Kapitel 4

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Ich fühle mich von meinen Gedanken überrumpelt. Ständig rutschen sie zu Andre Schiebler, der mich verwirrt und in mir nur noch mehr Fragen aufwirft. Die Arbeitslosigkeit meines Vaters macht mir zu schaffen. Pamela und Lucy machen mir zu schaffen. Einfach alles scheint mir zu schaffen machen zu wollen. Als würde sich ein gesamtes Universum gegen mich verschwören und mir Dinge einbläuen, die verrückt sind.

Meine Sneaker rutschen über den rauen Boden vor unserem Haus. Ich laufe die Einfahrt immer wieder auf, um sie danach wieder hinab zu laufen. Meine Locken liegen in meinem Gesicht, meine braunen Augen starren auf den Boden, auf dem wiederum Kaugummis kleben, die ich im Laufe der letzten Jahre dort hin gespuckt habe, da mein Vater es hasst, wenn ich im Haus Kaugummi kaue. Als er mir dies gesagt hat, wollte ich ihm an den Kopf werfen, dass ich es auch hasse, wenn er seine zig Bierchen am Tag trinkt, hab es aber dann doch gelassen, da ich mir sonst mein zukünftiges Zimmer im Keller hätte einrichten dürfen, oder sowas in der Art. Also ließ ich ihm seinen komischen Kaugummi-Komplex und fing an diese Teile auf die Pflastersteine der Einfahrt zu spucken, bevor ich das Haus betrat.

Und nun liegen sie hier rum, wie eine kleine Familie, und gucken mich von unten an, wie ich um sie herum laufe, um keinen von ihnen zum Waisen zu machen.

Soll ich ins Haus gehen?
Soll ich draußen bleiben?
Soll ich weglaufen?
Soll ich doch noch zurück in die Schule und mich meinem aller liebsten Lieblings-Direktor unterziehen?
Soll ich mich ein weiteres Mal von Andre aufsuchen lassen, um mir dann seine Unhöflichkeit an zutun?
Nein.

Nein, ich bleibe einfach draußen und setze mich auf die Holzbank, auf dem kleinen Verandaabhang vor der Haustür. Ich überschlage meine Beine und denke mir, dass mein Blut in einem der zwei Gehmöglichkeiten jetzt abgeklemmt wird. Aber um ehrlich zu sein: es ist mir scheißegal.

Nach einer Ewigkeit des Wartens -ich weiß nicht mal auf was-, sehe ich auf meine Uhr und stelle fest, dass gerade mal fünfzehn Minuten vergangen sind, in denen ich vergeblich die Nachbarskatze dabei beobachtet habe, wie sie einem Vogel nachjagt, bis sie dann hinter einem Strauch verschwunden ist, und bloß noch meine Einsamkeit hier draußen übrig bleibt.

Im Inneren des Hauses sitzt mein Vater, wohl mit einem Bier oder einer Zigarette in der Hand, und liest seine uralten Motorradzeitschriften, für die er mich damals begeistern wollte, nachdem Mom abgehauen war. Er hat es bloß nicht ertragen mit mir in einem Raum zu sitzen und nichts zu sagen. Das erträgt er bis heute noch nicht. Aber mir ist es recht. So muss ich weniger von mir erzählen und peinliche oder versoffene Gespräche finden garnicht erst statt.
Pluspunkte für uns beide also.

Das Piepen meines Handys lässt mich aus meinem Kurzschlaf aufschrecken. Ich bin wohl auf dieser öden Bank eingedöst, die härter ist als ... als ... als die Beleidigungen von Lucy Parker und ihrer Snob-Mutter, die mir letzten Endes doch noch gefallene Seelen weggenommen hat. Zum kotzen.
Ich sehe auf den Display, erkenne die reingekommene Nachricht kaum, da mich das Tageslicht blendet.

Wieso muss der Tag auch nur so hell sein?

Allein schon, als ich anfange den Namen des Absenders zu lesen, spüre ich meinen Magen mein -nicht vorhandenes-, Frühstück wieder hochwürgen zu wollen. Oder eben Galle.

Lucy: Ich hab eher Schluss - komm jetzt Heim. Mach mir Salat zu essen, bis gleich. Ps: Schule schwänzen macht sich nicht gut.
Ich: Wo ist der Bus?
Lucy: Welcher Bus?
Ich: Mit den Leuten, die es interessiert, was du essen willst.
Lucy: Du kannst mich mal.
Ich: nein, danke
Lucy: Wenn du kein Essen machst, dann sperrt dich Mom im Zimmer ein, ha!
Ich: Deine Mom ist nicht meine Mom(!!!)
Lucy: Aber deine Stief
Ich: woher nimmst du dir überhaupt die Zeit mir so viel zu antworten?
Lucy: Bus kommt zu spät
Lucy: Salat mit viel Obst und Gemüse drinnen bitte
Ich: Miese Hexe

Selected | Apecrime [COMPLETED]Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz