Friendtrip

3| Milchbubi und innerer Schweinehund

Seit gefühlt einer Ewigkeit fahren wir schon ein und die selbe Landstraße lang. Die dunklen Tannen ziehen an uns vorbei und es kommt mir fast ein bisschen vor, als würden wir im Kreis fahren, weil der Wald nicht enden will. Aus dem Radio trällern irgendwelche schrecklichen Lieder, die man durch das Knacken aber kaum versteht. Diese Schrottkarre besitzt doch tatsächlich ein Radio. Zwar keines mit der besten Qualität, aber immerhin. Das hätte ich dem Wagen nicht zugetraut.
Der Sitz ist allerdings genauso unbequem, wie er aussieht. Mir drückt irgendetwas in den Rücken und ich würde darauf wetten, dass mir irgendetwas in den Arsch drückt. Aber ich spüre es nicht mehr, von daher kann ich mich darüber nicht mehr beschweren. Die Federung die der Wagen besitzt ist so gut wie nicht vorhanden und ich haben das Gefühl jeden Sandkorn über den wir fahren, zu spüren. Irgendetwas klappert schon, seitdem Zeitpunkt zu dem wir losgefahren sind und geht mir ziemlich auf die Nerven. Ich will mich ja eigentlich beschweren, aber dafür müsste ich mit den Zwei reden und das haben ich schon die vergangene Ewigkeit nicht gemacht. Denn ich bin bockig! Man soll sagen, dass ich mich wie ein kleines Kind verhalten. Ist mir egal. Ich darf das. Ich bin querschnittsgelähmt!

„Wo fahren wir eigentlich hin?", frage ich dann doch, zwar so leise, dass ich mir nicht mal sicher bin, ob sie mich gehört haben, aber ich habe meinen inneren Schweinehund überwunden.

„Ins Zillertal, nach Hintertux." Max wirft mir kurz einen Blick zu eher er sich wieder voll und ganz der Straße widmet. Wofür ich ihm echt dankbar bin. Erstens traue ich seinem Fahrstil nicht. Zweitens traue ich dem Auto nicht und drittens weiß ich nicht, ob hier irgendwelches Wild lebt, dass sich vielleicht kurzzeitig dazu entschließt aus dem Wald zu springen.

„Aha",murmle ich und schaue aus dem Fenster. Österreich also. Na super. Ist ja nicht so als wären wir da schon tausend mal gewesen. Besonders Hintertux ist wirklich nichts Neues mehr. Früher, vor dem Unfall, sind wird dorthin immer Skifahren gegangen. Aber ich den letzten drei Jahren ist das ausgefallen. Und es wird wahrscheinlich auch die nächsten Jahre ausfallen. Für mich sogar für immer.

„Das wird toll!",versucht mich Jan mit seinem Elan an zu stecken. Aber alles was er dadurch erreicht, ist ein Blick von mir einzufangen, der so viel sagen soll, wie: Übertreib nicht! Daraufhin seufzt er und lässt sich zurück in den Sitz fallen.
„Und wo übernachten wir?", wenn der innere Schweinehund schon mal überwunden ist, dann kann ich auch die anderen Fragen stellen, die in meinem Kopf schon die ganze Zeit schwirren.

„Im Zelt...",sagt Max, als wäre es nichts. Im Zelt? Wie sehe ich denn bitte aus? „Im Zelt?!" Ich erwarte schon fast wieder Jan's nervige Stimme die schreit: Das wird toll! Aber er hält sich zurück. „Ja genau ein Zelt, du weißt schon dieses dreieckige Teil, dass dich schützt vor regen..." „Ich weiß was ein Zelt ist, du Idiot!" „Warum fragst du dann?"
Sag mal wie blöd muss man eigentlich sein?! Genervt verdrehe ich die Augen und wende mich von den beiden ab. Solche Idioten! Wie zur Hölle soll ich das mit denen einen Monat aushalten?

„Hast du was zur trinken mit?",fragt Jan Max. „Nein, Jan, ich hab kein Alkohol gekauft." Noch schlimmer! Ohne Alkohol wird das ja überhaupt nichts! Ich kann mir also den Rollitrip nicht mal schön trinken. So eine Scheiße aber auch! „Hast du denn deinen Ausweis dabei?" „Ja, wieso?", fragt Max gereizt. „Mein Gott, tust du eigentlich nur so oder bist du so blöd, Max?! Natürlich, damit du uns welchen kaufen kannst!" „Und wofür soll ich da meinen Ausweis brauchen?" „Weil du aussiehst wie ein Milchbubi!", erwidere ich. Max ist zwar mit seinen 1,98 ein Riese, aber er war auch schon mit zwölf  1,75 groß. Und auch wenn sein Körper unglaublich groß ist, ist sein Gesicht irgendwie beim Alter von zehn Jahren hängen geblieben. Was echt unglaublich lustig aussieht. Außerdem trägt sein schlaksiger Körper auch nicht wirklich dazu bei, dass er erwachsener aussieht.

Es ist einen Moment still im Auto und ich stelle belustigt fest, wie Max immer wieder versucht unauffällig in den Spiegel schaut. Dann murmelt er: „Stimmt doch gar nicht..." Ich kann nicht anders als belustigt zu schnauben. Jede Hoffnung verloren!

Wir biegen endlich ab und verlassen die endlos lange erscheinende Straße. Am Horizont sehe ich die ersten Berge in denen dicke Wolken hängen. Wie passend, zu meiner Stimmung. Alles für den Arsch! Wie können die Zwei, und sogar ich für kurze Zeit, erwarten haben, dass dieser Roadtrip gut wird?!

„Ich hab jetzt aber keinen Schlafsack mitgenommen...",stelle ich fest. Das haben sie davon, wenn sie mich so im Dunkeln gelassen haben.
„Deine Mutter hat uns einen mitgegeben." Klever! Sie wussten ganz genau, dass ich nicht mitgefahren wäre, wenn ich gewusst hätte, dass wir Zelten gehen. Ich will gar nicht wissen, was sie mit meiner Mutter sonst noch alles geklärt haben, ohne, dass ich zugesagt habe. Wahrscheinlich haben sie noch meine alten Skisachen eingepackt. Was sehr unlogisch wäre, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass dort noch Schnee liegt und außerdem kann ich eh nicht fahren. Aber das sollte bereits bekannt sein.
Plötzlich werde ich wieder wütend. Meine Mutter! Die Zwei wie sie mir in den Rücke fallen. Ich verfalle wieder zurück zum bockigem Kind. Wieso habe ich noch mal meinen inneren Schweinehund überwunden?
Ach ja richtig, weil ich neugierig war.
Was fällt ihnen eigentlich ein, mir in den Rücken zu fallen? Ihrem Freund? Ihrem querschnittsgelähmten Freund!
Plötzlich beginnt Jan mit vollem Elan mit zu singen. Nein! Bitte, das darf nicht war sein. Ich bekomme noch einen zu viel. Es wäre vielleicht etwas anderes wenn Jan singen könnte und es nicht unbedingt Hulapalu wäre, welches er lautstark mitsingt. Ich hasse Schlager!
Und es wird noch schlimmer als auch Max mit einstimmt. Nein! Bitte hört auf zu singen! Ich bekomme ja noch Ohrenkrebs.
„Und jetzt du Luis!",schreit mir Jan mit einem Elan zu, der kaum vorzutäuschen ist. Wie sehe ich denn bitte aus? Als ob ich hier anfange zu singen?! Das Radio knackst noch mehr, als Max es lauter dreht. Hilfe!