II

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Mein Gesicht hatte ich in meinen Händen verborgen, meine Ohren wurden von Musik vollgeballert.
Es ist wirklich überall das gleiche. Warum hab ich mir überhaupt Hoffnung gemacht?
Glücklicherweise hatte ich in irgendeiner Ecke des Schulhofes eine abgelegene Bank im Schatten eines Baumes gefunden.
Als ich meinen Kopf irgendwann hob um tief Luft zu holen, standen Ash und Gary unter dem Baum und schienen zu diskutieren. Ich stoppte die Musik und unterbrach ihr Gespräch mit einem finsteren »Was ist?«
Beide schauten auf. Gary fing an zu sprechen. »Hör mal, wenn dich das verletzt hat versteh ich das total. Aber so war dich nicht gemeint.«
Seine Stimme klang ehrlich. Tief durchatmen., Erwin. Ich setzte mich aufrecht hin, als Zeichen, dass er fortfahren sollte.
Gary schien zu verstehen: »Ich wusste nicht, dass du so eine Vergangenheit hattest. Das mit deinen ehemaligen Mitschülern, meine ich.«
Stimmt, das wusste er nicht.
»Deswegen waren meine Worte für dich bestimmt ziemlich hart«, fuhr er fort.
Ich nickte zustimmend.
»Deswegen würden wir gerne eine Art Wiedergutmachung leisten.«
Was meint er denn jetzt damit? Ich legte meinen Kopf schief, schwieg jedoch weiter.
»Wie gut kennst du dich bereits auf dem Schulgelände aus?«, wollte er wissen.
Ich verzog das Gesicht. »Nicht gut«, antwortete ich ehrlich.
Gary nickte. »Wie wär's, wenn wir dich dann herumführen?«
Das klingt tatsächlich nützlich...
»Okay«, antwortete ich. »Nur nicht jetzt. Erstmal brauch ich ein wenig Zeit für mich. «
Gary sah für einen kurzen Moment so aus, als wüsste er nicht, wie er darauf reagieren sollte. Dann fing er sich wieder. »Klar. Verständlich... Dann in der Mittagspause?«
Ich nickte.
»Wo hast du jetzt? Dann kann ich dir schonmal sagen, wo du hinmusst.«
Ich überlegte kurz. »Erst im Raum 215, dann in 1.3.«
»215 ist genau da, wo unser Klassenraum ist, nur eine Etage höher. Raum 1.3 ist in dem Gebäude dahinte.« Er deutete über die Grünflächen des Gymnasiums auf ein neueres Gebäude. »Durch den Haupteingang und dann die zweite Tür links.«
»Danke.«
»Wir«, er warf Ash einen Blick zu, »holen dich dann dort ab.«
Ich nickte zum Zeichen meines Verstehens. Dann drehte sich Gary um und ging. Dicht gefolgt von Ash.
»War das jetzt so schwer?«, flüsterte er.
»Du hast doch keine Ahnung.«, antwortete Gary.
Schmunzelnd sah ich den beiden nach. Dann setzte ich meine Musikwiedergabe fort.
Als es dann zum Pausenende klingelte, hätte ich vielleicht doch etwas essen sollen. Naja, jetzt ist eh zu spät.
Also bewegte ich mich leeren Magens zum Raum 215.
Die Tür stand bereits offen, als ich dort ankam. Es saßen auch schon einige Schüler darin. Der Raum war dekoriert mit Karten und Plakaten über Limusa. Ich setzte mich an den vorletzten Tisch in der Fensterreihe.
Während ich meine Unterlagen auspackte, fragte mich jemand, ob neben mir noch frei war.
Als ich aufschaute stand Leaf vor mir. Sie trug eine weiße Bluse und einen roten Rock, inklusive weißer Kniestrümpfe.
Ich schaute mich im Raum um. Dieser hatte sich schlagartig gefüllt.
»Klar!«, antwortete ich auf ihre Frage.
Sie atmete erleichtert auf und bedankte sich.
Ihr Duft stieg mir in die Nase, als sie sich setzte. Sie roch nach einem friedlichen Wald nach einem Regenschauer. Der Duft weckte in mir ein wirklich friedliches Gefühl.
Wie passend das doch war, fiel mir dann auch auf, was mich schmunzeln ließ.
»Ist was?«, fragte sie misstrauisch.
Ich schaute sie an und lächelte. »Dein Parfum passt zu deinem Namen,« antwortete ich ehrlich.
Sie machte große Augen. »Danke? Glaub ich...«
»Ja, riecht wirklich gut.«
Jetzt wurde sie auch leicht rot. »Gary war vorhin ein wirkliches Arschloch, was?«
»Hä?« Das war ein verdammt schneller Themenwechsel. »Das mit Gary hat sich eigentlich schon geklärt.«
»Achso?«
»Ja, er liegt tot im Schulhof«, antwortete ich, ohne eine Miene zu verziehen.
»Brauchst du Hilfe beim Vergraben?«
Ungläubig starrte ich sie an. Hatte sie meinen schwarzen Humor gerade erwidert? »Kennst du denn einen guten Ort?«, spielte ich das Spiel weiter.
»Klar! In einem Wald, außerhalb der Stadt.«
»Erinnere mich daran, nie mit dir in diesen Wald zu gehen.« Ich grinste.
»Och menno.« Leaf schmollte, doch ich erkannte, dass es nur gespielt war.
»Ich hätte nicht gedacht, hier jemanden mit dem gleichen schwarzen Humor zu finden«, sprach ich ehrlich.
»Tja, ich bin halt außergewöhnlich.« Sie setzte sich aufrecht hin, warf ihre Haare und versuchte majestätisch zu wirken. Daraufhin musste ich kurz lachen.
»So, jetzt aber mal Spaß beiseite! Was ist wirklich mit Gary passiert?« Jetzt war sie schlagartig ernst geworden.
Sie ist wirklich gut in diesen Themenwechseln. »Er hat sich in der Pause bei mir entschuldigt. Ash und er führen mich in der nächsten Pause herum und wollen mir alles zeigen.«
Leaf sah mich leicht verwirrt an. »Das klingt erstaunlich rücksichtsvoll von ihm.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Klang am Ende auch so, als ob Ash ihn dazu gedrängt hat.«
Jetzt nickte sie. »Das erklärt so einiges.«
So gerne ich mich noch weiter mit Leaf unterhalten hätte, leider begann da auch schon die Stunde. Ich seufzte. Das wird ja nicht die letzte Gelegenheit sein, tröstete ich mich.
Und wie das nun mal so war, bestand der Inhalt dieser Stunde in einem Kennlernspiel.
Nachdem ich also mit jedem Schüler aus diesem Kurs gesprochen hatte, was daraus bestand, dass wir uns kurz vorstellten und irgendeinen zufälligen Fakt aus unserem Leben preisgaben, war die Stunde auch schon wieder vorbei.
»Wo hast du als nächstes?«, wollte Leaf von mir wissen, als ich zusammenpackte.
»Raum 1.3. Im Nebengebäude.«
»Soll ich dich hinbringen? Ich hab auch im Nebengebäude.«
»Gerne.« Das Angebot lehn ich doch nicht ab! »Ich kenn den Weg zwar schon, aber gegen eine angenehme Begleitung hab ich nichts einzuwenden.« Ich grinste.
»Dann sei kein Lahmus, sondern schwing die Hufe. Wir haben nur fünf Minuten für den Raumwechsel.«
Ich schloss zu ihr auf und wir gingen schnellen Schrittes unseren Weg.
»Was ist das eigentlich zwischen Gary und Ash?«, wollte ich wissen.
»Die kennen sich seit dem Kindergarten und versuchen einander seit ich sie kenne zu übertrumpfen.«
»Die verhalten sich aber nicht wie normale Rivalen«, merkte ich an.
»Ach, so genau würde ich das auch nicht nehmen.«
»Wenn du meinst.«
»Gehst du nach dem letzten Block eigentlich noch zum Pokémon-Garten?«
»Ja. Ich glaube, dass ist die beste Möglichkeit, die ich habe um ein Pokémon zu fangen.«
»Da hast du recht. Als Anfänger in Sachen Training und Fangen von Pokémon sind die freundlichen Pokémon im Pokémon-Garten für dich tatsächlich die beste Wahl.«
Ich nickte.
»Falls du Fragen hast kannst du dich jederzeit gerne an mich wenden.«, bot sie an.
»Dankeschön.«
»Das gilt sowohl für den Unterricht, als auch für Pokémon.«
Ich lächelte sie dankbar an.
»Achso«, sagte Leaf, »dafür wäre die hier bestimmt nützlich.«
Sie griff in die Seitentasche ihres Rucksack, holte ihr Portemonnaie hervor um mir eine kleine Karte daraus zu überreichen.
»Eine Visitenkarte?«, lachte ich.
Sie schaute mich mit einem selbstgefälligen Gesichtsausdruck an. »Ich bin halt auf alles vorbereitet.«
Oben auf der Papierkarte stand ihr Name, darunter ihre Anschrift, in der nächsten Zeile ihre Telefonnummer und danach kam ihre E-Mail-Adresse. In der rechten unteren Ecke war das Abbild eines fröhlich lächelnden Bisasams.
»Weißt du, dass ist die erste Nummer, die ich von einem Mädchen erhalte.« Wieder grinste ich sie an, wieder wurde Leaf leicht rot.
»Ich merk auch warum.« Sie seufzte.
»Ey!« Ich musste lachen, während sie kicherte.
»So, da wären wir: Raum 1.3«, sagte Leaf schließlich.
»Danke für die Begleitung und das angenehme Gespräch.«, sagte ich ehrlich.
»Wir hatten den gleichen Weg. War also nichts dabei.« Leaf zuckte mit den Schultern.
Ja, für dich vielleicht.
»Dann bis später«, verabschiedete ich mich.
»Ja. Man sieht sich.« Sie verschwand in der Tür gegenüber, während ich den Raum betrat, in dem ich Musik haben würde.
Auch in dieser Stunde stellte sich der gesamte Kurs wieder einander vor. Dazu sollten wir nicht nur uns vorstellen, sondern auch die Musik, die wir hörten. Erstaunlicher Weise konnte sogar eine Person etwas mit meiner Musik anfangen. Ihr Name war Mary.
Um unseren Musikgeschmack dann nochmal zu verdeutlichen erhielten wir die Hausaufgabe zu Freitag eines unserer momentanen Lieblingslieder vorzustellen. Damit war jedoch einzig gemeint, dass wir der Lehrerin den Titel und Interpreten sagen und sie den Song dann über Spotify abspielt. Prinzipiell hatte das also bis Freitag noch Zeit und je nachdem welches Lied ich dann am meisten hören wollte, für dieses entschied ich mich dann.
Als die Stunde dann zu Ende war, ließ ich mir Zeit beim Einpacken. Gary und Ash wollten mich ja schließlich abholen. Dies hatte zur Folge, dass sie tatsächlich schon hier waren, als ich den Raum verlies.
Die beiden erklärten mir, dass sich gegenüber der Musikräume die Räume für die verschiedenen Naturwissenschaften befanden. Im Stockwerk darüber befand sich die Aula. Dort wurden unterschiedliche Veranstaltungen, Prüfungen und Vorträge abgehalten.
Auch Pokékunde fand dort statt, erklärte mir Ash.
Dann gingen wir die Außenanlagen durch. Sie zeigten mir die Außenbühne, welche bei gutem Wetter den Zweck der Aula erfüllte, das Sportareal mit Kampffeld, auf welchem gerade tatsächlich gekämpft wurde, den Pokémon-Garten und das Stadion. »Hier trifft sich jeden Dienstag und Donnerstag das Kampf-Team«, klärte Gary mich auf.
»Vielleicht wär das ja was für dich?«, wollte Ash wissen.
Ich schüttelte belustigt den Kopf. »Ich hab noch nie ein Pokémon trainiert. Da gleich ins Kampf-Team von dieser Schule ist ziemlich unrealistisch.«
»Man kann nie wissen.«, Gary zuckte mit den Schulten, »Vielleicht bist du ja ein Naturtalent.«
»Gary und ich sind im Übrigen auch im Kampf-Team«, erzählte Ash stolz.
Dann gingen wir weiter zur Mensa. Dort roch es nach leckerem Essen. Und das Beste war, für die Schüler war es völlig kostenlos.
Danach erklärten sie mir den Aufbau des Hauptgebäudes. Im Erdgeschoss befand sich die Schulleitung, das Sekretariat, das Lehrerzimmer und mehrere Lagerräume. Sogar ein eigenes Poké-Center gab es.
Im 1. OG waren im rechten Flügel die Kunsträume, im linken Flügel die Räume für die Sprachen.
Geschichte und Astronomie waren im rechten Flügel des 2. OGs. Mathematik und Informatik waren im linken.
Es gab noch ein viertes Geschoss, aber da war so gut wie nie jemand oben, also wusste auch niemand, was da war.
Den Rest der Mittagspause verbrachten wir dann in der Mensa und ich fragte die beiden über die Schule aus.
Die restlichen beiden Stunden liefen so ab, wie die vorherigen. Mit Vorstellungsspielen.
Und dann ging es für mich auch schon zum Pokémon-Garten.

»Sind jetzt alle da?«, fragte Frau Schmidt.
Zustimmendes Gemurmel machte sich unter uns wartenden breit.
Mit mir standen vor dem Pokémon-Garten noch Lucia, Serena, sowie vier andere Schüler aus dem Kunst-LK. Ich stand etwas abseits der anderen.
»Dann können wir ja rein gehen.« Frau Schmidt öffnete die Tür zu der Kuppel auf unserem Schulgelände. »Denkt dran, seid nett zu den Pokémon. Sie sind aus freien Stücken hier, weil sie uns vertrauen.«
Wie kommt das denn?
Wir betraten den Garten.
Es war warm unter dieser Glas-Kuppel, aber es roch auch angenehm nach Natur. Das machte es um einiges erträglicher.
Dieser Pokémon-Garten war riesig. Ich erkannte Wiesen, Wälder, Sandbecken und Wasser hörte ich auch irgendwo plätschern. Die Spuren von Pokémon waren ebenfalls zu erkennen.
»Ich erwarte von niemandem, dass ihr hier heute schon mit eurem Partner herausspaziert. So etwas braucht Zeit. Wartet nur nicht zu lang damit.« Mit diesen abschließenden Worten entließ uns Frau Schmidt in den Pokémon-Garten.
Sofort trennte sich die Gruppe von uns Schülern.
Ich schaute mich nachdenklich um. Ich weiß nicht mal, welches Pokémon ich als meinen Partner haben möchte. Was gibt es hier überhaupt für Pokémon? Planlos ging ich einfach drauf los.
Meine Schritte führten mich über die Grasflächen bis in den Wald. Dabei wurde das Geräusch des Wassers immer lauter.
Irgendwann gelang ich dann auf eine Lichtung. Noch bevor ich mich umsehen konnte, trag mich ein Wasserstrahl im Gesicht.
Ich schrie überrascht auf und wischte mein Gesicht so gut es ging trocken. Als ich meine Augen dann öffnete, starrte mich eine Gruppe Froxy an. Ich schätzte ihre Anzahl auf zehn.
Dann wurde ich wohl von einer Aquaknarre getroffen.
Ich drehte mich um und die Bäume hinter mir waren alle mit Wasser bespritzt. »Da bin ich wohl mitten in euer Training geplatzt, was?«, wandte ich mich wieder an die Froxy.
... Welche sich unterdessen wieder ihrem Training zugewandt hatten, wie ich bemerkte.
Die wollen wohl eher unter sich sein.
Ich wollte schon weitergehen, als ich ein weiteres Froxy bemerkte. Es saß abseits der anderen auf einem Stein in der Sonne. Der Stein - oder eher Fels - ragte aus einem Teich, welcher von einem Wasserfall gespeist wurde.
Unentwegt starrte es mich aus seinen großen Augen an. Neugierig blickte ich zurück und runzelte die Stirn. Es sieht anders aus, als die anderen Froxy. Irgendwie... ist sein Blau heller.
Doch auch dieses Froxy wandte sich irgendwann ab.
Schade. Ein Froxy wäre wirklich cool gewesen.
Dann ging ich weiter, zurück in den Wald.
Nach einiger Zeit kam mir dann Serena entgegen.
»Du bist ja ganz nass«, bemerkte sie kichernd.
Ich schnaufte. »Sag bloß.«
»Wie ist das passiert?«
»Ich hab eine Gruppe Froxy beim Trainieren gestört und bin geradewegs in eine Aquaknarre gelaufen.«
Sie schaute mich besorgt an. »Ohje. Ist alles okay bei dir?«
»Klar«, winkte ich ab. »Es war eine gute Abkühlung bei diesen Temperaturen. Außerdem trocknet das ja schnell wieder.«
»Wie auch immer.«, Serena seufzte, »Jedes Pokémon, dass ich gesehen habe hat reißaus vor mir genommen.«
»Das waren nicht zufällig Reißlaus?«, versuchte ich die Stimmung aufzulockern, doch Serena schaute mich daraufhin nur verwirrt an.
»Reißlaus. Das Pokémon.«, erklärte ich und zeigte ihr ein Bild auf meinem Smart-Rotom.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das waren keine Reißlaus.«
»Hätt' ja sein können. Weißt du, wegen-«
»Jaja, ich hab's verstanden.« Sie seufzte, ich grinste. »Wie dem auch sei. Ich geh jetzt nach Hause und versuche es morgen nochmal.«
»Alles klar. Bis morgen.«
»Ja, bis morgen.«, verabschiedeten wir uns voneinander und sie lief an mir vorbei.
Vielleicht sollte ich nach Hause gehen..., überlegte ich und dann kam mir eine Idee.

~~Pokémon FF~~Where stories live. Discover now