1| RO LL 00

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„Ein Roadtrip? Wirklich?"

„Ja, einen Roadtrip! Unser Roadtrip!"

„Dir ist aber schon bewusst, dass ich im Rollstuhl sitze?" Zum Beweis klopfe ich auf das Metallgestell. „Daran lässt sich nicht irgendwie was dran rütteln, nur weil es unser Roadtrip ist!"

Abwartend schaue ich zu dem schwarzhaarigen Jungen auf. Schlau war er ja noch nie, aber das ist wirklich die beschissenste Idee, die er jemals gehabt hatte.
„Ich weiß...ich weiß du stellst dir das alles schwierig vor aber-" „Nein stopp! Ich stelle mir das nicht schwierig vor. Ich weiß das es schwierig ist! Du stellst dir das alles nur zu einfach vor..."

„Luis, das wird toll! Vertrau mir einfach. Jan und ich haben alles voll und ganz geplant. Da bleibt überhaupt kein Platz zum schief laufen." Max lässt sich erschöpft gegen die Wand fallen. Seit gut einer Stunde schon versucht er mich zu diesem dämlichen Roadtrip zu überreden. „Was spricht denn dagegen, es überhaupt mal zu versuchen?"

Unüberlegt öffne ich den Mund, schließen aber wieder weil mir keine Ausrede mehr einfällt. Noch mal zu behaupten, dass dieser Roadtrip nur in die Hose gehen kann, wäre albern, weil ich das Max schon oft genug in der letzten Stunde gesagt habe. Genauso oft, wie ich betont habe, dass ich im Rollstuhl sitze und das es deshalb noch beschissener laufen wird.

„Außerdem, was ist mit dem Versprechen das wir uns vor drei Jahren gegeben haben?"
Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Wenn wir achtzehn sind, machen wir einen Roadtrip. Egal was zwischen unserer Freundschaft stehen mag! Das blöde ist, dass diese äußerst clevere Idee auch noch von mir selbst stammt. Aber vor drei Jahren saß ich auch noch nicht im Rollstuhl. Vor drei Jahren ist die Welt noch in Ordnung gewesen.

Finster blicke ich zu ihm hinauf und er beginnt zu grinsen, weil er weiß, dass er gewonnen hat. „Yes!",freut er sich.

„Also gut, dann will ich dich nicht länger stören. Meine Aufgabe ist erledigt. Pack deine Sachen! Morgen geht's los!" Morgen? „Morgen?!"
Bereits auf dem Weg Richtung Haustür, dreht er sich noch mal um und wackelt verführerisch mit den Augen brauen. „Ach und vergesse bitte nicht Badsachen einzupacken." Er zwinkert mir noch einmal kurz zu ehe er mir den Rücken zu wendet und dann im Flur verschwindet.

Alleine sitze ich in meine Rollstuhl im Wohnzimmer und starre Max hinterher. Er ist seit kurzem erst achtzehn. Was ihn und Jan wahrscheinlich dazu gebracht hat diese irrsinnige Idee von vor drei Jahren wieder hervorzukramen. Für mich war die Sachen nach meinem Unfall abgehackt. Und ich hätte nicht gedacht, dass die beide sich damit noch einmal beschädigen würden.
Mit einem alten PickUp wollen sie durch die Gegend tuckern. Den Wagen hat Max von seinem Vater zum achtzehnten geschenkt bekommen. Was mich jedoch wundert ist, dass der Wagen überhaupt noch fährt. Der sieht nämlich so aus als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Wahrscheinlich hat Max Vater ihn vom Schrottplatz geklaut, bei dem kann man sich da nie so sicher sein.
Das Peinlichste an der ganzen Sache ist aber wahrscheinlich die Tatsachen, dass Max den Wagen Rollo genannt hat. Deswegen steht auf seinen Nummernschild auch RO LL 00. Wir werden also einen Roadtrip mit einem Auto machen, dass jeden Moment auseinander fällt und auf den Namen Rollo hört. Zu dem fährt ein Rolli, ein Ginger und ein Riese mit. Wunderbare Voraussetzungen.

„Und? Fährst du mit?" Erschreckt zucke ich zusammen. Heilige Maria und Joseph. Meine Mutter steht vor mir mit einem Wäschekorb in den Händen und sieht mich neugierig an. Verwundert stelle ich fest, dass ich nicht mehr im Wohnzimmer mich befinde, sondern im Flur vor meinem Zimmer stehe.
„Mhm...sieht ganz danach aus." Schon eine ganze Weile möchte meine Mutter, dass ich mal wieder mehr unter Leute komme. Das muss für sie ja jetzt wie ein Wunder wirken, dass ihr Sohn das Haus mal, mehr oder weniger, freiwillig verlässt.
Sie lächelt mich zufrieden an. „Das freut mich...Ich glaube das wird gut. Jan und Max scheinen sich ordentlich Mühe gemacht zu haben."
„Schon möglich...",brumme ich. Mein Gott, für die ist das ja echt wie ein Weltwunder.

„Luis, bitte. Tu wenigstens so, als würdest du dich freuen. Es ist schließlich nicht selbstverständlich, dass sie sich so um dich sorgen."

„Ich hab sie darum ja auch nicht gebeten."

Sie sieht mich kurz schweigend an. „Wenn du das Ganze nicht für dich machst, dann mach es doch wenigstens für sie. Damit du deine Freunde glücklich machst..." Tja, die Frage ist wohl, ob die zwei überhaupt noch meine Freunde sind.

„Ich...ich versuch's",gebe ich mich geschlagen. Zum einen weil es meine Mutter glücklich macht, zum anderen weil ich keine Lust mehr auf noch längere Diskussionen habe. Zufrieden lächelt sie mich an. „Danke...", sie will sich gerade umdrehen, da fällt mir noch etwas ein. „Du Mum...ähm meinst du, mir passen Mike's Badehosen?" Einen Moment sieht sie mich verwirrt an. Dann scheint ihr ein Licht aufzugehen und sie grinst. „Ich bezweifle zwar, dass deinem Bruder das gefallen wird, aber ich denke, sie müssten dir passen..." „Solange er das bis morgen nicht mitbekommt, ist es mir egal, ob es ihm gefällt oder nicht." Mein großer Bruder kann manchmal echt unangenehm werden, wenn man einfach seine Sachen nimmt. Er ist wahrscheinlich auch der einzige in der gesamten Familie, dem meine Einschränkung am Arsch vorbei geht. Er nutzt das sogar gerne mal aus. Zum Beispiel wenn wir einkaufen gehen: dann stellt er sich immer auf den Behindertenparkplatz um nicht soweit laufen zu müssen. Aber anders behandeln tut er mich nicht. Was ich ehrlich gesagt gar nicht so schlimm finde. Denn es gibt mir dann doch das Gefühl etwas normal erwachsen zu werden. Zu mindestens so lange bis er irgendetwas, was er mir wegnimmt auf ein Regal stellt, wo ich nicht rankomme. Dann verfluche ich ihn. Aber so ist das halt, wenn man der kleinere unter Geschwistern ist.

„Ich such dir eine Badehose raus und du fängst schon mal anzupacken, wie wäre das?" „Mum! Ich bin kein kleines Kind mehr!" „Für mich wirst du immer mein kleiner Junge bleiben...",sie stellt lächelnd den Korb ab und verwuschelt mir bei vorbeilaufen die Haare. Dann drückt sie mir einen Kuss auf den Scheitel und geht summend in das Zimmer meines Bruders. Seufzend verdrehe ich die Augen. Mütter!

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