02 - Tot und Wiederkehr

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Der Tot fühlte sich anders an, als sie erwartet hatte. Nicht, dass sie sich groß ausgemalt hätte, wie sie mal sterben und was sie dabei fühlen würde. Aber sie hatte bestimmt nicht mit einem Gefühl der Wärme gerechnet. Jedenfalls nicht nach ihrem gewaltsamen Tot.

Dunkelheit umgab sie und lastete schwer auf ihrem Körper. Vor allem ihr Bauch schien von einem unsichtbaren Gewicht erschwert zu werden. Dennoch schien sie zu schweben. Das Gewicht zerdrückte sie nicht, sondern schien sie eher beisammen zu halten. Als würde sie sich auflösen, wenn der Druck auch nur eine Sekunde nachließe.

Eine Hitze verbreitete sich von ihrem Bauch in alle Extremitäten aus.
Sie wand sich.
Das war zu viel.
Zu heiß.
Sie würde verbrennen.
Panik ließ ihr Herz schneller schlagen.
Ihre Hände tasteten nach dem Gewicht auf ihtem Bauch. Sie fanden etwas. Verzweifelt begsnn sie, sich zu wehren. Vielleicht würde die Hitze dann verschwinden. Tatsächlich half es auch und Hitze und Druck ließen etwas nach.
Doch parallel dazu entflohen ihr auch andere Empfindungen, das Denken wurde schwerer und der Körper leichter. Als schwebe sie weg.

"Ganz ruhig, wir helfen dir."

Die trockene Stimme einer Frau veranlasste sie dazu, sich zu beruhigen. Sie holte sie aus ihrer Schwebe und zurück in eine bewusstere Ebene ihres Verstandes.
Der Druck und die Hitze setzten wieder ein.

Sie hörte Stimmen. Sie sangen oder sprachen durcheinander und ließen sich nicht trennen oder zählen. Es lullte sie ein, wie ein Schlaflied. Ihr Vertand wurde schwer und zäh. Sie spürte, wie sie davon glitt. Doch dieses Mal fühlte es sich richtig an.
Wie eine weiche Decke legte sich die Müdigkeit über sie und zog sie in eine wohltuende Bewusstlosigkeit.

Das Erste, was sie wahrnahm, war ihr eigener Atem.
Ein.
Aus.
Ein.
Aus.
Regelmäßig und gleichmäßig hob und senkte sich ihr Brustkorb.
Sie spürte ihrem Atem nach, verfolgte ihn in die Tiefen ihres Bauches und wieder hinaus.
Ihr Bauch.
Sie riss die Augen auf.
Doch statt einer blutverschmierten Schwertspitze sah sie dunkelbraune Deckenbalken, die eine weiß gestrichene Decke trugen.
Ihr Puls beruhigte sich ein wenig.

Sie war nicht tot. Auch wenn sie fest davon überzeugt gewesen war, dass dieses Schwert sie hätte töten müssen. Es gab keinen Weg, wie sie eine solche Verletzung hätte überleben können.
Und doch lag sie hier, in einem weichen Bett unter einer leichten Decke.

Ihre Augen wanderten umher, auf der Suche nach etwas Bekanntem. Dies war kein bekannter Raum. Auf der einen Seite beruhigte sie diese Tatsache, denn es hieß, dass ihre Verfolger sie nicht wieder zurück gebracht hatten.
Auf der anderen Seite wusste sie nicht, was sie hier erwarten würde - wo auch immer dieses "hier" war.

Benommen drehte sie den Kopf nach Rechts. Direkt neben dem Bett durchbrach ein bodentiefes Fenster die Mauer. Es war dunkel draußen und von ihrer Position konnte sie nicht raus sehen, ohne sich den Hals zu verrenken.
Die Wand zu ihrer Rechten wurde von einem Wandteppich verhängt. Davor stand eine Truhe, so lang wie ein Mann hoch war. Augenblicklich packte sie die Neugierde, doch das würde sie auf später verschieben.

Neben dem Wandteppich befand sich eine hölzerne Tür, einfach gehalten ohne aufwändige Beschläge.
Eine Zweite befand sich zum Fußende des Bettes.
Die Zimmerecke zwischen ihnen füllten zwei bequem aussehende Sessel mit kompliziertem Flechtmuster in den Polstern. Die pflaumenähnliche Farbe traf ganz ihren Geschmack.
Ein kleines Tischchen rundete das Bild ab.

Links von ihr nahm ein Regal die ganze Wand ein. Gähnend leer und einsam blickte es ihr entgegen. Davor standen ein verwaister Schreibtisch aus dunklem Holz und zwei weniger bequem aussehende Stühle. Anscheinend wollte man Besucher schnell wueder los werden...

A propos Besucher: ein hoch gewachsener Mann stand am Kamin zu ihrer Linken und blickte stur ins Feuer. Der Lichtschein warf flackernde Muster auf sein Gesicht. Schwarzes Hauphaar fiel in mehreren dicken Zöpfen über seinen Rücken. Ein dunkler Bart spross an seinem Kinn, ohne die schwarze Robe zu berühren, die seinen Körper einhüllte und jede Kontur verschwimmen ließ.

"Ihr seid wach."

Seine Stimme war kaum laut genug, dass sie ihn verstand, dunkel und rau.
Er wandte sich ihr zu, sodass sie seine gefurchte Stirn und die zusammengezogenen Brauen sehen konnte.

"Ich war mir nicht sicher, ob die Heiler euch retten können."

Sie schluckte ein paar mal trocken, bevor sie den Versuch umternahm, zu sprechen.

"Ich dachte, ich sei tot.", krächzte sie.

Er trat einen weiteren Schritt vor.

"Ich auch."

Sie holte gerade Luft, um etwas zu sagen, als die Tür zu ihrem Fußende sich öffnete und direkt wieder schloss. Verwirrt hob sie den Kopf ein Stück an, nur um ihn mit einem zischenden Laut wieder ins Kissen fallen zu kassen. Diese kurze Bewegung sendete einen höllischen Schmerz durch ihre Mitte.

"Ihr solltet Euch nicht bewegen, Prinzessin. Eure Verletzungen sind noch zu frisch."

Die gleiche trockene Frauenstimme ertönte von ihrer Linken. Überrascht sah sie die kleine Frau an, die dem Mann nur bis zur Hüfte reichte. Weißes Haar bildete einen Knoten auf ihrem Kopf und die sonnengebräunte Haut war durchzogen von diversen Falten.

"Raus mit dir, junger Herr, ich muss ihren Verband wechseln."
Der Mann warf ihr einen schiefen Blick zu, wandte sich aber um und verließ den Raum.

"Wo bin ich überhaupt?", fragte sie.
"Ihr seid auf Darkmoon, Prinzessin."
"Dem Darkmoon?"
"Nun, soweit ich weiß, gibt es nur das eine, oder?", lachte sie, während sie einen Tritt ans Bett schob.
Sie erklomm die zwei Stufen und schlug die Decke zurück.
Sie konnte an sich selbst herunter auf blutigen Stoff sehen und wendete sofort den Blick an. Ihr wurde übel.

"Keine Sorge, Eure oberflächlichen Wunden sind so gut wie geheilt. Ihr werdet kaum etwas sehen. Eure inneren Verletzungen hingegen müssen nun von allein weiter heilen. Unsere Heiler haben Euch zusammengeflickt, aber den Rest muss euer Körper selbst übernehmen. Kein magisch erstelltes Gewebe ist so gut, wie das Körpereigene."

Sie verstand nur Bahnhof.

"Danke.", flüsterte sie nur.

"Gern geschehen, Prinzessin."

"Wo... woher wusst ihr, wer ich bin?"

"Euer Mal."
Sie deutete auf die nackte Schulter und das Tattoo, welches sie mit sechs Jahren bekommen hatte. Sie verzog das Gesicht.

"Kann man das verschwinden lassen?"

Die Frau sah sie erstaunt an.

"Sicher. Aber warum wollt Ihr Eure Abstammung verleugnen?"

"Ich schätze das Schwert in meinem Bauch ist Antwort genug."

Die Frau schwieg, während sie den alten Stoff vorsichtig entfernte und Neuen ausbreitete.

"Ich würde Eure Geschichte gerne irgendwann hören, sofern Ihr bereit seid, sie mit mir zu teilen. Bis dahin: wie darf ich Euch nennen?"

Ein leichtes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

"Sonora".

Darkmoon LadyWhere stories live. Discover now