Kapitel 3 - gefühlschaotischer Abschied

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Fassungslos saß ich auf dem zinnoberrotem Sofa, die Arme auf die Knie gestützt, den Kopf auf die ineinander verschränkten Hände gelegt, und starrte ungläubig auf die kleine silberne Schüssel mit köstlich aussehenden Physalis, die auf dem Glastisch thronte. Ich war überrascht und gefasst zugleich, geschockt und gleichzeitig fasziniert, das es tatsächlich mich getroffen hat. Mich, der sich kaum für die Spiele interessierte. Mich, der diese Grausamkeiten des Kapitols kalt und unbekümmert ließ, sobald es ihn selbst nicht traf. 6 tapfere Jahre lang habe ich es geschafft durchzuhalten und doch wurde ich am heutigen Tage gezogen. Das Unerwartete geschah. Es glich mir wie ein Wunder, das mein Name verlesen wurde. Ein Wunder war es aber auch, das sich keine einzige Träne opferte. Im Gegenteil, wenn auch nur für ein Bruchteil einer Sekunde, es schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Darf ich wohl nun die Ehre haben, in die Fußstapfen meines Bruders zu treten? Darf ich nun am eigenen Leib erfahren, was für Qualen und Horror er vor 5 Jahren durchleben musste? Darf ich nun Rache ausüben, was Ben anbetrifft? Seufzend klopfte ich auf meine Schenkel und atmete tief aus. Was auch kommen möge, ich bin bereit und werde bereit sein. Bereit bin ich auch für die Hürde, die mich in wenigen Sekunden treffen wird. Bereit meinen trauernden Freunden und Familien entgegen zu treten. Bereit, Abschied zu nehmen. Das Klackern des Türschlosses alarmierte mich und gab mir das Zeichen mich zu erheben. Als ich aufsah, stand da auch schon das Mädchen mit den jaspisfarbenen Haaren in der Tür.

Tränende Augen, zusammengepresste Lippen, zusammengedrückte Fäuste, wovon das Blut aus den Adern wich, die Haut so blass wie eine Leiche. Jaspis wartete nicht einmal ab, bis ich meine Arme öffnete und rannte auf mich zu. Der süße Duft einer Mischung aus Lavendel und Vanille stieg mir in die Nase, als sie ihr Gesicht in meine Schulter vergrub. ,,Wieso, Skave? Wieso du? Wieso nehmen sie mir dich weg?" schluchzte sie. ,,Ich muss, Jaspis. Da führt nun mal kein Weg daran vorbei." murmelte ich in ihre Haare und tätschelte ihren Rücken. ,,Da bin ich die Tochter des Bürgermeisters, die zu allem fähig sein kann, wenn sie möchte und doch habe ich gegen so etwas keinerlei Chancen. Das Kapitol ist mies, Skave." besann sich Jaspis und richtete ihren Kopf von meiner Schulter auf, ließ aber ihre Umarmung nicht los. ,,Ich habe mir eine normale, tolle Zukunft gewünscht, Skave. Eine Zukunft außerhalb der Spiele. Eine Zukunft mit dir.", erklärte sie trauernd ,, Wieso will das Kapitol meinen Plan durchkreuzen?". ,,Wie sähe denn deine Zukunft aus, Jaspis? Vielleicht, aber nur vielleicht, passe ich auch als Sieger da hinein." fragte ich etwas fürsorglich, um sie etwas aufzumuntern und auf andere Gedanken zu bringen. ,,Das ist nicht nur meine letzte Ernte, sondern auch mein letztes Schuljahr. Danach will mein Vater, das ich lerne Verantwortung zu übernehmen. Ich soll die Geschäftsführung der Verkäufe und Weiterverarbeitung von dem Edelstein meiner Namensgebung übernehmen. Ich würde dann eine wichtige, erfolgreiche Geschäftsführerin werden, denn auch im Kapitol würde man den Preis von Jaspisschmuck mit einem beheizten Whirpool vergleichen müssen.". seufzte sie. ,,Das ist doch toll, Jaspis. Dann bist du eine richtige Führungskraft mit einem eigenen Unternehmen. Als junge Geschäftsführerin wirst du sicherlich auch im Kapitol gut ankommen und deine Ware schnell verkaufen können." versuchte ich das Gespräch abzulenken, doch sie hielt stand. ,,Kommst du zurück, Skave? Tust du das bitte für mich? Du willst doch nicht etwa zulassen, das ich mich allein mit all diesen falschen Freunden abhängen muss, die eine oder zwei oder drei Schichten unter uns sind und nicht mit mir sondern mit meinem Ruhm und meinem Ansehen befreundet sein wollen." bettelte sie mit weinerlicher Stimme, ,,Bitte, Skave. Tu mir das nicht an. Versprich mir, das du zurück kommst. Das ist nicht fair. Du bist der einzige, gute Freund mit dem ich mich verstanden hatte. Das ist so was von nicht fair!". Ich schwieg, damit ich nicht sagen konnte, das es wirklich passieren wird, das ich zurück komme. Aber keine Antwort ist auch eine Antwort, ob sie gut oder schlecht ausfällt ist dennoch fraglich. ,,Miss Kermarek? Ihre Besuchszeit ist leider vorbei, darf ich sie bi....." meldete sich einer von Vaters Kollegen an der Tür doch Jaspis unterbrach ihn mit weinerlich wütender Stimme: ,,Lassen sie mich in Ruhe! Sie wissen auch das das nicht fair ist. Ich will bei ihm bleiben, verdammt, ich ....". Ein Heulkrampf ließ sie unterbrechen und dank meinen Reflexen konnte ich sie noch auffangen, ehe sie zu Boden sackte. ,,Pssscccccht Jaspis. Ganz ruhig. Keine Angst, Jaspis, ich werde mein Bestes geben. Ich bin schnell, weißt du, ich kann schnell rennen und ich kann schnell austeilen. Vielleicht schaffe ich es ja, Jaspis. Weißt du? Vielleicht kann ich mich bis zum Finale durchsetzen.", flüsterte ich ihr ins Ohr, als ich sie wieder hoch hob und sie zu Mecrus, dem Friedenswächter schleppte. Er nickte kurz und vertraute mir, das ich die Tür alleine schließen kann, während er einem Kollegen die niedergeschlagene, heulende Jaspis übergeben wird. Schweigend sah ich ihnen zu, bis sie im Flur um die Ecke bogen, bevor ich die Tür behutsam vor mir ins Schloss fielen ließ. Stöhnend kehrte ich der Tür den Rücken zu, ehe ich mich auf das Sofa sacken ließ und das Handy zückte. >>Ich habe eine Bitte an dich, Jaspis. Am Erntetag habe ich Saphires dabei erwischt, wie er, sicherlich nicht zum ersten Mal, an unserer Kampfpuppe im Fitnessraum, seine Freizeit verbringt, anstatt sich in seinem Zimmer mit etwas Normalen abzufinden. Er ist zwar schon 15, aber dennoch mache ich mir Sorgen um ihn, Japis. Ich mache mir Sorgen, das er für die Spiele trainieren möchte. Meinst du, du schaffst es auf ihn aufzupassen? Bitte lenk ihn ab und bring ihn auf andere Gedanken. Er soll nicht der Schiene folgen und für die Spiele trainieren. Das möchte nicht nur ich, sondern auch der Rest meiner Familie. Wenn du möchtest, kannst du dir ja Rat und Hilfe von den Jungs oder von Damian, wenn er wieder zurück ist, holen. Versucht aus ihm schlau zu werden und bring ihn einfach von dieser Gleise des Kampftrainings herunter. Bitte sag nichts unseren Eltern! Ich möchte nicht, das sie sich voreilig Sorgen machen, ehe das nicht zwischen uns geklärt und aufgedeckt ist. Okay? Wir haben einen Deal, Süße! Ich versuche zurückzukommen und du kümmerst dich um Saphires. In Ordnung? Ich verlasse mich auf dich, beste Freundin. MfG Skave << trommelte ich auf die Touchscreentasten meines Handys, schickte sie zu Jaspis Nummer ab und wand mich wieder der Einsamkeit. Durchatmend hakte ich Jaspis von meiner Besucherliste ab und müsste nur noch meine Familie und vielleicht ein paar "echte" Freunde empfangen, ehe es für mich ernst wird. Was wohl auf mich zukommen wird? Wie viel Blut werde ich erleben müssen? Wie viel werde ich selbst töten müssen? Töten ... Plötzlich klingt das Wort so fremd und eigenartig.... aber auch irgendwie so vertraut. Wie viele Kampfpumpen und Schulhofschlägerrabauken ich schon niedergestreckt und fertig gemacht habe.... aber töten? Bin ich wirklich dazu fähig jemanden umzubringen? Unter dem Scherbenhaufen von Verzweiflung und Kummer begraben, merkte ich die aufgehende Tür kaum. Auch wie sich 4 Füße sich dem Sofa nährten, bekam ich nicht mit. Erst die kleinen Arme, die sich wie glühende Zangen um meine Hüfte schlangen und der Kopf im Schoß lag, ließ mein Bewusstsein wieder aufmerksam werden. Saphires lag mit tränenden Augen und trauerte auf seine eigene stumme Weiße und auch Mutter setzte sich neben mich und legte hoffnungssuchend die Hand auf meine Schulter. Langes, trauerndes Schweigen folgte, doch es war Mutter, die diese Stille mit zitternden Worten brach: ,,Dein Vater konnte uns aufgrund dienstlicher Gründe nicht begleiten, ich glaube aber das er dich am Zug noch abfangen möchte. Trotzdem bitte ich dich von allen aus der Familie, das du zu uns zurück kommst. Egal was dich in der Arena begegnen wird, denk immer daran, das wir alle hinter dir stehen. Wenn es sein muss, lüg für die Kamera, gib uns aber trotzdem irgendwie ein geheimes Zeichen, um zu erkennen, das wir das nicht ernst nehmen sollen.". Ich wusste nicht, ob ihre Worte in der Luft hängen bleiben oder mein Herz berühren würden, doch ich wusste, das die Folge das erneute niedergeschlagene Schweigen ist, bis sich ein weiterer Kollegen meines Vaters an der Tür meldete und meine Familie bat, sich von mir zu trennen. Noch einmal drückte ich Saphires ganz fest und sah in seine feuchten Augen. Auch jetzt war er mir so rätselhafter wie zuvor. Ich konnte einfach nicht erkennen, was in seinem Kopf vorging und was seine nächsten Schritte sind und genau das machte mir noch mehr Sorgen. ,,Ich hab dich lieb." sagten seine Blicke, als er noch einen letzten Blick auf mich erhaschen konnte, bevor die Tür uns trennte.

Lebwohl oder Wiedersehen? Die 176 Hungerspiele können beginnenWhere stories live. Discover now