Kapitel 8

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Lena rannen die Tränen über die Wangen, als wir durch den Tunnel spurteten. Es tat mir leid, sie so an ihren Fesseln zu reißen, aber mir blieb nichts anderes übrig.

An einer Kreuzung entschied ich mich für den linken Weg, der sich schon sehr bald als eine nicht ganz so schlechte Entscheidung herausstellte.

Wir befanden uns auf einer Art Platz, wo in der Mitte eine große Steinplatte stand. Das einzig negative: Der weitere Weg teilte sich vielleicht in fünfzehn oder zwanzig weitere Gänge auf.

"Ida", weinte Lena laut.

"Pscht! Es könnte uns hören!"

Lena schüttelte den Kopf.
"Es kann nichts sehen und nichts hören."

Ich sah sie mit offenem Mund an.

"Aber ich glaube, es kann uns riechen", setzte sie hinzu.

"Das ist ja fast so gut wie in Harry Potter", stöhnte ich.
"Wenn nicht sogar noch schlimmer..."

"Was machen wir jetzt?", fragte Lena aufgelöst.
"Wir können uns nicht ewig verstecken."

"Erst mal machen wir dieses Seil ab."

Ich machte den Knoten des kleinen Taus um Lenas Handgelenke auf und sie rieb sie sich. Danach nahm ich meinen Rucksack ab und spürte eine gewaltige Erleichterung auf meinen Schultern. In dem großen Fach lagen die Oreos, die nun keine Oreos mehr waren, sondern lediglich Krümel.

Ich holte die Wasserfalsche raus, in der Eis schwamm.

"Hier unten ist es echt kalt", hauchte Lena, ihr Atmen wurde sichtbar und stieg in Form einer Wolke auf zur Decke.

Gierig riss sie mir die Wasserflasche aus der Hand und nahm drei große Schlucke, obwohl das Wasser eisig war und Lena normalerweise kaum was trank. Sie reichte die Flasche an mich weiter und ich trank dankend auch ein bisschen. Danach holte ich die Pick Ups raus - oder was davon übrig war. Auch diese waren unglaublich kalt, aber das war mir egal. Genau wie meinem Magen, der zur Bestätigung laut knurrte.

Lena und ich aßen jeder einen und hoben den letzten für Ria auf.

"Und jetzt?", fragte Lena und wischte sich die angetrockneten Tränen von den Wangen.

"Wir müssen Ria suchen."

Lena nickte und plötzlich hörte man das Piepen der Kamera, welches verkündete, dass die Aufnahme gestoppt wurde.

Mit einem Schreck sah ich auf das Display und musste feststellen, dass der Akku sich verabschiedet hatte.

"Scheiße, ich wusste, ich hätte sie Zuhause noch mal aufladen sollen", verfluchte ich mein Fehlverhalten.

"Du hast alles aufgenommen?"

In Lenas Augen schimmerte ein wenig Hoffnung.

"Naja, seitdem ich in diesem Tunnel hier bin. Aber jetzt ja nicht mehr..."

Auf einmal wurde mein Handybildschirm hell und eine Pop-Up Benachrichtigung zeigte mir, dass ich nur noch 15 Prozent Akku hatte.

"Fuck, das auch noch!"

Ich zeigte Lena die Benachrichtigung und sie schluckte schwer.

"Dir ist klar, dass wir hier dann bald in völliger Dunkelheit sitzen? Mein Handy hat dieses Slenderding."

"Wir müssen hier sofort raus", rief ich aufgeregt.

"Wie denn?! Auf dem Weg nach draußen kommt uns das Ding entgegen und einen anderen Weg - viel Spaß beim Suchen. Und außerdem können wir Ria nicht hier lassen! Ich wette, sie ist schon vor Angst halb am Verrecken!"

"Scheiße ich weiß, du hast ja recht. Wo fangen wir an?"

"RIA!", brüllte Lena und ihr Ruf hallte in den Gängen wieder.

"Hast du das gehört?", fragte ich sie augenblicklich.

"Hat sie geantwortet?"

"Nein, aber dein Schrei hat gehallt. Verdammt, das hier sind Wände aus Erde, wie soll da was widerhallen?"

Lena schaute einen Moment an mir vorbei, bis sie entschlossen aufstand und zu einem der Tunnel ging. Ich folgte ihr.

Sie entschied sich für einen gegenüber von uns.

"RIA!", rief sie in den Gang und es hallte erneut wider.

Lena grinste und schüttelte den Kopf.

"Das ist kein Erdgang", lächelte sie.
"Das ist auch kein Metall. Das ist Stein."

Ich starrte sie an, als hätte sie mir gestanden, sie würde das Slenderding daten und Ria geht ab sofort mit uns in jeden Horrorfilm, weil sie gerne von der Decke hängt.

"Wann in deinem Leben passt du in Geschichte einmal auf?", unterstellte sie mir.

"Ich hab gar kein Geschichte, erst nächstes Jahr wieder!"

Sie verdrehte die Augen.
"Das hatten wir letztes Jahr."

"Spätestens jetzt solltest du es entschuldigen können, dass ich nicht aufgepasst hab!"

Mein Geschichtslehrer und ich - sagen wir mal, wir kamen nicht ganz so gut miteinander klar.

"Aber jetzt mal zurück zum Thema, bevor das Ding hier wieder auftaucht. Wieso Stein?"

Lena strich über die Wand und die Erde bröselte ab. Dahinter kam hellbrauner Stein zum Vorschein.

"Das sind unterirdische Gänge aus dem Spätmittelalter. Im 18. Jahrhundert waren diese Gänge perfekt spezialisiert, für Kriege, als Verstecke. Irgendwo dürften auch noch Vorratskammern sein."

Ich realisierte zwar, was sie meinte, aber so ganz folgen konnte ich ihr nicht.

"Mensch Ida, versteh doch, das sind Fluchtwege. Wenn du angegriffen wirst! Die Menschen sind hier runter und haben sich versteckt. Und sind auf einem anderen Weg wieder raus. Irgendwo gibt es einen Weg nach oben!"

Ich hörte es förmlich in meinem Kopf rattern, bis es klick machte.

Natürlich, die Stunde, in der ich geschlafen hatte.

"Wir kommen hier wieder raus!", rief ich begeistert.

Plötzlich hörten wir ein Schlurfen.

"Ist das das Ding?", flüsterte ich.

"Keine Ahnung", murmelte sie zurück.

Ich lief um die Ecke und wischte dort die Erde von der Wand. Doch meiner Vermuntung entsprechend befand sich keine Steinwand dahinter.

"Lena, komm mal."

Ich zeigte ihr meine Entdeckung.

"Das bedeutet, wir können Gänge ausschließen", kombinierte sie.

"Ja, ich nehme mal an, sogar eine ganze Menge. Und wenn Ria in einem der Gänge ist, stinkt es nach dem Ding, weil es bereits dort gewesen ist."

"Aber wir müssen uns beeilen, der Gestank hält nicht ewig."

Lena wollte los stürzen, doch ich hielt sie am Arm fest.

"Pscht, hörst du das?", flüsterte ich.
"Das Schlurfen wird lauter."

"Dann brauchst du nicht zu flüstern, es kann uns doch eh nicht hören", sagte sie in normaler Lautstärke.

Ich schüttelte langsam den Kopf.

"Nein...", murmelte ich.

"Was nein?"

"Es kann uns hören. Es muss uns hören können."

Lena schüttelte heftig den Kopf.
"Ida, es kann nicht hören. Ich bin vor ihm weggerannt und es hat in der Luft geschnüffelt. Als ich geschrien habe, hat es nicht reagiert. Es kann nicht hören."

"Aber ich habe doch vorhin mit ihm telefoniert..."

In diesem Moment gab mein Handy den Geist auf, die Taschenlampe ging aus und wir wurden in komplette Dunkelheit gehüllt.

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