Eine Katastrophe kommt selten allein

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Ein ziemlich aufgebrachter Ramon stand einem nicht weniger wütenden Peter gegenüber. Mein Sous Chef hatte in der vergangenen Woche nur wenige Male mit dem vorlauten Neuzugang zusammengearbeitet, trotzdem war mir die Spannung zwischen den beiden nicht entgangen. Ich hatte keine Ahnung, warum doch sie konnten sich auf den ersten Blick nicht leiden und wahrscheinlich hätte mir klar sein müssen, das es irgendwann zwischen den beiden knallen würde.

„Natürlich hast du das! Gib es doch einfach zu!" rief Peter aufgebracht, sein Kopf war schon rot angelaufen vor Wut.
„Ich kann nichts zugeben, was ich nicht getan habe!" hielt Ramon beharrlich dagegen. Die Zwei waren kurz davor sich die Köpfe einzuschlagen.

„Schnauze! Beide." Mit meiner besten Ich-Chef-Du-nix-Miene trat ich zwischen die Streithähne. Sie erdolchten sich weiterhin mit Blicken, aber wenigstens hatte die Schreierei aufgehört. Mein schmerzender Kopf dankte es ihnen. „Also Peter, " wand ich mich an den Ältesten in der Runde, „was genau wirfst du Ramon vor?" 

„Es hat Geld aus der Kasse genommen!"

„Hast du gesehen wie Ramon das Geld genommen hat?"

„Nein, aber als ich gerade nochmal nachgezählt habe fehlten bestimmt 400  Euro. Es kann niemand anderes als er gewesen sein." Er verschränkte seine Arme trotzig vor der Brust. Manchmal vergaß ich, das er schon Anfang Vierzig war, aber wen wunderte es, bei so einem kindischen Verhalten.

„Ramon, ich werde dich das nur einmal fragen, hast du unerlaubt Geld aus der Kasse entwendet?" Vielleicht hätte ich doch Erzieher werde sollen. In Situationen wie diesen fühlte ich mich nämlich wie einer.
Der junge Kellner blickte mir direkt in die Augen, als er antwortete. „Nein." Seine Stimme klang fest und ich glaubte ihm.
„Okay." Nickte ich. Während ich mein Handy aus meiner Tasche kramte, spürte ich die überraschten und ungläubigen Blicke meiner Angestellten auf mir.
„Das war's? Du glaubst ihm einfach? Ohne das weiter zu hinterfragen?" Peter schien empört. Aber auch Ramon wirkte überrascht, dass ich ihm glaubte.
„Er hat mir bisher keinen Grund geliefert ihm nicht zu glauben. Deine Behauptung habe ich auch nicht weiter hinterfragt, obwohl du keinerlei Beweise dafür hast. Da ich euch beiden glaube, kann es sich nur um ein Missverständnis handeln." Mit geübten Finger suchte ich die Nummer in meinen Kontakten, eine der Wenigen, die ich eingespeichert hatte.  Peter wollte erneut zum Reden ansetzten, doch ich brachte ihn mit einer einfach Handbewegung zum Schweigen.  Das dumpfe Tuten hallte in meinem Ohr wieder. Wie gewöhnlich dauerte es eine kleine Ewigkeit bis er endlich ranging. „Ja?" meldete er sich. Im Hintergrund herrschte murrende Betriebsamkeit. Anscheinend war er schon auf dem Markt.

„Hey Jan. Nur ganz kurz, hast du Geld aus der Kasse genommen?" kam ich direkt zum Punkt.

„Ja, fürs einkaufen. Hab Peter aber eigentlich Bescheid gesagt." Die verschiedensten Stimmen redeten durcheinander, irgendwo preiste ein Marktschreier seine Ware an. Ich liebte die Atmosphäre auf dem Markt.

„Dann ist ja alles klar. Danke." Ich legte auf, bevor er etwas erwidern konnte. Ich hasste Verabschiedungen jeglicher Art. Vergeudete Mühe, meiner Meinung nach.

„Jan hat das Geld genommen, für den Einkauf. Die Frage wo das Geld hin ist, wäre also geklärt." Ich musterte den Mittvierziger kritisch. Er schob sein Kinn trotzig noch vorne, als Antwort auf meinen forschenden Blick. Er war sich wohl keiner Schuld bewusst.
„Dann ist ja alles geklärt."

„Nein, ist es nicht. Ich würde nämlich gerne wissen, warum zum Teufel du Ramon des Diebstahls beschuldigst, obwohl Jan dir persönlich gesagt hat, dass er das Geld genommen hat?" Nun verschränkte auch ich meine Arme vor der Brust und genoss den Umstand, dass ich ein paar Zentimeter größer war, als der ältere Mann. Er schnaubte nur.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt