Das Rekrutentraining

Start from the beginning
                                    

Als ich den Stützpunkt des Außenteams erreichte, fiel mir auf, dass ich mir dieses Gebäude noch nie genauer angesehen hatte. Was ich aber sagen konnte war, dass es im Gegensatz zu den Stützpunkten der Mauer- und Stadtwache armselig aussah. Die Mauerwache hatte ihren Stützpunkt in die Massive Stahlbetonmauer mit eingebaut und war mit Abstand eines der Stabilsten Gebäude des Dorfes. Die Stadtwache hatte ein zweistöckiges aus Stein gebautes Gebäude mit einem riesigen Keller in dem sich das Gefängnis befand. Und was hatte das Außenteam? Ein altes Holzhaus das früher mal ein Stall für Scharfe gewesen war. Nach betreten des Gebäudes konnte ich gefühlt das Stroh noch riechen.
„Das ist der Stützpunkt des Außenteams?" fragte ich mit einem hauch Enttäuschung.
„Es ist nichts Besonderes, aber es reicht" antwortete der Kommandant und ging auf seine Bürotür zu. Sein Büro befand sich am Ende des Gangs. Eine dunkle Holztür mit einem vergilbten Fenster darin. Unter dem Fenster war ein vergoldetes Schild mit seinem Namen und seinem Rang angebracht. Rechts im Gang waren noch mehr so beschriftete Türen. Die Büros des Leutnants und der Feldwebel. Keiner von ihnen war noch am Leben, doch ihre Namen stand noch immer an ihren Bürotüren. Ein Schauder fuhr über meinen Rücken als ich die Namen las. Ein noch größerer Schauer folgte als ich an die Wand gegenüber blickte. Fotos der obersten Ränge waren wie ein Stammbaum an der Wand abgebildet. Unter jedem Bild standen der Name und das Todesdatum. Der Einzige der von ihnen noch lebte, war der Kommandant, der an der Spitze des Stammbaums hing. Das zu sehen machte mir klar, warum der Kommandant so war wie er nun mal war. Ich wollte mir nicht ausmalen wie viel leid und Tod der Kommandant mitansehen musste.
„Verdammt! Die Tinte ist schon wieder leer" beschwerte sich Sullie, der an einem kleinem Bürotisch vor dem Büro des Kommandanten saß und sich durch mehrere Papierstapel kämpfte.
„Rege dich nicht so wegen ein bisschen Tinte auf. Mach eine Pause Sullie und hol dann neue Tinte aus dem Rathaus" kam es überraschend führsorglich vom Kommandanten, was ich allerdings damit in Verbindung brachte, das Sullie sein jüngerer Bruder war.
„Du verstehst das nicht! Wenn ich da schon wieder Tinte holen muss um neue Rekruten in eine Liste einzutragen schmeißen die mich dort im hohen Bogen wieder raus!"
„Warum das denn?" fragte ich entsetzt und die beiden sahen mich etwas perplex an.
„Nun, die Sterberate bei uns ist sehr hoch. Unsere Soldaten in eine Liste einzutragen, ist für die da oben reine Zeit und Ressourcenverschwendung" Fassungslos sah ich die beiden an. Es war zwar allgemein bekannt das das Außenteam keinen guten Ruf genoss, aber ohne sie, währen wir bestimmt schon lange verhungert oder erfroren.
„Wenn sie dir keine Tinte geben, verweise sie auf mich. Ich habe jetzt eine Besprechung" er öffnete die Tür und ließ mich in sein Büro eintreten. Es war überraschend gemütlich eingerichtet, wenn auch etwas düster aber so passte es zum Charme des Hauses.
„Setzen sie sich" bot er an und zeigte auf den Stuhl der fast schon auffordernd vor seinem Schreibtisch stand. Ich schluckte und setzte mich dann. Der Kommandant nahm mir gegenüber an seinem Massiven Eichenschreibtisch Platz. Der Schreibtisch war mit Abstand das Stabilste im ganzen Stützpunkt.
„Warum bin ich hier? Wollen sie mir jetzt sagen das ich nicht zur Soldatin tauge und bei der Übungsmission draufgehen werde? Danke, das weiß ich auch selber" fragte ich dann, als meine Nervosität langsam weniger wurde.
„Ich habe das Gefühl sie denken nicht gut von mir" etwas irritiert sah ich ihn an. Dann verschränkte ich meine Arme und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.
„Gerade glaube ich das sie sehr verzweifelt sind. Warum sonst sollten sie sich die größten Vollidioten des Dorfes ins Team holen?"
„Sie haben eine gute Beobachtungsgabe" stellte er fest, dann sah er sich in seinem Büro um.
„Das Außenteam ist erbärmlich und bekommt keine Unterstützung. Gleichzeitig ist es aber die Einzige Überlebenschance die dieses Dorf noch hat. Wie passt das zusammen?" er lehnte sich näher in meine Richtung und starrte mich an. Die Nervosität war schlagartig wieder da und ich war nicht mehr im Stande zu antworten. Das klopfen an der Tür rettete mich davor auf die Frage antworten zu müssen.
„Ich habe doch gesagt das du Pause machen sollst" schimpfte der Kommandant als sein völlig überarbeiteter Bruder mit zwei dampfenden Tassen sein Büro betrat.
Ich bin sofort wieder weg. Hier" sagte er und stellte die Tassen auf den Tisch bevor er wieder verschwand. Der Kommandant stellte eine der Tassen vor mich.
„Kaffee?" fragte er nur, als wäre dieses Getränk eine Selbstverständlichkeit. Schnell griff ich danach und roch erstmal an der Tasse.
„Ich hatte schon seit Monaten keinen Kaffee mehr" sagte ich etwas verträumt. Früher hatte ich das Zeug Literweise verdrückt und war bei allen unter dem Spitznamen Kaffeejunkie bekannt.
„Ich dachte ihr Vater arbeitet bei der Stadtwache"
„Ja aber so geizig wie er früher mit Geld war, ist er es jetzt mit seinem Kaffee" konterte ich und nahm einen tiefen Schluck davon.
„Eine Sache interessiert mich brennend Mrs Wulf"
„Das wäre?"
„Diese... Vollidioten die sie vorhin genannt haben. Sie sind wie sie Menschen die sich einfach keiner Gruppe angeschlossen haben und das nur, weil ihre Eltern höhere Ränge haben und sie es deshalb nicht für nötig hielten dem Dorf in irgendeiner Weise zu Dienen. Doch auf sie, trifft diese Beschreibung nicht zu. Warum ist das so? Warum sind sie keiner der Gruppen beigetreten?" Nachdenklich senkte ich die Tasse und sah zu den Fotos rüber die über der Kommode an der Wand hingen.
„Sie waren ein Stadtkind nicht wahr?" stellte ich eine Gegenfrage. Er folgte meinem Blick.
„Was tut das zur Sache?"
„Ganz einfach. Sie wissen nicht wie es ist einem Kaff wie diesem hier aufzuwachsen. Ein Dorf das so klein ist das jeder jeden kennt und man ja keine falsche Bewegung tun durfte ohne, dass es am nächsten Tag jeder wusste. Alle schwärmen immer davon wie schön es ist auf dem Land groß zu werden, aber keiner redet darüber das es nur schön ist, wenn man dort auch geboren wurde. Ich war fünf als wir wegen besseren Schulen und besserer Bezahlung hierhergezogen sind. Doch dazugehören taten wir nie. Wir wurden ausgeschlossen, belächelt und nur als die dazu gezogenen bezeichnet. Keiner wollte was mit uns zutun haben und keiner wollte mit mir spielen als ich klein war. Sie hassen uns!" schimpfte ich los und was kam mir vor als wollte das schon lange Mal raus. Der Kommandant sah mich mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Verständnis an.
„Warum sollte ich auch nur einen Finger für die Krumm machen, die mich Jahrelang wie Dreck behandelt haben!? Ich habe keine Angst zu sterben, aber es kotzt mich an, dass ich für die Menschen sterben muss, die dasselbe niemals für mich tun würden"...

The Survivors - Kampf gegen den Tod [Neuauflage] Where stories live. Discover now