Prolog

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Januar 2014
Sokovia

Schreie hallten durch die kalten Gemäuer. Wurden vom Wind erfasst, der durch die undichten Ritzen zwischen den alten Steinen in die Festung eindrang und durch die endlosen düsteren Flure getragen. Sie klangen verzweifelt und erfüllt von Schmerz.

Wanda sah stumm an die kahle Wand vor ihr. Sie trug einen grauen Kittel und saß, die Beine gekreuzt, auf dem staubigen Boden. Ihr Herzschlag ging schnell, der Atem flach. Sie konnte ihren Schmerz spüren, ihre Angst fühlen, ihre Tränen teilen. Leise summte sie sich selbst ein Schlaflied vor.

Wenn sie den Blick von der Wand löste, fing der Raum wieder und wieder an sich zu drehen. Vielleicht waren es die Medikamente, vielleicht der fehlende Schlaf. Sie fürchtete sich davor einzuschlafen. Ihre Träume wurden dunkler.

Sobald sie die Augen schloss, konnte sie Dinge sehen, Dinge die nicht real waren. Ihre Ängste und Albträume verfolgten sie.

In ihren jüngsten Träumen sah sie immer wieder ein ähnliches Bild, es wiederholte sich seit Wochen. Wanda beobachtete, wie eine dunkelrote Flüssigkeit die Zellenwände hinablief. Es tropfte auf den schmutzigen Boden und sammelte sich in kleinen Rinnsalen um sie herum. Der starke Geruch von Eisen löste Übelkeit in ihr aus.

Schneeflocken fielen langsam vom Wolkenverhangenen Himmel hinab und landeten lautlos auf den dunklen Mauern. Der Geruch von Rauch vermischte sich mit dem Eiswind, kleine graue Flocken mischten sich unter die Weißen. Es war jetzt still, totenstill. Die Schreie verstummt.

Pietro bewegte sich nicht. Etwas ungewöhnliches, für ihn. Er lag ganz still auf seiner Pritsche, stumm, starrte an die Decke. Die Kälte lauerte in jeder Ecke des Raumes, wie ein bedrohliches Raubtier. Ihm wurde schon lange nicht mehr warm. Nicht an diesem Ort, hier herrschte der ewige Winter. Müde schloss er die Augen und vergrub die steifen Finger in seinem kurzen braunen Haar.

Seine Haut war blass und mit vielen blauen Flecken übersäht, einige färbten sich bereits lila. Das Sonnenlicht hatte er seit Monaten nicht mehr gesehen, die lange Dunkelheit machte ihn krank. Die Welt wurde zu langsam für ihn und er wurde zu schnell um mitzuhalten. Wenn er versuchte es zu kontrollieren, donnerte er immer wieder gegen die Steinwände seiner Zelle. Nicht mehr lang, glaubte er, und er würde dem Wahnsinn verfallen. Und sein Körper würde zuerst daran zerbrechen.

Im fünf Sekunden Takt hielt er die Luft an. Nur um dann panisch wieder nach Luft zu schnappen. Ein Schauer lief ihm das Rückgrat runter und hinterließ eine feine Gänsehaut. Hände und Füße fühlten sich taub an. Die Schrei hallten in seinem Kopf noch lange nach.

Er drehte sich auf die Seite, starrte jetzt die Wand an, hinter der er seine Schwester vermutete. Sie gehörten zusammen, es fühlte sich unnatürlich an, von ihr getrennt zu sein. Obwohl nur eine Wand zwischen ihnen ruhte, kam es ihm vor, als würden Welten zwischen ihnen liegen.

Ein letzter gellender Schrei zog durch das Gebäude. Er war so schrill und laut, dass Pietro so wie Wanda sich vor entsetzten die Hände schützend über die Ohren legten.

Das Grauen lebte in dieser Festung, davon waren die Zwillinge überzeugt. Etwas das so schrecklich war, dass es ihnen beim bloßen Gedanken daran, das Blut in den Adern gefrieren ließ. Auch wenn sie nicht wussten, was oder wer, dieses Grauen eigentlich war.

puppeteer

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⏰ Last updated: Nov 30 ⏰

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Puppeteer, pietro maximoff Where stories live. Discover now