Der Engländer, der niemals starb

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Schon immer wollte ich nach England, nun saß ich im Zug. Auf dem Weg ins Königreich.
Ich stieg ein und las meine »Gesammelte Werke von William Shakespeare«.

Zwar kannte ich die meisten, aber nicht alle. Ich nutzte diese lange Fahrt, um meine Lücken zu schließen.

Schon immer war ich großer Fan des Barden. Ich verehrte ihn seit ich als Kind die Kinoversion von ›Romeo und Julia‹ mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes sah.

Ich war so fasziniert von dieser Liebesgeschichte, die ja eigentlich keine ist, dass ich sie unbedingt lesen musste. Also ging ich in die Bibliothek und lieh sie mir aus. Nach wenigen Tagen war sie gelesen und ich infiziert vom Engländer. Er hat mich sofort für sich eingenommen.

Niemand verstand meine Liebe für diese Bücher. Allgemein galt meine Liebe zur Literatur als seltsam und ich wurde oft verspottet. Ich unterdrückte das Bedürfnis, mich über ein gelesenes Buch unterhalten zu wollen und verbarg dadurch ein Großteil meiner Natur.

Selbst über die Jahre konnte ich mich nicht entfalten und schloss es in mich ein und zog mich zurück.

Internetforen waren da noch nicht so verbreitet und Blogs schon gar nicht. Also verstellte ich mich solange, bis es endlich modern wurde zu lesen.

Viel ist nicht passiert, in meinem Leben meine ich.

Schule, Ausbildung, später ging ich irgendwelchen Jobs nach.

Aber ich war nicht zufrieden.

War nie irgendwo angekommen.

Als ich meinen Freund dabei erwischte, wie er mit meiner besten Freundin schlief, packte ich kurz entschlossen eine Tasche, nahm das Buch, meinen Reisepass und eilte zur Bahn.

Es war Nachmittag und ich musste über drei Stunden totschlagen, bevor der Zug eintraf, aber das war okay.

Die Alternative war schlimmer.

Denn die Alternative wäre ein Ausraster der Superlative gewesen und mir war, ehrlich gesagt, meine Einrichtung zu schade. Das waren die beiden nicht wert.

Ich ließ sie also im Bett, während ich wortlos packte, und sagte zum Abschied nur: »Wenn ich wieder da bin, will ich nichts mehr mit euch zu tun haben.«

Als ich im Bahnhof wartete, schlenderte ich durch die Geschäfte und kaufte im Drogeriemarkt Kosmetik, Zahnbürste und -pasta und setzte mich auf eine Bank an meinem Gleis und begann zu lesen.

Ach ja, natürlich holte ich noch Geld ab.

Schließlich ist England nicht billig. Aber da ich eigentlich für die Hochzeit und Flitterwochen sparte, war mein Trip gesichert.

Es war Donnerstagabend und ich hatte den Freitag sowieso frei, da ich Überstunden abbauen musste. Ich würde die ganze Nacht durchfahren. Kurz nach 19 Uhr fuhr er los, hielt in Paris est an, danach führte mich ein Weg zum nächsten Gleis, Paris Nord zum Eurostar und mit dem ging es nach London St. Pancras International, anschließend von St Pancras Low Level bis zu meinem Ziel London City Cannon Street. Klingt genauso kompliziert, wie es ist. Aber auch sehr aufregend.

Ich war nun schon über 13 Stunden unterwegs, zwischenzeitlich konnte ich sogar die Augen schließen.

Draußen war die Sonne gerade dabei aufzuwachen. Langsam ließ sie mit ihren Strahlen auch alle anderen wissen, dass ein neuer Morgen anbrach.

Die Bahn hielt und Personen stiegen aus und ein. Wir waren, laut Durchsage, an London St. Pancras International.

Neben mir nahm jemand platz, der wahnsinnig gut roch. Ich blickte auf und sah in zwei wundervoll blaue Augen, die zu einem rotblonden jungen Mann gehörten.

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⏰ Última atualização: May 14, 2020 ⏰

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