Kapitel 2

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Ohhh..ich bin wirklich spät dran...
Die Straße in der das große Haus gestanden hatte war überfüllt. An jeder Seite standen Fahrzeuge und Menschentrauben vor den Absperrbändern die durch den aufkommenden Wind flatterten, wie die Asche und das Feuer während des Brandes, vom Wind zu ungeahnten Höhen angestachelt.
Die davorstehenden Beamten hatten alle Hände voll zu tun, denn jeder wollte, von Sensationsgier getrieben, so nah wie möglich am Geschehen sein.
Warum fasziniert es uns zu sehen, wie andere leiden?
Ich stellte mein Auto fast ganz am Anfang der Sackgasse ab, die anderen freien Plätze waren schließlich schon an Polizei- und Feuerwehrwagen vergeben.
Steht da etwas ein Leichenwagen rechts neben dem, was vorher eine Veranda gewesen sein könnte? Also gibt es den Leichnam noch! Er ist nicht komplett verbrannt! Naja...eigentlich kein Grund zur Freude, aber jetzt würde ich mich sogar über Platzregen oder das Gewitter des Jahrhunderts freuen. Dadurch würden dann wenigstens die ganzen Gaffer verschwinden...
Meine Augen, noch immer in die Ferne gerichtet nahmen den Schatten am Fenster gar nicht wahr. Als es plötzlich an der Scheibe neben mir klopfte erschrak ich somit umsomehr und meiner Kehle entwich ein krächtzender Laut, wie der einer sich in die Luft erhebenden Krähe.
Schwer atmend und meinen Gegenüber verfluchtend drehte ich mich langsam um, nur um in das von Marcus', von Schadenfreude erhelltes, Gesicht zu gucken. Mein Kopf fiel beschämt auf das Lenkrad. "Was war das denn für ein Geräusch? Sowas hab ich ja noch nie gehört? Was war das? Ein Vogel?" Dieser Mistkerl.
"Lach nicht so dreckig, du Schuft weißt ganz genau wie leicht man mich erschrecken kann. Und jetzt beweg deinen Arsch von der Tür weg oder du hast sie gleich im Bauch!", versuchte ich energisch zu sagen, was jedoch nicht ganz so klappte wie ich es mir erhofft hatte. Trotzdem schien es zu funktionieren, er machte ein paar Schritte nach hinten und wartete geduldig darauf, dass ich endlich ausstieg. Ich zog den Schlüssel raus, schnappte mir meine Tasche vom Beifahrersitz und versuchte mich ganz ladylike aus dem Auto zu schwingen. Jedoch schien das nicht geklappt zu haben, denn Marcus' Gesichtszüge spannten sich sehr verdächtig an und Tränen glitzerten in seinen Augen. Wenigstens verkneift er sich sein Lachen diesmal...
"Einen Versuch war es wert, aber egal. Jetzt kläre mich endlich auf! Was ist passiert?" Er schien sich wieder gefangen zu haben und so fing er an zu berichten, während wir der aufgebrachten Masse entgegenliefen.
"Das Haus stand seit zwei Jahren leer. Vor einer Woche hat dann ein gewisser Mike Nilson es gekauft. Ich hab Fotos gesehen und muss echt sagen, dass es ein Prachtbau war, renovierungsbedürftig auf jeden Fall, aber es würde sich lohnen." "Du schweifst ab mein Lieber...", warf ich grinsend ein. "Was? Ach so, ja. Ich meinte ja nur...heute morgen um 05:32 Uhr hat der Nachbar aus der Nummer 17", er streckte seinen Arm aus und zeigte auf ein rotes Backsteinhaus auf der rechten Seite, fast neben der Ruine, "die Feuerwehr gerufen, der Dachstuhl stand in Flammen. Als die Feuerwehr kurz danach eintraf hatte sich das Feuer bereits im ganzen Haus verteilt. Ich war gerade schon drinnen und ich sag nur: Brandbeschleuniger."
Ganz auf seinen Bericht konzentriert merkte ich gar nicht wie nah wir dem Haus in der Zwischenzeit gekommen waren.
Na toll...jetzt kommt der spaßige Teil, in dem wir uns durch die Masse kämpfen müssen.
Mit diesem Gedanken und in Marcus' Reichweite bleibend wurde ich in die Menschentraube gezogen. Wobei man eher gedrückt und weggeschoben wurde. Jeder wollte so nah wie möglich am Geschehen sein. Laute Schreie und Fragen drangen in meine Ohren, meine Nase roch alle möglichen Körpergerüche, einige davon waren nicht wirklich angenehm. "HEY NICHT VORDRÄNGELN! ICH STEH HIER SCHON LÄNGER ALS SIE!", kam eine sehr verärgerte und so hohe Stimme von vorne, dass es schon fast in den Ohren schmerzte. "Ich sage es Ihnen NICHT NOCH EINMAL! SIE UND IHRE SENSATIONSGIER BEHINDERN DIE POLIZEIARBEIT!!!! ICH MUSS ARBEITEN VERDAMMT UND JETZT BEWEGEN SIE IHREN ARSCH ODER ICH LASSE SIE VON HIER ENTFERNEN!!", diese Schimpftirade kam von niemand geringerem als meinem sehr wütendem Partner. Daraufhin griff mich auch schon eine starke Hand an meinem linken Oberarm und zerrte mich nach vorne. Dankbar schaute ich Marcus an, doch der bemerkte es gar nicht. Er war viel zu beschäftigt damit die Frau böse anzufunkeln.
So standen wir endlich vor den Absperrbändern, wo uns ein grinsender Polizist bereits erwartete. "Sie haben es wirklich geschafft hierher zu kommen. Am Anfang war ich mir nicht so sicher, ob..." War das jetzt sein Ernst?! Mit diesem Gedanken zog ich meine Marke aus meiner Tasche und hielt sie hoch, mein Partner tat es mir gleich. "Ja, verkneifen sie sich den Rest und lassen sie uns durch." Upps...das kam ein wenig patziger raus als erwartet. "Ähm ja, entschuldigung." Er hob das Band mit einer Hand hoch, signalisierte uns, dass wir schnell darunter hindurch gehen sollen und schob mit der anderen Hand die Menschen beiseite, die auch versuchten auf die andere Seite zu kommen.
"Endlich...", hörte ich neben mir ein Flüstern, kaum lauter als der Wind, der uns um die Ohren wehte und musste grinsen. Ich machte ein paar Schritte nach vorne und guckte über meine linke Schulter, ob er mir folgt, was der Fall war. Überall liefen Polizisten, selbst ein paar Feuerwehrleute waren noch zu sehen.
Von Nahem sieht das alte Gebäude noch riesiger aus. Wie es wohl drinnen aussieht? Prompt stand eine schlanke, blonde Frau vor uns. "Hallo Linda, schön Sie wiederzusehen, auch wenn die Umstände weniger erfreulich sind. Wir sollten gleich rein gehen, der vordere Teil ist sicher, hinten sind sie noch dabei zu gucken." Ihre Stimme machte den Anschein als würde sie mich mögen, was nicht der Fall war und es beruht auf Gegenseitigkeit. "Natürlich Paula, lass uns hinein gehen.", veruchte ich betont freundlich zu sagen. Marcus ignorierte sie einfach und sie ignorierte ihn, was daran lag, dass sie eine sehr unschöne Trennung hatten. Paula ist seine Ex-Verlobte, die auf einer Fortbildung in der Schweiz vor drei Monaten ihre "wahre Liebe" gefunden hatte.
Genug in Erinnerungen geschwelgt, jetzt wird gearbeitet!
So traten wir vor die schwarze Veranda, neben der der Leichenwagen stand, zogen uns Überschuhe an und stiegen die drei Stufen hoch. Es knarrte bei jedem Schritt, doch die Dielen hielten, wie die Mordermittlerin gesagt hatte.
Die hölzerne Haustür stand offen und gab den Blick auf das dahinter liegende Foyer frei in dem weiß gekleidete Menschen, die Spurensicherung, gerade ihre Sachen wieder einpackten. Zumindest ein paar Leute sind schon mit ihrer Arbeit fertig. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, das Haus war zwar alt und heruntergekommen, aber seine Schönheit strahlte durch den Staub der sich seit Jahren gesammelt hatte und die Asche, die Überbleibsel von dem Ding das versucht hatte dies alles zu zerstören. "Die Leiche wurde im großen Wohnzimmer gefunden, sie wurde dort...Ach seht selbst...", riss mich Paula aus meinen Gedanken. Wir bogen rechts in einen langen, schmalen Flur ein, in dem früher bestimmt Bilder gehangen haben. Hier und da hing noch eine Lampe, andere waren zersplittert oder einfach abgebrochen. Auf der rechten Seite waren große Türen, fast so imposant wie die am Eingang, jedoch alle geschlossen, nur eine auf der linken war geöffnet, ganz am Ende. Wir betraten das Zimmer, es war riesig. Vor uns eröffnete sich eine ehemalige Fensterfront, durch die man in den Garten gucken konnte, er war verwildert und trotzdem war der Bach und der alte Pavillon noch gut sichtbar. Das Wohnzimmer war komplett schwarz und die meisten Einrichtungsgegenstände nicht mehr zu erkennen, die Fenster und Lampen waren zersplittert, das was mal ein Metalltisch gewesen sein könnte war geschmolzen und in einer Art Haufen auf dem Boden erstarrt.
Am erschreckensten war jedoch das, was sich auf der rechten Seite abspielte. Ein alter Heizkörper oder was davon noch übrig war hing an dem unteren Teil der Wand, schwarz gefärbt und mit Glassplittern überzogen. Doch was zudem daran befestigt war, ließ mein Blut in den Adern gefrieren.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 02, 2016 ⏰

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Schwarze Kohlen (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt