Flame

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Hallo. Normalerweise würde ich mich ja vorstellen, aber inzwischen weiss ich selbst nicht mehr, wer oder was ich bin. Die Person die ich einmal war existiert nicht mehr - daher habe ich auch meinen alten Namen abgelegt. Die Leute nennen mich jetzt Flame, sie könnten mich auch Flamme oder Funken, vielleicht sogar Feuer nennen, aber anscheinend tönt dieser Name in ihren Ohren am besten. Es ist nicht ganz so leicht zu erklären wie ich zu diesem Namen gekommen bin, aber ich will es versuchen.

Es war ein kalter Wintertag, an dem sich mein Leben von Grund auf ändern sollte - der Tag, an dem ich das erste Mal brannte. Ich war mit meiner Klasse auf der Abschlussreise, die Prüfungen waren durch und es war die letzte gemeinsame Zeit mit meinen Klassenkameraden. Ich teilte das Zimmer mit meiner besten Freundin Liz, sie sieht aus wie ein Model, hochgewachsen, schlank, lange blond-braune Haare und trüb-blaue Augen. Diese Augen, mit denen sie mich durchleuchten kann, als hätte sie einen Röntgenblick für Geheimnisse. An dem Tag war eine Schnitzeljagt durch die Stadt geplant und ich war in dieselbe Gruppe eingeteilt wie mein Schwarm. Liz hatte mich schon den ganzen Morgen lang damit aufgezogen, aber sie meinte es natürlich nicht böse. Ich erinnere mich noch so gut an unser letztes Gespräch, bevor wir aufbrachen und sich jeder in seine Gruppe begab. Es sollte unsere letzte Unterhaltung vor einer riesigen Veränderung sein, doch das wusste damals keine von uns. Ich sass auf dem Bett und sah ihr abwesend beim flechten ihrer Haare zu. „Echt schade, dass ich nicht dabei sein kann um zu applaudieren, wenn du sein Herz im Sturm eroberst." Ich versuchte so gut wie möglich den Eindruck zu machen, als hätte ich ihr zugehört - was mir natürlich nicht gelang. „Wieso machst du denn so ein trauriges Gesicht? Andere Mädchen mit so einer Chance würden jetzt vor Freude Luftsprünge machen." Ich zwang mir ein Lächeln ab: „Ich bin ja nicht allein mit ihm und ausserdem..." Da war er wieder der Blick: „Er interessiert sich ganz sicher für dich, dass sehe ich James an. Und wegen dem allein sein", sie hob keck die Augenbraue, „Tony und Kim werden sich bestimmt ganz schnell aus dem Staub machen, du weisst ja wie sie bei Gruppenaktivitäten sind." Ich nickte ihr dankend zu - wollte ich denn allein mit ihm sein? Der Gedanken jagte mir irgendwie Panik ein. Ich schaute nach draussen und betrachtete dann Liz' Haar: „Wie kannst du nur bei dieser Kälte einen Zopf tragen?" „Ich kann ja ein Stirnband anziehen", sagte sie mit einem Schulterzucken. „Du findest schon jemanden, der dich aufwärmen kann, stimmt's?" Erwiderte ich im Wissen, dass sie sich nur so rausputzte für einen Flirt mit einem Unbekannten.

„Wir sollen zuerst suchen", sagte James lächelnd, nachdem er das Los aus dem Hut unseres Lehrers gezogen hatte. Tony verdrehte die Augen, was er wohl auch getan hätte, wenn wir zuerst die gejagten gewesen wären. „Können wir nicht einfach irgendwo in ein Kaffee heissen Kakao trinken gehen?", meinte Kim entnervt. Ich sah wie James' Motivation auf einmal sank und auch mein Optimismus schwand darauf. Wir hatten uns in Grüppchen in einem Kreis aufgestellt, der Lehrer stand in der Mitte und erklärte die Spielregeln. Gegenüber winkte mir Liz mit ihrem Los zu - sie waren die gejagten. „Also meine Lieben", holte Mr. Grant aus, „haben das jetzt alle verstanden? Drei Teams die Suchen, und zwei die gejagt werden. Gut Fabio, zeig uns doch mal deine Multitasking-Fähigkeiten und ob du ausser mit deinen Kollegen sprechen auch mir zuhören kannst. Wie lange warten die Sucher, bis sie aufbrechen?" Fabio kratzte sich am Kopf: „Ähm, ne halbe Stunde?" „Nein, zehn Minuten. Die gejagten haben also nicht viel Zeit, vergesst bitte nicht Zettel zu hinterlassen und diese gut zu befestigen -" „Mr. Grant?", unterbrach ihn ein Schüler, „in welchen Abständen müssen wir die Zettel hinterlassen?" „Überall wo es eine Kreuzung gibt du Honk, das hat er doch gesagt!" Theatralisch schüttelte Fabio den Kopf und machte dazu seltsame Schnalzgeräusche. Nachdem der Lehrer sich nochmal versichert hatte, dass wir alles verstanden hatten, begann das Spiel.

Zehn Minuten bedrücktes Schweigen... Mann war das peinlich, ich wollte am liebsten einfach nur noch weg. James hatte die ganze Zeit nur abwesend vor sich auf den Boden gestarrt, während Kim und Tony gelangweilt daneben standen und zur grossen Uhr am Kirchenturm hinüber geschaut hatten. Ich hätte das Schweigen brechen müssen, irgendetwas sagen sollen - aber was? Krampfhaft überlegte ich mir irgendeinen Satz um diese Stille durchbrechen zu können, doch bevor es mir gelang waren die zehn Minuten (die sich wie mindestens drei Ewigkeiten angefühlt hatten) vorbei. Tony nickte zufrieden, nahm eine Zigarette heraus und sagte: „Na dann viel Glück euch beiden, wir sehen uns dann später!" „Ihr wollt doch jetzt nicht einfach abhauen ihr...", James funkelte ihn wütend an. „Doch Schlaumeier, das wollen und werden wir auch.", schnauzte Kim zurück, „Achtet aber bitte darauf dass unser Team nicht das letzte wird ja?" Sie zwinkerte uns zu, hakte sich bei Tony unter und sie verschwanden ohne sich noch einmal umzudrehen. Auch jetzt war mir noch nichts zum Sagen eingefallen und ich schaute James mit einem Kloss im Hals an. Es war so gekommen wie Liz es vorausgesagt hatte: ich war allein mit ihm. Und ich wollte schlagartig die Flucht ergreifen. „War ja klar", seufzte James und kratzte sich am Hinterkopf, „jetzt haben wir praktisch keine Change mehr gegen die anderen Sucher-Teams." „Ist, ist doch nur ein Spiel", stotterte ich und errötete sogleich, weil meine Stimme so schrecklich peinlich klang. James Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln und nach einer Weile nickte er. „Du hast recht, lass uns das Beste daraus machen."

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