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Sie stieß das Glas mit den Spenden um. So lernte ich sie kennen. Die unbekannte Frau, die jeden Abend um 21 Uhr in mein 24h-Café kommt und stets dasselbe bestellt.

»Das tut mir so furchtbar leid!«, hatte sie gesagt und geholfen, das gesamte Kleingeld aufzuheben.

Ich war mit ihr am Boden herumgekrochen, hatte sie gebeten aufzustehen und sorgte letztlich dafür, dass wir Kopf an Kopf gegeneinander stießen. Mit roten Wangen hatte ich mich aufgerichtet und sie das erste Mal richtig angesehen. So, wie ich sonst keinen Kunden ansah.

Coffeetogo, wie ich sie seither in meinem Kopf nannte, besaß blaugraue Sturmaugen mit einem braunen Ring um die Pupille herum. Ihre Haare versteckte sie wegen des Schneesturms draußen unter einer gelben Wollmütze und die blonde Strähne, die hervorlugte, kringelte sich nass. Ihre Nasenspitze glänzte und ihr Mund war zu einem Lächeln verzogen.

»Nicht viel los heute, was?«

Ich hatte Stunden, Jahre, Monate, Sekunden gebraucht, um zu antworten. Mein Hirn war zu sehr damit beschäftigt mit diesem wunderschönen Geschöpf vor mir umzugehen. Zu verarbeiten, was ich sah.

»Schneesturm«, brachte ich hervor. Langsam. Mit gesenktem Blick. »Wollen Sie bestellen?«

Einen Kaffee zum Mitnehmen.
Einen Vanille-Cupcake mit einer Kirsche oben drauf.
Ja, beides zum Mitnehmen, ja.

Doch sie nahm es nicht mit. Sie zog ihren schwarzen Wintermantel aus, rieb die bläulichen Hände aneinander und setzte sich an einen der vierzehn freien Tische in meinem Geschäft.

Direkt an die Fensterfront.

Wo ich sie beobachten konnte.

Stunde um Stunde. Bis es weit nach Mitternacht war und sie mit einem letzten, schüchternen Lächeln mein Café verließ.

Everyday at 9PMWhere stories live. Discover now