere zu siedeln, um mehr Spaß zu haben -- und würdige Gegner von der polizeilichen Seite. Soweit ist es nie gekommen. Vielleicht war es ja gut, dass so ein Sociopath wie ich, nicht weiter besiedelt ist.
Denn dann als die Bullen endlich mal ihren Arsch bewegt hatten, und pünktlich waren,  fanden sie trotzdem eine nahezu tote Person auf. Ich hatte meinem Opfer ein selbst gemachtes Gift indiziert. Ehe sie ins Krankenhaus und dann behandelt worden wäre (zuerst hätte man ja herausfinden müssen, was ihr überhaupt gespitzt wurde) wäre sie schon längst tot gewesen.
Ich hatte alles von dem oberen Stockwerk eines nebenstehenden Hauses beobachtet.
Doch ich wurde gefasst. Da muss ich aber anmerken, dass es ein ordentlicher Festzug war. Man kannte mich vielleicht als den unbekannten Mörder, aber als man herausfand, dass ich eine Frau war, waren alle noch entsetzter.
Die Polizei schnappte mich, weil irgendein Vollidiot in der Lagerhalle noch funktionierende Kameras hatte. Ich wurde gefilmt und dummerweise redete ich mit meiner Geisel über den Ort, wo ich sie vergraben wollte.
Immerhin hatte ich es noch geschafft, sie umzubringen. Die Polizei überraschachte mich an dem Ufer eines Sees, wo ich gerade dabei war die Leiche zu ertränken. 
Sofort wurde ich umzingelt. Ehrlicherweise war es für mich nicht schade. Es war mal etwas anderes -- so hat es mich nicht im geringsten gestört, dass um die 25 Leute um mich herumstanden und mir ihre Waffen unter die Nase hielten. Ich habe sie gefragt, ob sie wissen wollen, wo mein Versteck ist. Klar, wollten sie das. Es sind verdammte Bullen. Eine düstere, mordslustige Vorfreude hatte sich in mir breit gemacht und ich folgte breit, und vor allem kalt,  lächelnd den vorderen Polizisten. Zwei andere hielten meine Arme an jeder Seite und ein dritter hielt meine Hände hinter dem Rücken. Wir kamen an meiner Lagerhalle an und fünfzehn Polizisten beschlossen mit mir das Gebäude zu betreten. Als wir drinnen waren schoben sie mich an den Rand gegen die Wand. Ich beobachtete, wie sie sas Gebäude inspirierten. Drei blieben bei mir stehen. Ich zappelte ein wenig und hatte es somit geschafft ein wenig näher an einen roten Knopf zu kommen. Als alle Polizisten, die die Halle begutachteten, wegsahen, schubste ich den einen Polizisten an meiner linken mit voller Wucht gegen die Wand. Wenn man lange auf der Straße lebt oder die düstere Seite des Lebens kennenlernt, lernt man sich zu verteidigen. Und dazu gehört auch kämpfen und noch vieles mehr.  Deshalb konnte ich den Typen auch so gut wegschubsen -- auch wenn es ein Mann war. Dadurch wurde der rote Knopf ausgelöst. Ich hatte einen schnellen Blick an die Decke geworfen. Das rote Licht blinkte. Perfekt. Die anderen beiden Bullen hielten mich fester und drückten mich gegen die Wand. Hatten allerdings nur eine Hand von mir in ihrem komischen Griff. Ich tastete die Wand vor mir ab und hatte schließlich das gefunden was ich gesucht hatte. Eine Waffe.
Danach ertönten viele Schüsse. Ich hatte die drei erschossen, die mich festhielten.
Noch 15 Sekunden.
Ich hatte welche ermordet, die in der Halle auf mich geschossen hatten.
Noch 10 Sekunden.
Durch den Haupteingang waren noch mehr Einsatzkräfte gekommen. Mein Glück war, dass ich durch ein mir bekannten Hinterausgang das Gebäude verlassen konnte.
5, 4, 3, 2, 1.
Ich bin draußen gewesen, als die Lagerhalle explodierte. Mir ihr gingen um die zwanzig Polizisten in die Luft. Noch mehr Menschen, die ich ermordet hatte.
Vor mir standen auf der Weise zehn oder mehr Einsatzwagen. Davor bewaffnete Polizisten. Sie sahen erschrocken auf das Gebäude hinter mir, oder die Asche und den Schutt. Ich ging auf sie zu und richtete meine Waffe. Sie hatten mir angeordnet, stehen zu bleiben, doch das tat ich nicht. Ich wollte Blut sehen. Menschen schreien hören. Sie sollten mich anlegen!
Doch sie taten das, was jeder Bulle getan hatte, wenn man ihn angegriffen hätte.
Ich schoß drei von ihnen nieder. Und einer von ihnen erschoss mich. Genau ins Herz. Wäre da noch eins gewesen hätte ich vielleicht etwas gefühlt. Doch das tat ich nicht.
Jetzt waren sie einen Socipath los -- hatten aber vielleicht selber auch solche Gedanken. Meine Dämonen hofften, dass der Bulle, der mich erschossen hatte, selber begann die schwarze Seite seinerselbst zu entdecken.
Ich war wurdevoll gestorben, so sahen meine dunkle Seite, mein neues Unterbewusstsein oder meine neuen Dämonen es jedenfalls.
Durch meinen Tod, wurde etwas in mir wachgerüttelt, dass mehr Emotionen zu ließ. Für mich war es in dem Moment etwas komplett Neues. Ich war sadistisch und sociopatisch. Ich konnte den Menschen mir gegenüber eingeschränkt bis zu kein Mitgefühl aufweisen.
Ich hatte Angst und Unbehagen gespürt. Und ich wette man konnten in meinen Augen sehen -- so wie ich bei meinem Opfern --, dass ich Angst hatte und es eine Sekunde später akzeptierte. Was hatte ich such sonst tun sollen?!

Seitdem bin ich hier bei ihm. Wir sind komplett verschiedene Menschen. Und doch glaube ich zu wissen, warum wir zusammen in einem Nichts gefangen sind. Ich sollte ein bisschen werden wie er -- und er sollte ein bisschen werden wie ich.
Erst danach und wenn wir unsere Schuld abgesessen hatten waren wir bereit für den Tod.

Just One Last TimeWhere stories live. Discover now