08.Mai 2001 Themse-Ufer, London

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,,In 20 Minuten hab ich Feierabend." Die Art, wie sie diese 6 Worte sagte, ließ es ihm heiß und kalt den Rücken runter laufen. Er wusste nicht, ob sie beabsichtigt hatte, in ihrer Stimme so viel Sinnlichkeit erklingen zu lassen oder nicht. Selbst wenn es nur ein Unfall gewesen sein sollte, es hatte eine starke Wirkung auf ihn. Sein Denken verschwamm bei der Vorstellung daran, dass sie vielleicht mehr von ihm wollte als einen Kaffee. Ihm wurde plötzlich irrsinnig warm und sein Mund wurde trocken. Er stürzte seinen Whiskey runter, um dieses ausgedorrte Gefühl loszuwerden. ,,O-Ok. Passt mir gut.", stammelte er. Was war es an dieser Frau, das ihm zum Stammeln brachte? Es machte ihn rasend, in ihrer Gegenwart seine Coolness zu verlieren. Das war ihm doch noch nie passiert! Sie schmunzelte süffisant. ,,Sehr gut. Ich kenn da einen netten, kleinen Coffee Shop an der Themse, der rund um die Uhr geöffnet hat. Die haben da fantastische Kürbis-Latte Macchiato, sag ich dir. Die sind der Hammer!" Er nickte zustimmend. Er hatte zwar nicht den Hauch einer Ahnung, was ein 'Kürbis-Latte Macchiato' sein sollte, aber er nickte.

Die Luft war kühl und frisch vom Regen als die beiden jungen Leute im Licht der Straßenlaternen an der Themse entlang spazierten. Der große, weiße Vollmond spiegelte sich im Wasser. Die junge Frau fror ein wenig in ihrer dünnen Wachsjacke, doch der Kaffee wärmte beides, ihre Hände und ihr Herz, das vor Aufregung raste. Draco, der seinen Latte Macchiato in einer Windeseile runtergestürzt hatte, war jetzt hellwach und spielte in seiner Jackentasche mit einem Knopf, um die Wirkung, die das Koffein auf ihn hatte, zu verstecken. Zufrieden seufzte Mona als sie ihren leeren Papp-Becher in den Müll warf und sich dann an das Geländer am Fluss lehnte und auf das Wasser hinaus sah. Sie legte ihre Hand um das kalte, nasse Metall und schloss genüsslich ihre Augen, als sie ihren Kopf gen Himmel streckte. Der blonde Mann stellte sich neben sie und betrachte ihr vom silbrigen Mondlicht bestrahlte Gesicht. Dieses Licht beschien wohlig ihre Gesichtszüge und machte sie noch schöner. Es verlieh ihr so eine Anmut, dass er sofort an Veela denken musste. Auch wenn ihr Haar nicht weißblond war, wie das einer Veela, schien sie einige Eigenschaften solcher aufzuweisen. Ihn so zu verzaubern, konnte keineswegs das Werk eines Muggel-Mädchens sein. Der junge Malfoy konnte seinen Blick nicht von ihr lassen. Irgendetwas an ihr brachte ihn dazu, sich so beflügelt und gleichzeitig so verloren zu fühlen, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Jetzt war nur noch die Frage, ob ihm das gefiel oder nicht.

Sie spürte, dass sich sein Blick auf ihr Gesicht heftete. Eine Zeit lang genoss sie das Schweigen, doch nach ein paar Augenblicken wollte sie seine Stimme wieder hören. ,,Hat dir dein Kürbis-Latte geschmeckt? Du hast ihn ja ganz schön schnell weggehauen.", fragte sie und sah dem Blonden wieder in die Augen. Er nickte. ,,Ja, er war gut." Das war keine Lüge. Ihm hatte das seltsame Getränk tatsächlich geschmeckt. Er hatte sich zwar erst an den Geschmack gewöhnen müssen, aber dann gefiel es ihm wirklich. Sonst war er nur an Tee gewöhnt, da war dieser Kaffee eine willkommene Abwechslung. ,,Schön, das freut mich.", sagte sie heiter. Sie genoss den Abend und noch mehr genoss sie seine Gegenwart. Er ließ sich vollkommen auf all das Muggelzeug ein, das sie ihm vorschlug. Sie konnte es kaum glauben, aber hier stand er, Draco Malfoy, der Muggelhasser, mit einem kleinen Milchschaumbart an der Oberlippe neben einem vermeintlichen Muggel-Mädchen an der Themse im Muggel-London. Es packte sie die Neugier. Was würde passieren, wenn die beiden alleine wären? Ganz allein? Wo sie niemand sehen könnte. Ihr Forschungstrieb, der sie wahrscheinlich nach Gryffindor geschickt hätte, wenn die Magie in ihr erwacht wäre, drängte sie zu einer doch recht unüberlegten Handlung. ,,Willst du noch mit zu mir kommen?", fragte sie etwas indiskret und war über sich selbst verblüfft. Prompt schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel. Sich zu erträumen, er hätte sie nicht gehört, wäre töricht. Sie hoffte bloß, dass er sie jetzt nicht für eine Schlampe hielt.

Wollte er? Wollte er mit zu ihr gehen? Er haderte mit sich selbst. Auf der einen Seite war sie bezaubernd und er fand sich selbst immer wieder bei dem Gedanken daran, wie sich wohl ihre Lippen anfühlten. Andererseits war sie ein Muggel-Mädchen. Wollte er sich tatsächlich so tief fallen lassen? In die Arme eines dreckigen Schlammblutgörs? Nein! Aber sie war so anders. Ein Versuch war es vielleicht wert. Allerdings konnte ein Versuch schon einer zu viel sein. Draco wusste weder aus noch ein. Und ihr erwartungsvoller Blick machte ihm die Entscheidung nicht gerade leichter. Plötzlich fiel ihm so etwas wie eine Lösung ein. Auch wenn es ihm wenig zu sagte, aber für ihn schien es keinen anderen Ausweg aus dieser Situation zu geben als den, den er schon so oft gewählt hatte: eine kleine Lüge. Wenn er sich nur dumm stellte und so tat, als hätte er ihre Anspielung nicht verstanden, würde sie es vielleicht auf sich beruhen lassen. ,,Selbstverständlich! Ich würde eine junge Frau um diese Uhrzeit nie allein nach Hause gehen lassen. Komm, ich bring dich heim Mona.", sagte Draco bestimmt, griff nach Mona's Hand und begann fraglos in eine Richtung zu laufen ohne tatsächlich zu wissen, wohin er gehen musste.

Nachdem Mona die beiden gute 5 Minuten durch die Straßen Londons navigiert hatte, standen sie und der Malfoy-Spross vor der Eingangstür ihrer Wohnung. Sie hatten die Stufen bis in den vierten Stock erklommen und sagten sich jetzt überschwänglich 'Gute Nacht'. ,,Und du willst wirklich nicht noch auf 'nen Kaffee mitreinkommen?", fragte das Mädchen ein letztes Mal. Es nagte etwas an ihr, dass Malfoy nicht auf sie reinfiel. Nicht dass sie irgendwas vorgehabt hätte , aber es hätte definitiv ihr Selbstwertgefühl gestärkt, wenn sie einen Kerl wie ihn innerhalb von ein paar Stunden für sich hätte gewinnen können. Zur Antwort schüttelte er sanft den Kopf. ,,Es tut mir leid, Mona, aber es ist spät und ich hab am Morgen einen wichtigen Termin. Ich schreibe dir, in Ordnung?" Sie lachte kurz auf. Sie wusste, wie er sich bei ihr melden würde, aber sie wollte es dennoch aus seinem Mund hören. ,,Ach ja? Wie denn? Schreibst du mir einen Brief, oder was?", neckte sie ihn. ,,Um ehrlich zu sein, hatte ich genau das vor..." Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Anhand dieser Geste wurde die junge Frau etwas rot. ,,Wirklich? Das finde ich charmant. Ist ja richtig Alte Schule! Gefällt mir.", bewunderte sie, auch wenn sie das von vornherein gewusst hatte. ,,Also dann, Mister Malfoy, ich erwarte ihre Post.", scherzte sie und wollte schon die Tür schließen, als Draco ihr dazwischen fuschte. Denn eines musste er noch tun, ehe er ging. Bevor sie wusste, wie es um sie geschah, war er bei Mona und legte seine eine Hand an ihre Hüfte und die andere an ihren Hinterkopf, um sie näher zu sich zu ziehen. Leidenschaftlich, aber gleichzeitig auch so zärtlich drückte er seine Lippen auf ihre. Sie waren warm und weich gegen seine leicht spröden. Sofort reagiert sie auf seine Aktion und legte ihre Hände auf seine Brust. Nach ein paar Augenblicken löste Draco sich von ihr, beide atmeten sie schwer. Er lehnte seine Stirn gegen ihre und schloss die Augen. ,,Wofür war der denn?", erkundigte Mona sich etwas außer Atem. Er lächelte. ,,Gute-Nacht-Kuss. Gehört sich doch so, oder nicht?" Danach drückte er dem Mädchen noch einen Kuss auf den Scheitel und ging schnell die Treppen runter. Bevor er die letzte Stufe der ersten Treppe erreichte, sah Draco noch einmal zu ihr hoch und sagte liebevoll: ,,Gute Nacht, Mona." Sie lächelte bloß, doch das war ihm Antwort genug und er stieg weiter die Treppe runter. Als er außer Sicht war, setzte sie sich in die Küche und sah aus dem Fenster runter auf die Straße und als sie einen hellblonden Haarschopf erkannte, der das Haus verließ und ihr dann zuwinkte, erwiderte sie die Geste fröhlich. ,,Gute Nacht, Draco.", murmelte sie zu sich selbst und ihrem rasenden Herzen, bevor sie den Brief von ihrer Schwester auf dem Küchentisch entdeckte.

The SquibWhere stories live. Discover now