K A P I T E L 1

76K 1.4K 233
                                    

Zoey

Verzweifelt versucht mein Geschichtslehrer, die Lösung der zuvor besprochenen Aufgabe fertig zu erklären, doch sobald die Schulklingel läutet, stürmen auch schon die ersten Schüler aus dem Klassenzimmer. Ich schultere ebenfalls meinen Rucksack und ziele mit schnellen Schritten meinen blauen, bereits in die Jahre gekommenen Spind an, in dem ich die Bücher verstaue, die ich über das Wochenende sowieso nicht benötige, und eile danach aus dem veralteten Schulgebäude.

„Happy Friday, Zoey!", flötet Lizzy fröhlich und wippt dabei leicht auf und ab wie ein kleiner Flummi. Belustigt beobachte ich sie. „Lizzy, es starren dich schon alle an", sage ich grinsend und verschränke meine Arme vor der Brust. Augenblicklich stoppt sie inmitten ihrer Hüpfbewegung und ihre Wangen färben sich dunkelrot. Lizzy senkt ihren Kopf, sodass ihre blonden Haare in ihr niedliches Gesicht fallen, dabei umfasst sie mein Handgelenk und schleift mich zu den Bushaltestellen.

„Hast du deinen Dad schon überredet bekommen?", fragt mich meine beste Freundin, ihre Kulleraugen starren mich abwartend an.

„Nope. Ich hatte bis jetzt noch nicht die Möglichkeit dazu", meine ich schulterzuckend und meine Augen wandern zur Bushaltestelle.

„Zoey, frag ihn sofort, wenn du Zuhause ankommst!" Ich nicke seufzend, wobei sie prüfend ihre Augenbraue hochzieht und mich genaustens beobachtet. „Ruf mich danach sofort an", flötet sie wieder gutgelaunt, ehe sie mich in eine innige Umarmung zieht und danach zu ihrer Haltestelle läuft. Kurz bleibt mein Blick an ihr hängen, bevor ich herumwirbele und in den wartenden Bus einsteige. Ich puste erleichtert die angestaute Luft in meinen Wangen aus, als ich mich auf einen freien Sitzplatz setze. Denn es ist Freitag, somit keine schulischen Freizeitaktivitäten und dementsprechend überfüllte Busse. Da ich relativ weit entfernt von der Franklin Pierce High School wohne, dauert die Busfahrt bedauerlicherweise umso länger, bis mein Wochenende beginnen kann.

Damit ich die Fahrt überstehe, stöpsele ich mir meine Kopfhörer in beide Ohren und lausche vertieft der Musik. Ich blicke aus dem verschmutzen Fenster, auf dem schon einige Namen, Beschimpfungen und Malereien sichtbar sind. In meinen Gedanken versunken, schrecke ich aus diesen, als mich jemand anrempelt und dabei meine Kopfhörer mitreißt.

Entsetzt schnappe ich nach Luft und meine Augen suchen nach dem Übeltäter. „Oh, sorry Zoeymaus".

Darf ich vorstellen – Scarlett Roberts, das It-Girl oder auch bekannt als die Schulqueen. Sympathie haben wir uns beide noch nie entgegenbringen können, nachdem sie meiner Barbiepuppe den Kopf brutal abgerissen und ich ihr daraufhin an den Haaren gezogen habe. So schnell hat noch keiner meiner Freundschaften geendet. Nun ja, ich bin absolut drüber hinweg. Genervt blicke ich sie an und stöpsele erneut meine Kopfhörer in meine Ohren, ohne ihr ein Wort zu entgegen. Im Augenwinkel sehe ich nur noch, wie sie grinsend an mir vorbei in den hinteren Teil des Busses stolziert.

Nach einer halben Stunde Fahrt, stolpere ich aus dem Bus heraus und marschiere auf den Militärstützpunkt zu. Ich begrüße die Wachmänner, die mich regungslos wahrnehmen und werde sporadisch kontrolliert, ehe ich die Basis betreten kann.

„Dad", schreie ich, als ich das kleine Appartement betrete und hinter mir die Tür ins Schloss fällt.

Hier", brüllt er zurück. Ein Lächeln huscht auf meine Lippen und ich tapse in die Küche. Stürmisch umarme ich meinen Vater, der angelehnt an der Küchenzeile steht und schon auf mich gewartet hat.

Warum ich den Stützpunkt mein Zuhause nennen kann, liegt daran, dass mein Vater für das Militär arbeitet. Obwohl die Arbeit meines Vaters direkt nebenan liegt, sehe ich ihn nicht allzu oft, auch wenn er nur in der Militärbasis selbst unterwegs ist. So oder so gibt es nur noch meinen Dad und mich, denn meine Mutter ist bereits verstorben, als ich gerade mal fünf Jahre alt gewesen bin. Der Krebs hat den Überlebenskampf gegen meine Mutter gewonnen und hat mir somit einen wichtigen Menschen genommen. Es ist nicht immer einfach gewesen, mein Vater hat erst lernen müssen, ein Kind alleine großzuziehen, und ich habe mit meinen jungen Jahren noch nicht richtig verstanden, warum meine Mama mir keine Gutenachtgeschichten mehr vorlesen oder mich vom Kindergarten abholen konnte. Doch trotz dieser harten Schicksalsschläge sind mein Dad und ich ein eingespieltes Team. Er ist einfach mein Held, mein Vorbild und das schon seit meiner Kindheit.

her soldierWhere stories live. Discover now