Der Engländer, der niemals starb

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Er lächelte mich sehr charmant an und entdeckte das Buch in meinem Schoß.

  »Das kenne ich doch«, sprach er. »Lesen Sie gerade ›Heinrich der 8.‹ von William Shakeaspeare?«

  »Sie kennen es?«

Wir unterhielten uns in Englisch, da auch das Buch in eben dieser Sprache war.

  »Selbstverständlich. Ich bin Engländer«, lachte er. Unglaublich sympathisch! »Sie kommen aus Deutschland?«

  »Was hat mich verraten?«, fragte ich lächelnd. »Mein Akzent?«

  »Unter anderem. Aber vor allem Ihre Cola.« Ich sah sie an und musste lachen. Stimmt. Da steht etwas in Deutsch drauf. Sehr aufmerksam.

  »Hallo, ich bin Jane«, stellte ich mich schließlich vor.

  »Sehr schöner Name. Hallo, ich heiße Will.«

  »Welch ein Zufall«, grinste ich.

Sein Lachen klang so aufrichtig, dass ich ihn direkt ins Herz schloss.

  »Also«, sprach er, nachdem er wieder Luft bekam, »was finden Sie an Shakespeare so toll?«

  »William Shakespeare ist einer der großartigsten Schriftsteller.«

  »Ist?«

  »Nun ja, ja. Er ist unsterblich.«

Entgeistert sah er mich an.

Meine Antwort schien ihn zu irritieren.

  »Seine Werke sind unsterblich. Somit ist er es auch. Er bleibt in unseren Herzen, wenn wir es wollen und ihn lassen. William Shakespeare bleibt wie ein unsichtbarer Geist. Schließlich tauchen doch in seinen Geschichten jede Menge von ihnen auf.
Wissen Sie Will, wenn wir eine Person nicht vergessen, bleibt sie bei uns. Für immer. Egal wer, solange jemand im Herzen einen Platz gefunden hat, bleibt er in uns. Auf ewig.
Nicht viele schaffen es. Die meisten werden vergessen. Nach so vielen hundert Jahren noch immer so präsent zu sein, ist wie Magie. Shakespeare hat es nach über 450 Jahren geschafft. Er lebt ewig. Denn Shakespeare ist das, was man den größten Lyriker aller Zeiten nennt«, endete ich meine Liebeserklärung.

Noch immer starrte er mich nur an und schwieg. Sein Blick irritierte mich ein wenig.

Endlich schien er zu wissen, was er darauf antworten sollte:

  »Ich habe schon mit vielen Menschen zu tun gehabt, die Shakespeare mochten, ja, sie haben ihn sogar studiert. Aber noch nie hab ich eine solche Antwort erhalten. Fast scheint es als würden Sie mehr für ihn empfinden.«

  »Natürlich empfinde ich mehr für ihn. Er ist Inspiration, Geist und Liebe. Er hat mir geholfen, als ich nicht weiter wusste. Er war immer für mich da. Ja, ich weiß, wie das klingen mag. Aber ich brauche nur seine Sonetten öffnen und schon weiß ich, was ich machen soll.

Nehmen wir die 117.

›Verklage mich, daß ich so karg gemessen,

Was dein Verdienst um mich erheischen mag;

Daß ich um deine Huld zu flehn vergessen,

An die mich fester kettet Tag für Tag;

Daß ich zu fremden Herzen mich gewandt,

Ward untreu deinen teu'r erkauften Rechten,

Und allen Winden Segel aufgespannt,

Die dir mich aus dem Aug‹ am weitesten brächten.

Führ‹ an mein Irren, mein Eigensinn,

Führ‹ den Beweis, ja, häufe noch Verdacht,

Stell mich zum Ziele deines Hasses hin,

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⏰ Last updated: May 14, 2020 ⏰

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Der Engländer, der niemals starbWhere stories live. Discover now