13 - Streit in der Schwitzhütte

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Der Schweiss drang mir aus jeder Pore.

Lyra fläzte auf der oberen Liege, den Kopf auf der Nackenstütze ruhend, ein Bein angewinkelt und die Augen geschlossen. Sie lag dort, wo die Hitze und der Dampf am unerträglichsten waren.

Jeder Atemzug fiel mir schwer und ich musste den Instinkt unterdrücken, ständig husten zu wollen. Stattdessen fokussierte ich mich auf Faolans sehnigen Rücken. Ein scharfes Zischen ertönte, als er einen weiteren Schöpflöffel voll mit Wasser auf die Glutsteine kippte.

Wir waren in der Früh zur Quelle aufgebrochen, um uns für das Heissluftbad in der Schwitzhütte zu treffen. Die Therapie im Dampf sollte unsere Muskeln lockern und die ätherischen Öle, die dem Aufguss beigefügt worden waren, unseren Geist entspannen.

„Weswegen müssen wir eigentlich das Kämpfen üben?", fragte ich, als sich Faolan auf die untere Liege setzte.

Er sass mir und Lyra direkt gegenüber, nur die Glutsteine und der scharfe Dampf, der daraus waberte, lagen zwischen uns. Sein ganzer Oberkörper glänzte vom Schweiss und seine schwarzen Locken klebten ihm am Kopf. Er lehnte sich auf den Armen zurück, während ein Schatten über seine Gesichtszüge huschte.

„Es ist eine alte Tradition, die von unseren kriegerischen Zeiten stammt", erwiderte er.

Ich runzelte augenblicklich die Stirn. Lyra seufzte über mir. Sie liess ihren Arm baumeln und streifte mit den Fingerspitzen dabei meine Schulter.

„Nicht alle Mondstämme sind so freundlich wie wir", erklärte sie. „Die Eulen und die Wildkatzen sind uns friedlich gesinnt. Seit Generationen schon führen wir einen Tauschhandel mit ihnen, aber der Stamm der Bären ..." Sie machte eine Pause. Ich blinzelte zu ihr hoch und sah, wie sie an die glockenförmige Decke starrte, den Blick fern und nachdenklich.

„Mit dem Bärenvolk sind wir schon seit Längerem auf Kriegsfuss", setzte Faolan für sie fort.

Ein unangenehmer Schauder erfasste mich, trotz der Hitze. Krieg. Ich konnte mir nicht vorstellen, was es bedeuten musste, im Krieg zu stecken. Das Volk der Sonne hatte unter den Gemeinschaften, in welche es sich teilte, nie Konflikte gehabt. Der Feind war immer einer gewesen — die Dunkelheit, der Mond, Menschen wie Lyra und Faolan, aber niemals das eigene Volk.

„Schon bevor mein Vater Chief wurde, war es zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Sie betrafen vor allem die Jagdreviere unserer Wölfe", erklärte Lyra weiter. „Das Volk der Bären behauptete, dass unsere Gefährten ihren Tieren die Nahrung raubten. Sie bestanden auf die Einigung einer Grenze, nur leider liessen sich unsere Wölfe darauf nicht ein. Das Land gehörte schliesslich Luna und nicht den Menschen. So kam es, dass sie im Revier des Bärenvolkes jagten — trotz aller Warnungen." Ein weiterer, schwerer Seufzer entfuhr Lyra. „Vor zwanzig Wintern schlugen die Bärenbändiger dann mit einem grossen Angriff zu, dabei wurde ein Viertel unseres Stammes getötet. Die Angreifer hatten ihre Bären verfrüht aus dem Winterschlaf geholt und ihnen über Tage nichts zu Fressen gegeben, damit sie hungriger waren. Ich war gerade mal zwei und Lycan fünf. Unsere Mutter hat uns gerettet, indem sie sich in den hohen Ästen einer Tanne versteckte, während das Dorf zu ihren Füssen massakriert wurde."

Ich hielt vor Schreck den Atem an.

Das war eine Geschichte, die direkt aus den Albträumen des Sonnenvolkes hätte entspringen können. Von solchen Gräueltaten hatte man mir als Kind erzählt, mit dem Unterschied jedoch, dass die Opfer immer die Menschen auf der Sonnenseite gewesen waren.

„Chief Blackwoods Narbe stammt von diesem Angriff", meinte Faolan.

Er formte seine Finger zu Krallen, hielt sie sich vors Gesicht und zog sie einmal quer über die Schläfe und die Augen, um anzudeuten, wie dem Oberhaupt die Wunde zugefügt worden war. Eine wirklich grässliche Verletzung.

Im Licht des MondesWhere stories live. Discover now