3. Wie verhext

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Mist, das ist echt perfektes Timing, denke ich und halte Erika kurz fest, bevor sie zur Tür gehen kann. „Das hier ist noch nicht geklärt."

„Ich weiß", erwidert sie sichtlich nervös und geht dann an die Gegensprechanlage.

„Hallo? Sind Sie noch da?"

Ich höre sie erleichtert ausatmen. „Es tut mir Leid, Valeria. Ich war gerade im Bad und bin nicht schneller an die Tür gekommen."

Das ist zwar gelogen, aber sie würde wohl kaum Pluspunkte sammeln, wenn sie die Wahrheit sagt. Da die Hexe Vampire offenkundig nicht leiden kann, verziehe ich mich vorsichtshalber ins Wohnzimmer. Zwar ist mir nicht wohl dabei, Erika mit ihr alleine zu lassen, aber es ist wichtiger, dass Ralfs Hinterlassenschaften möglichst schnell entfernt werden. Zum Glück sind meine Ohren gut genug, um sie trotzdem hören zu können, falls etwas sein sollte. Ich bin wirklich neugierig, was Valeria macht. Meines Wissens nach bin ich noch nie einer echten Hexe begegnet. Ich höre, wie die Wohnungstür geöffnet wird und Erika unsere Besucherin begrüßt.

„Hallo, vielen Dank, dass Sie so schnell gekommen sind. Wir wissen das wirklich zu schätzen."

„Hallo, Erika. Mir wäre es recht, wenn wir die Sache so schnell wie möglich hinter uns bringen könnten. Ich möchte nicht mehr Zeit als notwendig in Gesellschaft eines Vampirs verbringen", erwidert eine andere weibliche Stimme, die ein wenig zu hoch klingt. Anscheinend beunruhigt sie meine Anwesenheit wirklich.

„In Ordnung, auch wenn Fabian wirklich nicht schlimm ist."

„Warten Sie nur ab. Ich hätte das vor einiger Zeit auch behauptet, wurde aber schmerzhaft eines Besseren belehrt."

Diese Aussage macht mich wirklich neugierig.

„Wo ist er?", höre ich Valeria fragen.

„Im Wohnzimmer. Wir dachten, es sei besser, wenn Sie sich nicht begegnen. Harry hatte gemeint, dass Sie schlechte Erfahrungen mit Vampiren gemacht haben, aber ich wollte ihn bei mir behalten."

Überrascht registriere ich, dass sich Schritte auf das Wohnzimmer zubewegen und weiche zum Sofa zurück. Es kommt wahrscheinlich nicht gut an, wenn sie mich direkt an der Tür vorfinden. Die Tür geht auf und zusammen mit Erika betritt die Hexe das Zimmer. Einen Augenblick lang kann ich sie nur anstarren, denn die Gute ist eine eindrucksvolle Erscheinung. Sie hat lange dunkle Haare, die bis zu ihren Hüften reichen, blaue Augen, die dramatisch geschminkt sind und mich aufmerksam mustern. Ihre Lippen sind voll und ergeben ein stimmiges Gesamtbild. Gerade sind sie jedoch fest zusammengepresst. Ich würde vermuten, dass unter ihren Vorfahren Zigeuner sind, denn ihre Haut hat einen goldbraunen Teint und die ganze Art passt einfach dazu. Eine weiße Bluse bedeckt ihren Oberkörper und ein langer, wallender Rock fällt bis zu ihren Füßen in mehreren Lagen herab. Sie hat einladende Kurven und ist durchaus eine exotische Schönheit. Mich fasziniert jedoch viel mehr die starke Energie, die von ihr ausgeht.

„Ist irgendetwas passiert?", frage ich Erika.

 

Diese zuckt mit den Schultern. „Fabian, das ist Valeria. Valeria, das ist Fabian, ein guter Freund von mir und mein neuer Mitbewohner."

„Hallo Valeria, vielen Dank, dass Sie uns helfen wollen", grüße ich höflich, bleibe aber stehen, wo ich bin.

Einen Moment herrscht Stille, während mich die Hexe unter die Lupe nimmt. Ich kann verstehen, warum ein Vampir von ihr angezogen wurde, mal ganz von ihrem Aussehen abgesehen. Die Magie in ihr ist deutlich zu spüren und ein machtgieriger Vampir könnte durchaus verleitet sein, sich einen Teil davon abzuknapsen. Mein Blick fällt auf ihren Hals und ich sehe, dass sie trotz der warmen Temperaturen einen Schal trägt. Generell zeigt sie ungewöhnlich wenig Haut, wie mir bewusst wird. Das lässt nichts Gutes ahnen.

WG mit Biss - Der etwas andere Vampirroman - LESEPROBEWhere stories live. Discover now