4. Kapitel - Ich habe ein Ziel

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Der kalte Regen prasselt erbarmungslos auf mich nieder. Typisch Londoner Wetter. Es ist schon hell, aber nur wenige Menschen sind auf der Straße. Durchgefroren komme ich endlich im Hallenbad an. Ungeduldig klingle ich am Hintereingang, der heute verschlossen ist, und Thomas macht mir auf.

„Guten Morgen!", wünscht er mir überschwänglich.

„Morgen", gebe ich lächelnd zurück. Thomas ist wirklich ein Morgenmensch, von denen es nur sehr wenige gibt. Ich kenne zumindest niemand außer ihm, der morgens schon so wach ist, gut ich kenne auch nicht besonders viele Menschen in London. Wie man so früh schon so gut gelaunt sein kann bleibt mir ein Rätsel.

Ich ziehe mich schnell um und gehe, ich verabscheue das Wort „rollen" einfach nur, in die Halle. Langsam lasse ich mich ins Wasser gleiten und beginne mich aufzuwärmen. Nach 10 Bahnen schaue ich kurz auf und sehe gerade noch wie Thomas meinen Rollstuhl in die Abstellkammer schiebt. Er weiß wie sehr ich es hasse immer dieses Ding zu sehen.

„Ich bin dann mal weg.", ruft er mir schnell zu und verschwindet dann auch. Manchmal, so wie jetzt, kommt mir der Gedanke, dass er vielleicht nur so früh hier ist um für mich die Halle aufzusperren. Warum er das machte weiß ich nicht, er ist einfach ein guter Mensch. Wahrscheinlich hat Katie ihn auch darum gebeten. Aber egal warum er das macht, ich bin ihm unendlich dankbar und ich traue mich auch nicht ihm zu fragen, diese Stunden sind mir zu heilig, als dass ich sie aufgeben könnte.

Zielstrebig ziehe ich meine Bahnen. Es ist jetzt schon über zwei Wochen her seit ich im Krankenhaus war. Mir geht es gut. Ja okay es ging mir schon mal besser. Ehrlich gesagt ich bin fertig, am Ende. Ich trainier Tag täglich zwei bis drei Stunden zudem kommen noch Kraftübungen die ich zu Hause mache. Ich will wieder gut werden, schneller werden. Ich will wieder Leistung bringen. Aber es geht nicht und das frustriert mich.

Fast schon wütend fahren meine Hände ins Wasser. Meine Lungen brennen, meine Arme schmerzen aber ich ignoriere die Signale meines Körpers. Nach weiteren 15 Bahnen halte ich endlich am Ende der Bahn an und erlaube meinem Körper eine Pause und meinen Lungen tief Luft zu hohlen.

„Du bist wirklich Ehrgeizig oder?", erschrocken fährt mein Kopf zu der Stimme um. Am Rande des Beckens steht ER. Was macht er nur wieder hier? In den letzten Wochen hat er sich doch auch nicht blicken lassen. Warum jetzt wieder?! Ich dachte ich wäre ihn los. Da bin ich wohl falsch gelegen. Obwohl ich es eigentlich nicht bestreiten kann dass ich mich ein kleines Bisschen freue, dass er hier ist, aber auch nur ein kleines Bisschen. Wirklich!

Kyle taucht ins Wasser ein und kommt auf die Bahn neben mir.

„Also warum tust du dir das an?", fragt er mich gerade heraus. Ich zucke mit den Schultern und antworte einfach, etwas außer Atem: „Ich hab ein Ziel und dieses Ziel will ich erreichen also trainiere ich."

„Und was ist dein Ziel?" Genervt verdrehe ich meine Augen.

„Besser zu werden. Und deines?", geben ich die Frage zurück.

„Ich hab kein Ziel.", antwortet er schlicht und zuckt mit seinen Schultern

„Warum stehst du dann so früh auf und kommst in die Halle um zu schwimmen?", ich kann mir die Frage einfach nicht verkneifen.

Denn ich will es wirklich wissen, den Grund warum er hier ist.

„Reha. Ich hab mir vor einem dreiviertel Jahr das Schienbein gebrochen und mein Arzt hat mir Schwimmen als schonendes Training verordnet.", antwortet er simpel und zuckt mit seinen Schultern.

Ist das sein Ernst?! Ich sehe schon dass er zur nächsten Frage ansetzten will, aber bevor er das schafft schwimme ich los. Wenigstes lässt er mich so in Ruhe. Ein simpler Bruch ist also Schuld, dass er mir so auf die Nerven geht. Für mich ist das hier alles was ich hab und er mach das so nebenbei um seine Muskulatur schonend wieder aufzubauen. Er weiß gar nicht was er hat. Was würde ich dafür geben wenn ich einfach nur meine Muskulatur aufbauen müsste, bei mir gibt es da nichts mehr aufzubauen.

Wie Sand und MeerKde žijí příběhy. Začni objevovat