30. Pest oder Cholera

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Anthony: PARTY AM FREITAG! DU, CHRIS, ALISON UND ICH! ES GIBT KEINE WIDERREDE!

Amüsiert von den Nachrichten wähle ich seine Nummer und bereite mich auf meine Antwort vor. Übernächste Woche feierte meine Oma Geburtstag. Mein Plan ist diese Feier auf Freitag vorzuverlegen.

Gespannt warte ich, doch Anthony lässt sich mit dem Beantworten meines Anrufs Zeit. Wie ungewöhnlich für ihn.

»Hey Lilly!«, kommt es liebreizend aus meinem Lautsprecher. Im Hintergrund kann ich leise Radiomusik hören und klimperndes Geschirr.

»Ich sag es dir gleich. Ich kann nicht auf diese Party. Meine Oma feiert am Samstag ihren Geburtstag und ich glaube nicht, dass mich meine Mum auf eine Party gehen lässt«, mache ich sogleich klar.

»Ach wirklich?«, fragt Anthony, doch wirkt er dabei mehr belustigt als ungläubig. »Das ist ärgerlich. Naja, vielleicht ein anderes Mal.«

Seine unerwartete Antwort lässt mich alles in Frage stellen. Habe ich die richtige Nummer gewählt? Wurde Anthony von Aliens ausgetauscht? Habe ich einen dummen Fehler bei meiner Ausrede gemacht?

»Was soll das bedeuten?«, frage ich und offenbare Anthony meine Unsicherheit.

Dieser hingegen lacht nur. »Ach Lilly, keine Sorge. Ich werde dich nicht so oft fragen bis du ja sagst. Ich verstehe, dass deine Oma wichtiger ist.«

»Okayyy«, stimme ich mit Bedenken zu. Was zur Hölle wurde aus dem ›das-Nein-für's-Protokoll-ist-mir-egal-Anthony? Irgendwas stinkt hier gewaltig und es ist nicht der Busgeruch, der mir so eben in die Nase steigt.

»Dann sehen wir uns morgen in der Schule. Hab noch einen schönen Tag!«, wüscht Anthony mir überschwänglich und legt auf. Mein Blick fällt auf die Länge unseres Telefonats: eine Minute und 27 Sekunden.

Ich hatte eigentlich geplant, die 15 Minuten lange Busfahrt zu meiner Wohnung mit Anthony am Ohr zu verbringen. Seltsam...

»Hi, ich bin zuhause!«, schreie ich durch die Wohnung und lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen.

Aus der Küche kommt mir Moms Gekicher entgegen. Auf diese Weise lacht sie nur, wenn sie Männerbesuch hat und darauf kann ich heute verzichten.

Ich schleiche an der Küchentür vorbei und will in meinem Zimmer verschwinden. Als ich jedoch die Stimme des Unbekannten höre, halte ich inne. Es ist nicht mehr als ein tiefes Lachen, doch kommt es mir bekannt vor.

Auf Zehenspitzen tippel ich zur Tür und halte mein Ohr gegen das dünne Holz. Meine Mom erzählt von ihrer Highschoolzeit, sodass ihr Besuch kaum zu Wort kommt. Bis auf ein zustimmendes hmm kommt nichts vom Fremden.

Ich will gerade kehrtmachen und in mein Zimmer gehen, als er sich das erste Mal zu Wort meldet. »Ach Valerie, ich hätte niemals gedacht, dass du so eine Wilde warst.«

Schlagartig wird mir klar, woher ich dieses warme Lachen kenne. In meiner Küche sitzt niemand anderes als Anthony Davis.

Auch wenn ich mich irren könnte, öffne ich ohne zu zögern die Türe und Tatsache. An dem rustikalen Holztisch sitzt Anthony mit einer heißen Tasse Tee in der Hand, der sich lebendig mit meiner Mutter unterhält.

Als ich hereintrete, dreht er sich um und begrüßt mich mit einem warmen Lächen.

»Was ist denn hier los?«, frage ich verdutzt in die Runde.

Auf den Lippen von Mom breitet sich ein breites Lächeln aus. »Hallo, Lilly Maus!« Ich hasse es, wenn sie mich so nannte. »Ich wusste gar nicht, dass du so bezaubernde Freunde wie Anthony hast«, sagt sie überrascht und schlürft genüsslich von ihrem Tee.

»Ach Valerie, ich hab doch gesagt, du sollst mich Thony nennen!«, tadelt Anthony meine Mutter und gibt ihr einen leichten Klapps auf den Handrücken.

»Okay, aber nur, wenn du mich Val nennst«, antwortet meine Mutter verspielt und zwinkert Anthony zu.

Ich wiederhole mich nur ungerne, aber langsam will ich wirklich, wirklich wissen, was hier abgeht. Anthony war bis jetzt nur einmal kurz bei mir zuhause und meine Mutter kennt er eigentlich nicht. Was hat er hier verloren?

Die beiden Kichern wie Teenager und ich spiele mit dem Gedanken, einfach umzudrehen und zu verschwinden.

»Willst du ein Tässchen?«, fragt mich Mom und ist schon aufgestanden, um mir einzuschenken. Meine Mutter arbeitet viel und ich sehe sie nur selten. Mit ihr an einem Tisch zu sitzen und einen Tee zu trinken fühlt sich daher befremdlich an.

Anthony zieht den Stuhl neben sich nach hinten. Behutsam tippt er mit seinen Fingern auf die Sitzfläche und signalisiert, dass ich mich zu ihnen setzen soll. Da ich zu verwirrt bin, tue ich einfach, wie mir geheißen und setze mich.

»Wie nett, dass du zu uns stößt. Wir führen gerade so eine schöne Unterhaltung«, schwärmt Mum und stellt die Tasse Tee vor mir auf den Tisch.

Anthony nickt zustimmend. »Das stimmt! Ich wusste gar nicht, dass deine Mutter so jung ist. Ich dachte anfangs, sie wäre deine Schwester.« Er zwinkert Mom zu und sie lächelt etwas peinlich berührt.

»Was??«, frage ich hoffentlich nicht zu misstrauisch. Dass Anthony meiner Mutter in den Arsch kriecht, hat nichts Gutes zu bedeuten. »Was machst du hier?«, frage ich ihn, als ich es endlich schaffe, einen vollständigen Satz zu formen.

»Du warst ja so niedergeschlagen, weil du nicht auf die Party gehen konntest«, erinnert mich Anthony, obwohl ich die Situation anders in Erinnerung habe. »Ich dachte, wenn deine Mutter weiß, mit wem du auf diese Partys gehst, dann lässt sie dich.« Anthony lächelt, als hätte er mir eine gute Nachricht übermittelt.

Meine Mutter nickt zustimmend. »Ja und du hast Glück, Maus! Die Feier deiner Oma ist erste nächste Woche.«

Wow... was für ein Glück ich habe... »Das ist schön... aber ich will nicht auf diese Party«, stelle ich fest. Anthony kann zwar meine Mom überzeugen, doch nicht mich.

»Oh, ich dachte, wenn du auf der Party bist und dann bei Anthony übernachtest, kann ich Jon hierher einladen«, eröffnet mir meine Mutter und ein Seitenblick zu Anthony verrät mir, dass er höchst zufrieden ist.

»Du meinst Hühneraugen Jon?«, frage ich und versuche nicht, die Skepsis in meiner Stimme zu verstecken. Chloe und ich nannten den Ex-Freund meiner Mom so, da er uns bei seinem ersten Besuch Tipps gegen Hühneraugen gegeben hat. Mehr muss man über ihn nicht wissen, um ihn nervig zu finden.

Meine Mum atmet ernüchternd aus. »Nenn ihn bitte nicht so! Aber ja, ich bin mit ihm wieder zusammen.«

Ich kann mir einen Schlag auf die Stirn nicht verkneifen. Na toll. Entweder ein Abend mit Moms tot-langweiligen Freund oder in Doppelbesetzung auf dieser Party. Eine Entscheidung wie Pest und Cholera...

»Keine Sorge, Val. Lilly ist bei mir in guten Händen! Du kannst dich auf mich verlassen«, verkündet Anthony mit Genugtuung in der Stimme.

Geschlagen atme ich aus und beginne, mein Schicksal einzusehen, da es keinen Sinn hat...

Wenn ich verlange, dass Mom ihr Date absagt, ist sie auf mich beleidigt. Wenn ich hierbleibe, werde ich in ihr Date mitreingezogen und muss einen anstrengenden Familienspieleabend über mich ergehen lassen.

Angesicht meiner Optionen hört sich die Party Stück für Stück besser an. Wenn Alison zufällig krank werden würde, wäre das sogar ein lustiger Abend.

»Na gut. Angesichts der harten Waffen, die ihr aufzieht, muss ich mich ergeben.« Wie von der Polizei angehalten, hebe ich ergebend meine Hände und presse die Lippen aufeinander.

Anthony klatscht begeistert in die Hände und meine Mutter nickt zufrieden, ehe sie sich kurz entschuldig, um das WC aufzusuchen.

In der Sekunde, als sie die Küche verlassen hat, bricht Anthony in amüsiertes Gelächter aus. »Du hast eine zauberhafte Mutter! Die Frau quatscht und quatscht.«

Genervt gebe ich ihm einen leichten Hieb in die Seite. »Wenn du nicht vor hast mein Stiefvater zu werden, würde ich mich an deiner Stelle zurückhalten«, drohe ich Anthony, wohl wissend, dass ich ihn so nicht beruhigen kann.

Me, my Lover and I ✔️Where stories live. Discover now