Kapitel 4

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Die Fahrt ist schnell vorbei, und schon nach kurzer Zeit stehe ich vor meinem neuen Zuhause.
Naja, eigentlich ist es nicht mein Zuhause, sondern nur ein weiteres Haus, in dem ich mein Leben verbringen werde.
Einen Abschnitt meines Lebens.

Das Haus ist nichts besonderes, vielmehr ist es ein Haus, in dem mehrere Familien in kleinen Wohnungen wohnen.
"Darf ich in mein Zimmer?", frage ich Dad.
"Klar, geh durch die Küche, dann nach oben und die erste Tür links."
Ich murmele ein Dankeschön und verschwinde durch die Küchentür.

Der erste Eindruck meines Zimmers ist wunderbar.
Nicht zu klein, nicht zu groß, geradezu perfekt.
Ich lasse mich auf das Bett fallen und kurz darauf schlafe ich auch schon ein.

Ein lautes Bellen weckt mich.

Ich schrecke hoch und falle beinahe aus dem Bett.
Stöhnend stehe ich auf und mache mich auf den Weg nach unten.

Mein Dad räumt gerade die Möbel ein und da ich echt keine Lust auf sowas habe, beschließe ich, mich ein wenig im Haus umzusehen.
"Ich bin mal schnell weg.", erkläre ich ihm und wie erwartet, antwortet er nur mit einem leisen "Mhm."

Ich schließe die Wohnungstür hinter mir und gehe langsam die steile Steintreppe nach unten.

Es ist still in dem Haus, aber ich mag es so.
Kaum bin ich an der Haustür angelangt, tippt mich von hinten jemand an.

"Dich kenn ich doch.", sagt die Stimme und ich drehe mich langsam um.
Vor mir steht doch tatsächlich das Mädchen vom Flughafen.
Ich schnappe nach Luft und will schon wegrennen, als sie plötzlich sagt: "Tut mir leid wegen vorhin, ich war einfach total im Stress. Bist du neu hier?"

Was mache ich jetzt?
Jemand redet mit mir!
Soll ich etwas sagen oder einfach weggehen?
Denk an Daisy.
Sie hat dich verletzt.

Aber ich kann mich nicht ewig in der Vergangenheit wälzen.

Schließlich gebe ich auf und bringe ein schwaches "Ja, ich bin neu hier." heraus.
"Cool. Ich bin Elizabeth. Nenn mich einfach Liz."

Und jetzt?
Soll ich sagen, wie ich heiße?
Ich bin so schlecht im Reden.

"Äh..okay. Ich bin Holly.", ich stottere schon fast.
"Na dann, willkommen in Birmingham. Ist nicht besonders toll hier. Ich muss los, vielleicht sehen wir uns ja in der Schule.", Liz lächelt mich noch einmal an, steigt auf ihr Fahrrad und verschwindet.

Ich atme aus.
Ein und Aus.
Ein. Aus.

Ich bin froh, dass ich überhaupt etwas rausbekommen habe.

Ich beschließe, nach oben zu gehen und den heutigen Tag in meinem Notizbuch festzuhalten.

36. Eintrag

Heute ist der erste Tag in meinem neuen Leben.
Naja, eigentlich ist es immer das gleiche Leben.
Tasche raus, Tasche rein, ausräumen, einräumen, schlafen.
So geht das an jedem ersten Tag.

Aber nein, wie das Schicksal es will, musste ich heute auch noch auf das Mädchen vom Flughafen treffen. Sie heißt Elizabeth und sagt, ich soll sie Liz nennen.
Ich werde sie gar nicht mehr nennen.
Ich habe Angst.
Angst, mich zu sehr auf Menschen einzulassen und sie dann zu verlieren.
Angst, dass sie mich vergessen.
Angst, mich irgendwem zu öffnen.

Und wenn ich ehrlich bin, habe ich auch Angst vor mir selber.
Dass ich nie jemanden finden werde, dem ich einfach alles erzählen kann, wie mein Tag so war, was ich noch einkaufen muss, ob die Gartenarbeit schon gemacht wurde und ob ich mal wieder zum Friseur müsste.

Was, wenn ich einfach dazu bestimmt bin, allein zu bleiben?
Was, wenn ich nie jemandem begegne, bei dem alles anders ist, bei dem ich mich Zuhause fühle?

Das ist meine größte Angst, und doch tue ich nichts dagegen.
Es ist ein Widerspruch, ich weiß, aber ich kann es nicht.

Dafür bin ich einfach schon zu oft verletzt worden.

Ho.

Nach diesem Eintrag fühlt es sich an, als wäre alles aus mir herausgezogen worden.
Es erdrückt mich, aber gleichzeitig fühle ich mich nun frei.

Wenn ich schon niemanden habe, mit dem ich reden kann, bei dem ich mich sicher fühle, habe ich noch immer dieses Buch.

So seltsam es klingt, aber dieses Buch ist mein Zuhause.

Broken HomeDove le storie prendono vita. Scoprilo ora