~Chapter 1~

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Ich war so in Gedanken und meiner Trauer versunken, dass ich die Schritte hinter mir erst bemerkte, als es schon zu spät war...

Langsam drehte ich mich um.
"Mate", knurrte der unglaublich gut aussehende Typ vor mir.
Zunächst glaubte ich nicht, dass dieser Typ mein Mate sein sollte. Also antwortete ich einfach nur schnippisch: "Willst du mich verarschen? Alle Rudel dieser Welt sind mittlerweile ausgerottet worden. Du kannst gar nicht mein Mate sein!".

Der Typ fing nur an zu grinsen. Deswegen stand ich auf und machte Anstalten zu gehen, aber da hatte ich die Rechnung wohl ohne ihn gemacht. Er packte mich sofort an meiner Taille, und hievte mich auf seine muskulösen Schultern. Das wollte ich mir nicht gefallen lassen! Ich trat heftig gegen seinen Rücken, und trotz schmerzverzerrtem Gesicht lies er nicht locker.

"Wer bist du und was verdammt noch mal willst du von mir?", schrie ich ihn an.
Aber der Typ gab mir keine Antwort, sondern fing einfach an loszulaufen. "Was willst du von mir?", wiederholte ich es wieder, lauter, aber auch diesmal kam keine Antwort.
Und schon setzte ich zur nächsten Frage an, kam aber nicht weit, denn vor mir tauchten plötzlich unglaublich viele, gut aussehende Männer auf, allerdings sah keiner auch nur annähernd so gut aus wie der Typ, der mich trug.

"Ist sie das, Hunter?"
Der Typ, der anscheinend Hunter hieß, nickte und antwortete mit einer tiefen und verdammt sexy klingenden Stimme: "Ja. Sag Nicole, dass sie sie auf ihr Zimmer bringen soll."
Mit diesen Worten setzte er mich am Boden ab und verschwand im Wald vor mir. Komisch, dass mir dieser Wald bis jetzt noch nie aufgefallen war, obwohl er so nahe an meinem ehemaligen Revier liegt...

Doch ich kam nicht sonderlich weit mit meinen Überlegungen, da plötzlich ein hübsches Mädchen vor mir stand.
"Du musst Alison sein, richtig?" Noch bevor ich antworten konnte, sprach sie weiter.
"Ich bin Nicole. Kommst du freiwillig mit auf dein Zimmer, oder soll ich den Jungs Bescheid geben, dass sie dich hinbringen sollen?"

Nach dem letzten Satz hatte sie ein Grinsen im Gesicht.
Ich überlegte.
Sollte ich ihr wirklich vertrauen?
Ich beschloss, mit ihr mitzugehen. Was blieb mir auch anderes übrig? Ich hatte schließlich keinen mehr, bei dem ich Zuflucht finden würde...
"Ich denke, ich schaffe das alleine. Ich habe sowieso nichts besseres zu tun. Übrigens, freut mich dich kennen zulernen Nicole." Nach diesen Worten ging sie los, ich hinter ihr.

Plötzlich blieb sie stehen. Aber so tollpatschig wie ich nun mal bin, merkte ich es nicht und lief einfach weiter. Erst als ich mit einem lauten "Klatsch" zu Boden fiel, wurde mir bewusst, dass sie stehen geblieben war.
Nicole drehte sich schnell um, und ich war mir bereits dem Ärger bewusst, den ich gleich bekam. Aber dann folgte eine Reaktion, die ich niemals von ihr erwartet hätte: sie fing tatsächlich an zu lachen! Das war der Zeitpunkt, an dem ich ihr endgültig vertraute. 

Nachdem Nicole mir aufgeholfen hatte und ich mir den Dreck von meinem T-Shirt geklopft hatte, fiel mir auf, warum sie stehen geblieben war: vor uns stand eine verdammt hohe Mauer.

Statt umzukehren - die Mauer war wirklich ziemlich hoch - verwandelte Nicole sich einfach in einen kleinen, braunen Wolf und deutete mir mit ihrer Schnauze, es ihr gleich zu tun.
Sie fing an, mit ihren Pfoten zu schaben und ich beeilte mich, mich ebenfalls zu verwandeln. Nachdem ich mich, jetzt als zierlicher weißer Wolf, zu ihr gesellt hatte, malte Nicole etwas mit ihren Pfoten auf den matschigen Waldboden, und schon fanden wir uns auf der anderen Seite der Mauer wieder.
Vor Staunen hatte ich meine Schnauze weit geöffnet.
Wie hatte sie das bloß gemacht?
Doch viel Zeit zum Nachdenken hatte ich nicht, da mir jetzt auffiel, wo wir uns befanden.
Vor mir war ein riesiges Schloss mit wunderschönen Gärten an der Seite.

Nicole hatte sich bereits zurück verwandelt, als ich zu ihr blickte.
Schnell verwandelte ich mich ebenfalls zurück.

"Wo sind wir hier? Was ist das für ein Schloss? Wie hast du das eben gemacht? Seid ihr alle Werwölfe? Wie viele haben die Bombenangriffe überlebt?..."
Sobald ich meinen Mund öffnete, sprudelten die Fragen nur so aus mir heraus.
Doch Nicole hob nur abwehrend die Hand.

"Deine Fragen werden noch früh genug geklärt. Habe nur Geduld. Meine Aufgabe ist es erst einmal, dich auf dein Zimmer zu bringen. Dort kannst du dich frisch machen und dann erkläre ich dir alles weitere." Nach dem letzten Satz schritt sie bereits auf die Tür dieses riesigen Schlosses zu. Ich beeilte mich, ihr nachzukommen und erreichte sie erst, als sie bereits auf der ersten Stufe, die zum Schloss führte, stand. Sie hastete die Treppe nach oben, ich hinterher. Mithilfe des Schlüssels, den sie aus ihrer Hosentasche zog, schloss sie die riesige Holztür des Schlosses auf. Langsam schob sie die Tür auf. Was ich da sah, überraschte und machte mich auch traurig zugleich...



The last wolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt