02. Hurry Up - Francisca Correia

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"Hey Lana, kommst du nachher vorbei? Die Jungs haben noch ein Interview und ich würde vorher gern schonmal einige Aufnahmen machen." Simon klang leicht gehetzt.

"Klar, kein Ding. Wann soll ich kommen?" Ich klemmte mir das Telefon zwischen die Schultern um mir die Uhrzeit auf meinem Laptop in meinen Kalender einzutragen.

"Wenn du in einer Stunde kommen könntest, wäre es super."

"Klar, das passt." Ich hatte ja sonst nichts großartiges zutun, mal abgesehen davon, dass ich noch für Loreen einkaufen musste, weil meine Pflegemutter das heute nicht schaffen würde aufgrund ihrer vielen Kliententermine als Psychotherapeutin. Loreen hatte einen sehr guten Ruf in London, und nicht gerade wenige Millionäre zahlten liebend gern ihre hohen Preise für eine ordentliche Behandlung. Ich trug den Termin in meinen Kalender ein, um mir dann Geld einzustecken und mich auf den Weg zum nächsten Supermarkt zu machen. Wir hatten eine Tesco Filiale praktisch fast direkt neben dem großen Anwesen in dem ich seit ich denken konnte wohnte, weshalb ich mir keine Jacke anzog. Zurzeit regnete es nicht und ich vertraute einfach mal darauf, dass es das in der nächsten halben Stunde auch nicht tun würde.

"Tschüss Princess!", verabschiedete ich mich lautstark von der Katze, die wohl bei jedem reichen Haushalt irgendwie Pflicht war, und ihren Namen erhalten hatte, da sie auf dem pechschwarzen Kopf eine weiße Musterung trug, die ein wenig wie eine kleine Krone aussah. Ich schlug die Tür hinter mir zu und lief über die Straße, um den Laden zu erreichen.

Wir hatten eine Putzfrau, die ebenfalls Köchin war und normalerweise für den Einkauf sorgte, aber seit einem halben Jahr hatte ich keinen Schulunterricht mehr, weshalb ich ihr so einiges aus dem Haushalt gern abnahm. Irgendwann hatten wir uns mal auf Mittwoch geeinigt, als den Tag an dem sie frei hatte. Und da die Milch zur Neige ging, war es besser, wenn ich die besorgte, wo Loreen sich abends wenn sie von der Arbeit kam immer irgendeinem Fruchtshake mit Milch machte. Meine Pflegemutter war 39 Jahre alt, und sah aus wie Ende Zwanzig. Ich hatte keine Ahnung, wie sie das geschafft hatte, aber irgendwie hatte sie es hinbekommen, so Jung zu bleiben. Drew, ihr Mann, war 40 und sah nur ein wenig älter aus als sie. Ich verstand mich super mit den beiden, sie waren eine klasse Familie, und an den Wochenenden hatten wir früher immer so einiges gemeinsam unternommen. Trotz ihres Reichtums war ich aber nicht verwöhnt. Ich hatte mir meinen Computer selbst gekauft, und das würde auch für allen möglichen Schnickschnack gelten, den man nicht unbedingt brauchte. Drew war Anwalt in irgendeiner berühmten Londoner Kanzlei und er hielt so gar nichts von verwöhnten Kindern, was sehr zu meiner Erziehung beigetragen hatte.

Ich stand inzwischen vor dem Milchregal und hatte das Problem, mich nicht für eine Sorte entscheiden zu können. Es gab so viel verschiedene Milch mit denselben Inhaltsstoffen, das war echt gruselig.

Schließlich griff ich nach dem Zufallsprinzip einfach nach einer beliebigen Sorte, und schaute noch schnell beim Süßigkeitenregal vorbei. Hier konnte ich so gut wie nie vorbeigehen, ohne Schokolade oder ähnliches nach dem Vorbeigehen in meinen Händen wieder zu finden um mich dann zu fragen, wie das denn bitte dahin kam. Auch diesmal konnte ich nicht widerstehen und schnappte mir eine Tüte Gummibärchen. Ich ging regelmäßig mit Loreen joggen, weshalb ich kein Problem damit hatte, mal mehr Ungesundes zu essen. Das trainierte ich schon alles irgendwie wieder ab. Sowieso setzte das Zeug höchst selten bei mir an und mir war durchaus bewusst, wie viel Glück ich damit hatte.

Ich bezahlte meinen Einkauf und ging dann zur Villa zurück, wo Princess mich bereits sehnsüchtig erwartete. Diese Katze war sehr anhänglich.

"Man Princess, ich war doch nur ein paar Minuten weg", kicherte ich, als sie mir in die Küche folgte, wo ich die Milch in den Kühlschrank bugsierte und dann mit meinen Gummibärchen und der anhänglichen Katze im Schlepptau in mein Zimmer hoch stapfte.

Viel Zeit hatte ich nicht mehr bis zum Treffen mit Simon, und ich musste ja auch noch mit der U-Bahn ins Studio kommen, weshalb ich in meine Umhängetasche schnell mein Handy, mein Portemonnaie, meine Kopfhörer und eine Wasserflasche warf.

Ich schnappte mir einen Post it!- Zettel von meinem Schreibtisch, kritzelte eine Nachricht an Drew und Loreen, um dann die Treppen runterzusausen und fast über Princess zu stolpern, die mir nicht in mein Zimmer gefolgt war, sondern sich auf dem Treppenabsatz niedergelassen hatte. Heile unten angekommen legte ich die Nachricht auf den großen Mahagoni-Esstisch und schlüpfte in meine Schuhe, sowie meinen Mantel. Ich sah auf die Uhr und rannte los nachdem ich die Haustür zugeknallt hatte. Es waren noch genau 3 Minuten, bis meine Bahn losfuhr. Danach würde ich zwar nur 10 Minuten warten müssen, aber es war besser, zu früh zu kommen, als möglicherweise zu spät. Simon sollte man nicht warten lassen, das hatte ich schon bei unserem ersten Treffen gelernt.

*Flashback*

"Gerade noch rechtzeitig. Zwei Minuten später und du hättest das Vorsingen vergessen können." Der Musikproduzent sah auf seine Uhr, und ich tat es ihm gleich. Wir hatten uns um 3pm verabredet, und jetzt war es gerade 2:58pm.

"Dann habe ich ja nochmal Glück gehabt", meinte ich erleichtert und auch ein wenig geschockt. So sehr achtete er auf Pünktlichkeit? Das war ja schon fast krank! Aber vielleicht war das in seinem Beruf ja so üblich.

"Allerdings. Also, du heißt Lanadora from Ismorway, bist 14 Jahre alt und brauchst ganz dringend Arbeit, richtig?"

"Ja, das stimmt. Es ist mir egal was es ist, Hauptsache es hat etwas mit Musik zutun", erklärte ich.

"Dreijähriger Vertrag als Büroangestellte in der Konzertplanung?", bot er mir an, und ich nickte freudig.

"Super gern!"

"Dir ist klar, dass das der langweiligste Job ist, den wir zu bieten haben, oder?"

"Ja, aber das ist mir ziemlich egal", zuckte ich mit den Schultern. "Hauptsache ich bekomme was zu tun."

"Okay, dann sing mal bitte irgendein Lied." Das kam nun völlig unerwartet, aber ich fing einfach an.

"Does he tell you he loves you when you least expect it...", sang ich das Lied von Little Mix, da es das erste war, welches mir in den Sinn kam.

"Stop, du kannst aufhören", unterbrach Simon mich. War ich wirklich so schlecht, dass er sich meinen Gesang nicht mehr anhören wollte? Aber egal, mit einem Bürojob war ich auch mehr als zufrieden. "Ich gebe dir meine Handynummer, und du wirst mich sofort anrufen, sobald du Interesse an einem Gesangsjob hast, okay?" Wow. Das ging aber schnell.

*Flashback End*

Ich hüpfte die Treppen zur U-Bahn Station hinunter und rannte auf die Bahn zu, welche gerade einfuhr. Die Türen öffneten sich und ich quetschte mich durch die Leute die hinauswollten, in die Bahn hinein und ließ mich auf einen Sitz fallen. Ich schloss meine Kopfhörer an mein Handy an und stöberte ein wenig auf Twitter, während die Musik mir die Ohren voll dröhnte. Niall hatte meinen letzten Tweet retweetet.

@LanaWay: new job, for nearly one year it's going to be difficult not to stare at hot guys :D

Harry dagegen hatte mir nur eine Privatnachricht geschickt.

>Ich sag es doch, wir sind heiß, musst auch du zugeben :D<

Ich musste leicht Grinsen und antwortete dem Sänger.

>Ich meinte nicht euch<, tippte ich grinsend. Mal schauen, was er dazu sagen würde.

Zwei Stationen weiter stieg ich aus und drängelte mich an der Station durch eine Touristengruppe, deren Ziel es scheinbar war, niemanden ein- oder aussteigen zu lassen. Mein Handy klingelte und ich nahm genervt ab.

"Ja?"

"Es ist schon viertel vor, schaffst du es rechtzeitig?", wollte Simon wissen.

"Ja, ich bin gerade am Picadilly Circus." Ich drängelte mich an einer Gruppe rauchender Achtzehnjähriger vorbei und rannte mit angezogenen Knien die Treppe hoch.

"Okay, dann ist gut. Bis gleich."

"Tschau." Ich ließ mein Handy wieder in meine Tasche gleiten und überquerte joggend die gut befahrene Straße. Einen Häuserblock später huschte ich in einen kleinen Weg, welcher zu einem Hinterhof führte und von dort aus verschwand ich in einer kaum erkennbaren Tür. Das war der Hintereingang zum offiziellen Studio der Sony Music Company.


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