Emotionale Ausbrüche

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Sekunden, Minuten. Wie lange standen wir schon so? Ich wusste es nicht.

Aber Hauptsache war, dass ich meine Tränen wieder kontrollieren konnte und meine Selbstbeherrschung wieder die Oberhand übernommen hatte.

Behutsam löste ich meine verkrampften Fäuste aus dem weichen Stoff und befreite mich aus der Umklammerung. Sofort fehlte mir die Wärme, die Len ausstrahlte und ich wollte mich am liebsten wieder in seine Arme verkriechen und alles andere nur als bösen Traum abstempeln. Aber so einfach war das nicht.

Noch einmal wischte ich mir mit dem Handrücken über die Augen und hob dann den Kopf. Statt des unerträglichen Druckes, der vorher in meinem Inneren lastete, war dort nur noch Leere. Ich fühlte mich einfach nur hohl. Im nachhinein fragte ich mich, ob das normal war, einfach gar nichts mehr zu fühlen. Doch in diesem Moment, war mir das sowas von egal.

Mit ausdrucksloser Miene begab ich mich Richtung Tor. Allen, die ich auf meinem Weg begegnete, wichen mir mit ihren Blicken aus.

Ich steuerte genau auf meine Schulleiterin zu und bearbeitete sie solange, bis ich die Erlaubnis bekam, mich jenseits des Eingangstores zu bewegen. Mrs. Roberts schärfte mir ein, mich nicht mehr als 20 Meter zu entfernen. Ich willigte nur ungern ein.

Im Moment stand ich, Hände in die Hüften gestemmt, vor der Mauer, die unser Akademie-Gelände begrenzte, und fixierte mit gerunzelter Stirn einen Ast, der ein wenig niedriger hing, als die anderen.

"Len?" rief ich ein wenig verunsichert dem Alpha zu, der gerade etwas vom Boden aufhob. Dieser blickte auf und kam dann auf mich zu, währenddessen er auf seine Hand starrte.

"Was sagst du dazu?" fragte er mich interessiert und hielt mir eine kleine Tasche hin. "Die habe ich in einer kleinen Grube gefunden." Leicht verwirrt betrachtete ich das blaue Täschchen und zog dann, mit einem kurzen Seitenblick zu Len, den Reißverschluss auf. Verband, Pflaster, eine kleine Schere, Salbe und ein Desinfektionsspray kamen zum Vorschein.

"Hey Sarina, schau mal." Len deutete mit einem Finger an die innere Seitenwand. Vorsichtig stülpte ich den Rand um.

Mit klarer, sauberer Handschrift stand dort eine Innenschrift. Sie beinhaltete Rubys Namen, Adresse, Handy- und Festnetznummer, ihren Geburtstag und den Namen unserer Schule.

"Die ist von Ruby." sagte ich unnötigerweise und strich behutsam über die Außenwände, welche mit Erde verklebt waren. "Sie muss sie wohl fallengelassen haben." überlegte ich. Len nickte zustimmend.

Da fiel mir der Grund ein, warum ich ihn eigentlich gerufen hatte. Ich hob den Kopf und zeigte dann mit meinem Zeigefinger auf den niedrigen Ast. "Was ist das?"

Ein braun-schwarzer Fetzen hing an einem kleinen Aststummel und bewegte sich leicht in der aufkommenden Brise. Ich fröstelte.

Len hatte die Augen verengt und schritt dann langsam dem Baum entgegen. Er stellte sich auf Zehenspitzen und angelte nach dem Stück (wobei sein Pullover verrutschte und ich für kurze Zeit seine glatte Haut sehen konnte; uh, schnell woanders hingucken). Peinlich berührt, drehte ich schnell meinen Kopf zur Seite und studierte sehr fasziniert die langen Grashalme zu meinen Füßen.

Meine Reaktion wurde mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem Blick, der ungefähr aussagte: "Geht's dir gut?" quittiert. Ich räusperte mich.

"Äh, zeig mal." Verärgert schnappte ich mir das Büschel, das ich als Haare identifizieren konnte, aus Lens Hand. Das protestierte "Hey." ignorierte ich.

Sie waren überraschend stabil und robust, fast unmöglich zu zerreißen. "Sieht aus, wie von einem Tier." sagte Len.

Blitzmerker

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