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Mit einem kurzen Blick in meinem Handspiegel überzeugte ich mich davon, dass ich auch wirklich gut aussah.
Meine Haare, wegen denen ich erst vor drei Tagen beim Friseur gewesen war, um die Spitzen ein wenig heller als den Rest der haselnussbraunen Mähne färben zu lassen, lagen perfekt. Der schwarz geschwungene Eyeliner hatte heute morgen weder Erwarten sehr gut geklappt und der blassrosane Lippenstift stellte einen Kontrast zu meinen katzenartig grünen Augen dar. Perfekt. Ich sah ein letztes Mal auf die Uhr, während ich vor Nervosität hektisch auf dem Minzkaugummi herum kaute. Ich war genau zehn Minuten zu spät. Also pünktlich für meinen großen Auftritt.
Ich atmete ein letztes Mal tief durch und legte die Hand an die Klinke. Ich merkte, wie das Adrenalin durch meinen Körper schoss und versuchte meine außer Kontrolle geratene Atmung zu regeln.  ›Beruhig dich Sarah. Beruhig dich.‹, flüsterte ich mir zu, bevor ich die Klinke herunterdrückte.

Ich presste die Augen zusammen, als ich die Tür aufriss und mit zwei Schritten im übersichtlich gestalteten Klassenraum stand. Ich fühlte mich, als würde die ganze Welt auf mich hinabsehen, dabei waren es nur 30 Augenpaare, die mich neugierig anstarrten. Aber ich hatte allen Grund dazu, nervös zu sein. Es war schließlich Mitte des Schuljahres und ich spatiierte einfach so in meine neue Klasse. Das hier würde hart werden. Sehr hart. Eine Weile verharrte ich in meiner Schockstarre und mein Kiefer malmte den Kaugummi. Dies hier war der entscheidende Moment. Der Moment nach dem sie mich das ganze Schuljahr bewerten würden. Die Sätze, die ich mir am gestrigen Abend so mühevoll zusammengelegt hatte waren in meinem Kopf zu einem verwirrendem Knoten zusammengewachsen.
Dann atmete ich einmal tief durch und drehte mich um.
Ich schritt an einem sichtlich verwirrten Lehrer mittleren Alters vorbei und stand schließlich vor der, bereits mit mathematischen Formeln beschriebenen Tafel.
Mit zwei schnellen Griffen nahm ich die Kreide von der Tafelablage und schrieb mit meiner schönsten Schrift, in dem Versuch, das Zittern meiner Hand zu verbergen, zwei Wörter neben die Formeln.
Amy Winston.
Dann drehte ich mich zur Klasse. Ich hatte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Perfekt. Oder nicht?
„Das ist mein Name. Amy Winston.", der erste Satz ging nur zögerlich über meine Lippen, doch mit ein paar Wörtern wurde meine Stimme fester.
„Mein Name. So heiße ich. Für jeden von euch. Nicht ›die Neue‹, nicht ›Emmy‹, nicht ›Whinsy‹ oder was für ein alberner Spitzname euch noch einfallen könnte."
In Gedanken hinterfragte ich kurz die grammatikalische Korrektheit meines Satzes und war insgeheim stolz darauf, dass ich all diese Wörter so sicher über die Lippen gebracht hatte, ließ es dann doch lieber sein. Es gab wichtigeres. Ich musste mich auf die Reaktionen der Klasse konzentrieren. Die Gemüter waren unterschiedlich. Von gelangweilten bis beeindruckten, über abschätzigen Mienen konnte ich alles überblicken. Doch zu meiner Beunruhigung sagte niemand etwas.
Die kalte Stille, die den Raum erfüllte war geradezu beängstigend, sodass ich sofort das Bedürfnis bekam, sie zu brechen.
Doch ich konnte nicht. Meine Stimmbänder schienen ebenfalls von ihr eingenommen zu sein.
Verdammt. Das war der Moment, in dem ich etwas sagen müsste, dass sie sich einprägen. Etwas interessantes, dass sich in ihre winzigen Gehirne einprägte.
In meinem Kopf zählte ich die Sekunden der Stille mit, die sich wie Jahre anfühlen. Mein Herz schlug mir bis zum Herz, als sich nach 12 mitgezählten Sekunden endlich jemand räusperte. Es war der Lehrer, der sich inzwischen auch mal wieder gefasst hatte.
„So, nach diesem eindrucksvollen Auftritt möchte sich unserer Neue-. Verzeihung. Amy Winston," Er sah mich stechend an, während ich meinen Blick senkte und starr auf seinen hässlichen weinroten Pulli sah. Er machte eine Kunstpause. „Nach diesem eindrucksvoll Auftritt möchte sich Amy Winston," Er spuckte meinen Namen aus, als wäre ich eine Krankheit und mein Blick wanderte weiter zu seinen schwarz polierten Lackschuhen, „sich doch bestimmt auf den einzigen freien Platz setzen, nicht wahr?" Der Lehrer deutete mit seiner überdimensionalen Hexennase in die andere Ecke des Raumes. Ich drehte mich um und erstarrte. Das konnte nicht wahr sein! Er wollte mich nach ganz hinten verfrachten. In die Louser-Ecke. Jeder wusste, dass die coolen Leute vorne sitzen! Das dicke Mädchen, dass neben dem freien Platz saß, hörte einen Moment auf, ihren Keks unter dem Tisch zu essen und winkte mir dann zu. Das hier, war definitiv der schlimmste Tag meines Lebens.
Neben mir ertöte die trockene Stimme des Lehrers, dessen Name ich noch immer nicht wusste: „Jane, hörst du bitte auf, in meinem Unterricht zu essen."
„Natürlich, Sir. Natürlich.", schmatzte die angesprochene und steckte hastig ihren Keks in ihre Tasche. Ich könnte meinen angewiderten Blick nicht verbergen, als sie sich mit dem Ärmel den krümeligen Mund abwischte.
Da entdecke ich meine Rettung. Die Beliebten. Man sah den Jungs und Mädchen aus den ersten Reihen der rechten Ecke sofort an, zu welcher Gruppe sie gehörten. Ich lächelte. Es gab einen freien Platz neben einem okay aussehendem Jungen. Da musste ich hin. Um jeden Preis.
„Sir. Sir!", warf ich aufgeregt ein. „Dort ist noch ein Platz frei. Sir!"
Der Lehrer drehte sich zu mir und bedachte mich mit einem eisigen Lächeln. Es war ein Lächeln, als hätte er all meine Absichten durchschaut. Ich schauderte. „Das, Miss Amy Winston, ist Mister Cohen's Sitzplatz. Ich denke nicht, dass er sehr glücklich darüber wäre, wenn sie ihm seinen Sitzplatz nehmen würden. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie alle Schüler, als der Lehrer den Namen 'Cohen' erwähnte, leicht zusammen zuckten. Aha. Ein Alphatier. Auf meinem Mund bildete sich ein leichtes Lächeln, welches sofort erstarb, als der Lehrer eine eindeutige Handbewegung in Richtung letzte Reihe machte. Na dann. Auf in mein Verderben.

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⏰ Last updated: Jan 25, 2016 ⏰

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