Kapitel 4 - Schmerz, Ring, Pappkartons .. ach ja Und die Anderen auch noch

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Schweigend, die Mundwinkel zu einem leichten Lächeln erhoben, schritt ich langsam die letzten Meter Richtung Zug und doch nahm ich mir die Zeit ein letztes Mal  um so viel wie möglich von meinem Distrikt aufzusaugen. Es ist das letzte Mal, das ich diese Pflastersteine unter meinen Füßen berührte, das letzte Mal, das ich die halbwegs frische Luft einatmete, ein letztes Mal, das ich die Architektur, des Bahnhofgebäudes, die sich mit dem Rest aus Distrikt 1 glich, betrachten konnte. Schon seltsam, das ich jetzt schon damit anfange, mit der Sicht, alles ein letztes Mal zu erleben. Aber was bleibt mir anderes auch übrig? Welche hundertprozentige Garantie, besitze ich, das ich in ein paar Wochen erneut auf dem Bahnhof stehe, und das lebendig?
Das Blitzlichtgewitter der abertausenden Kameras sowie auch die diskokugelähnliche Wirkung von Miabellas Diamantenkleid, trübte meine Sicht und doch schaffte ich es, die Orientierung nach vorne, zur geöffneten Tür des Zuges, nicht zu verfehlen.

,,EH! Skave? Komm schon, hier sitzt das Vögelein. Komm schon, schenk uns ein letztes Lächeln. Haha. Schau in die Kamera, los Skave!" versuchten mich vereinzelte Kameraleute hinter ihren Insektenpanzern hervorzulocken - vergebens. Zielstrebig richtete ich meinen Blick nach vorne und legte unbemerkt einen Schritt zu. Wie soll ich die letzten Augenblicke in meiner Heimat genießen, wenn diese Kameraleute mir alles versauen? Wieso nehmen sie nicht einfach Miabella oder Skylar unter die Lupe, damit ich mich von meinem Vater verabschieden konnte. Von Vater, der mit dem Helm unterm Arm, neben der Eingangstür des Zuges stand und mich aus seinen stechend grünen Augen betroffen ansah. Seufzend blieb ich genau vor seinen Schuhspitzen stehen und sah in das trübe, von blonden Haaren umrandete, Gesicht. ,,Mein Sohn ... " fing er stockend an, biss sich aber auf die Unterlippe, bevor er sich entschieden hat, weiter zu schweigen, und mich lieber in eine kräftige Umarmung zu ziehen. Um Tränen vorzubeugen, klopfte er mir Mut machend auf den Rücken, während die Kälte seiner weißen Rüstung sich in meine Haut zog. Ein kurzes Nicken, ein stummes Auf Wiedersehen und schon stand ich in der Tür, gefolgt von Miabella und meiner ebenfalls blonden Distriktpartnerin.


Erleichtert atmete ich auf und blies die gesammelte Luft aus meinen Backen heraus, während ich es riskierte. Ich riskierte diesen einen Blick nach hinten, als sich der Zug in Bewegung setzte und immer mehr Abstand zwischen mir und meinem Heimatdistrikt gewann, bis auch der Schornsteinrauch der Fabriken für die Weiterverarbeitung von Rubinedelsteinen hinter einem Dickicht von tausenden Wäldern verschwand. Auch Miabella nutzte die kleine Verschnaufpause um sich zu erholen und neu zu ordnen, ehe sie sich freudig zu uns umdrehte, um uns scheinbar mit ihrem Lächeln zu zeigen, wie wunderbar es ist, endlich ins Kapitol zu fahren. Als sie verstand, das es zu keiner Gegenreaktion von uns kommen würde, griffen ihre Finger um unsere Handgelenke und führten uns einen Flur entlang. Wir hatten gerade mal die erste Tür hinter uns, als sie uns zwar wieder los ließ, dafür aber ihren Redefluss einschaltete. Ich versuchte sie auszublenden und mich der vorbeiziehenden Landschaft hinter dem Fenster zu widmen, musste aber eingestehen, das es leichter ist, eine Minenexplosion unter den eigenen Füßen zu überleben, als Miabellas Gequassel auszublenden. Überzeugend gut gelaunt, berichtete sie uns jedes kleinste Detail, was sie für wichtig hielt zu erwähnen, um über das Kapitol Bescheid zu wissen. Innerhalb von Minuten erfuhren Skye und ich, was die zurzeit angesagte, leckerste Speise sei, welcher Modeschrei aktuell das Kapitol beherrscht, wie fürsorglich und toll der Präsident doch ist, wie aufgeregt die Bewohner der Kapitols sind, wenn der Startschuss ertönt und anderen Quatsch, den mein Gehirn glücklicherweise für unbrauchbar hielt und sofort vergas um nützlicheren Informationen den Platz frei zu halten. Zwischen der Schwärmerei über einen Holzmöbeldesigner namens Brooks aus Distrikt 7 und dem Hinweis, das Jaspisschmuck total begehrt ist, verkündete uns Miabella endlich mal, das sie uns nun unsere Mentoren vorstellt. Wenn wir gleich den Abteil betreten, wo wir sie finden werden, sollen wir aber gaaaanz leise sein, Miabella möchte sie gerne überraschen. Das Skye und ich hinter ihrem Rücken die Augen verdrehten, schien sie glücklicherweise nicht zu bemerken, ehe der Bewegungsmelder für die Tür zum nächsten Abteil uns bemerkte.

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⏰ Last updated: Apr 21, 2016 ⏰

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