Prolog

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Prolog

Wie Schatten glitten sie durch die dunklen Straßen. Es war kurz vor Mitternacht und die Gassen einsam und verlassen. Fast. Nur wenige Menschen trieben sich noch um diese Zeit dort herum und diese waren ihre Beute. Leichte, ahnungslose Beute. Nur ein Gedanken daran, ließ sie schneller laufen, ihre Sinne schärfen. Zu lange hatten sie sich zurückhalten müssen. Zu lange hatten sie danach gelechzt. Zu lange hatten sie gelitten. Doch nun war diese Zeit endlich vorbei.

Verborgen in den dunklen Winkeln glitten sie durch die Stadt. Sie verschmolzen mit den Schatten, wurden zu Schemen. Sie waren Schatten.

Die Spur eines Menschengeruches lag in der Luft. Augenblicklich wurde der vorderste Wolf langsamer und hob witternd die Schnauze in die Luft. Sein Fell war schwarz. So schwarz wie das Gefieder einer Krähe. Einen Moment später bog er um eine Ecke und folgte der schwachen Duftspur und sie liefen an einer Mauer entlang. An einem eisernen, alten Gittertor von einem Park endete die Spur. Der Mensch musste sich dort drinnen befinden. Einen Moment zögerte der schwarze Wolf. Zwar barg jeder Park die Gefahr einer Falle, eingesperrt zu werden, doch sie waren zu dritt. Mit einer geschmeidigen Bewegung war er im Inneren. Hier war der Geruch stärker, intensiver. Ein schauriges Prickeln lief durch das Fell des Wolfes. Die Jagd konnte beginnen. Den beiden anderen erging es nicht anders und der rabenschwarze Wolf spürte, wie ein Ruck durch beide ging. Der hinterste, ein Jungwolf, hechelte unbeherrscht und wollte losstürmen, doch der andere, der ein vernarbtes Ohr hatte, hielt ihn zurück, obwohl auch in seinen stechenden Blick Gier und Verlangen lag. Verlangen nach Beute. Der vorderste, schwarze Wolf lief lautlos weiter. Auch er musste sich zügeln.

Endlich kamen sie näher an ihr Ziel. Es war eine Bank in der Mitte des Parks, die unter einer Laterne stand und auf der ein Mensch saß. Es war ein Mädchen und die rotbraunen Locken fielen ihr über die Schultern und breiteten sich wie ein Wasserfall über ihren Rücken aus. Sie saß mit dem Rücken zu ihnen und hatte den Kopf gen Himmel gerichtet. Wieder bremste der andere Wolf den Jungwolf aus. Auch der schwarze Wolf wurde ganz von dem Geruch des Menschen eingenommen. Ihr pulsierendes Blut in ihren Adern, dessen würziger Geschmack sein Maul ausfüllen würde... Doch dann befreite er sich davon und wies den Jungwolf an hier zu bleiben. Der Wolf mit dem vernarbten Ohr verschwand in der Dunkelheit und nun machte sich auch der schwarze Wolf auf dem Weg. Er umrundete seine Beute und lief tiefer zwischen die Bäume. Dann verharrte er einen Augenblick um dem anderen Wolf Zeit zu geben. Viel lieber hätte er dessen Rolle eingenommen, doch sie konnten sich nicht noch einen Ausrutscher, einen Fehler erlauben.

Dann war es so weit. Er lief los, trat absichtlich auf Äste, die unter seinen Pfoten knackend zersprangen. Mit seinen geschärften Sinnen nahm er war, wie das Mädchen aufstand. Gut so. Schon war er in der Nähe der Bank, doch immer noch so weit im Schatten, dass sie ihn nicht sehen konnte. Wieder zerbrach ein Ast unter seinen Schritten. Er spürte ihre Angst. Ein feiner Hauch in der nächtlichen Luft, der ihn anstachelte. Seine Fänge in ihrem Fleisch. Brechende Knochen. Zerfetztes Fleisch. Wieder musste er sich beherrschen. Bald. Bald. Nun vertrieb er alles Wölfische, Raubtierhafte aus seinem Blick. Dann trat er in den Lichtkreis und winselte wie ein Welpe. Erbärmlich. Die Augen des Mädchens weiteten sich, dann erschien ein erleichterter Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie sprach leise zu ihm und kam näher, instinktiv wich er in den Schatten zurück. Er sah hinter ihr den anderen Wolf auf sie zuspringen. Augenblicklich sah er wieder zu ihr. Blickte in ihre Augen und verlor sich einen Moment in deren wiesengrünen Tiefen. Dann riss die Wucht des springenden Wolfes sie zu Boden und brach den Bann. Sie schlug hart auf und blieb bewegungslos liegen. In dem Blick des Wolfes mit dem vernarbten Ohr stand Blutdurst. Doch es stand dem schwarzen Wolf zu als erster seine Fänge in die Beute zu schlagen. Und das wussten beide, doch der andere Wolf wollte ihn nicht heranlassen. Knurrend kam der Rabenschwarze auf den anderen zu und baute sich zu seiner vollen Größe auf. Minutenlang starrten sie sich feindselig in die Augen. Dann senkte der Vernarbte mit knirschenden Kiefern den Blick und zog sich zurück. Verschwinde! Schleuderte ihm der schwarze Wolf entgegen und kurz darauf tat er es. Nun war der Wolf allein. Und sein Verlangen war übermächtig.

Dark Side- Im Schatten des Wolfes Where stories live. Discover now