Kapitel 3

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Von Glück konnte ich sagen das das Pferd nach einer Weile außer Atem war und langsamer galoppierte, selbst wenn ich das schon ziemlich schnell fand. Die Schützen hatten wir abgehängt, dennoch waren wir umgeben von Steppe und weiten Landschaften. Ich versuchte das Pferd zu bremsen was mir nach langer Zeit auch gelang, die Sonne stand schon tiefer am Himmel, ich würde schätzen dass es kurz vor Sonnenuntergang war. „Du warst ganz schön schnell." sagte ich lachend zu dem Rappen als er zum stehen kam und ich absteigen konnte. Es senkte sofort den Kopf um etwas zu fressen, das hatte es sich auch sichtlich verdient. Am Horizont konnte man ein Gebirge erkennen. Ich setzte mich ins Gras, genoss die Stille und holte aus meinem Rucksack ein Stück Brot. Das würde mein Abendessen sein, wirklichen Hunger hatte ich nicht aber das Pferd brauchte auch eine Pause. „Wir werden die Nacht durchreiten müssen, ich muss irgendwie zur nächsten Stadt kommen – auch wenn ich nicht weiß wo sie liegt und wie man sie erreicht. Du kannst mir da wenig helfen, oder?" fragte ich den Rappen, doch er sah mich nur durch seine gelben Augen an und schnaubte. Ich hatte die Angewohnheit selbst dann zu reden, wenn niemand anderes in der Umgebung war. Meine Gesprächspartner waren dann oft Bäume gewesen, worauf ich nicht gerade stolz war. In der Gilde hatte man aber generell immer jemanden um sich herum, egal ob es nur Gina war die vom Boden aus nach einem krallte oder ob es Hazel war, die immer an meiner Seite gewesen war. Ich musste an die Gilde denken, Travis – Zya – Hazel... und Callum. Erst jetzt realisierte ich, dass er für mich gestorben war. War es denn so wichtig, dass sich der siebte Orden formte? Sicher, laut der Geschichte war er unschuldig in den Untergang gezwungen worden aber dass die anderen Orden so einen Hass gegen ihn hegten war nicht normal. Die Orden existierten neben einander, keiner überfiel seit dem Vertrag einen anderen Orden und es herrschte Frieden. Callum hatte mir vom Krieg der Orden erzählt, es war ein großer Krieg gewesen, gerade als sich alle Orden geformt hatten. Am Ende beschlossen sie einen Friedensvertrag einander nicht töten zu dürfen – der Vertrag hielt auch noch bis heute an. Dennoch hatten sie alle gemeinsam den Orden der Diebe zerstört, was eigentlich einen Vertragsbruch beinhaltet. Ich wusste wohl sehr wenig, sicherlich hatte jedes Kind in Sylvain bessere Bildung in Geschichte erhalten aber ich war froh mit Callum Unterricht gehabt zu haben.

Eine weitere Träne floss über mein Gesicht und tropfte auf den hellbraune Gras unter mir. Ich rappelte mich auf, egal was ich tun musste, ich würde es für Callum tun. Ich lief zu dem Rappen der einige Schritte neben mir graste und steckte Messer an meinem linken Bein zu dem, das am rechten Bein festgebunden war und löste das Band. Es war ein einfach geschlungenes Stoffband, doch ich hatte es mehrfach um mein Bein gewickelt, es war ziemlich lang. Ich knotete und biss an manchen Stellen das Band durch, solange bis ich eine Art Halfter mit Zügeln geknotet hatte. Es war kein Gebiss daran, doch ich hoffte das es das Pferd nicht stören würde. Wenn ich schon diese Reise zu Pferd bewältigen sollte, dann würde ich es selbst lenken. Ich passte es noch etwas an den Rappen an, der mit dem Stoffzaumzeug keine Schwierigkeiten zu haben schien und knotete dann die Zügel zusammen. Mir fiel auf, dass er ziemlich groß war und ich nicht alleine hinauf kommen würde. Ich war für mein Alter zwar nicht klein, aber dennoch leider nicht so groß wie ein Erwachsener. Und selbst der würde auf dieses Pferd nicht ohne Steigbügel hinaufkommen. Ich sah dem Rappen in die Augen, er war ruhig und wirkte gar nicht mehr erschreckt. Schon wieder stand ich vor einem Problem. Ich streichelte den Rappen am Hals und überlegte, doch das Tier schien zu spüren was ich dachte und legte sich hin. Ich war überrascht und stand einen Moment nur da, dann streichelte ich ihn wieder am Hals und auf meinem Gesicht trockneten die Tränen. Sobald ich aufstieg, merkte ich wie sich unter mir der Rappe aufrichtete. Ich ergriff die improvisierten Zügel. „Danke!" flüsterte ich ihm in sein Ohr und gab ihm ein Zeichen los zu gehen. Das Gebirge vor uns musste das Drachengebirge sein, Callum hatte mir in jungen Jahren gesagt das das Gebirge von Seite die zum großen Meer zeigte aussehen soll wie ein schlafender Drache, daher wurde es so genannt. Wir lagen leider auf der Rückseite, daher konnte man bei uns lediglich den Rücken des Drachen bestaunen – der jedoch wie eine normaler Felsen aussah. Vor diesem Gebirge sollte jedoch eine Stadt liegen mit Toren aus Rubin, die nur Rubinstadt genannt wurde. Vielleicht würde ich dort mehr Glück haben und jemanden finden, der mir wirklich weiter helfen konnte. Langsam wurde es dunkel und die Sterne schienen über mir, ich konnte den Weg kaum erkennen den wir liefen. Doch das Gebirge am Horizont konnte man gerade so erkennen. Irgendwann sollte die Stadt in Sichtweise kommen, schließlich lag kein Wald dazwischen sondern nur gerade Steppe.

Raven - Tochter des SchicksalsWhere stories live. Discover now