Das Monster zerbarst in hunderte Splitter. Gleißend helle Funken zischten herum, wichen lodernden Flammen. Tauwunsch hetzte los. Sie duckte sich, um nicht von herumfliegenden, glühenden Splittern getroffen zu werden. Die Gedreidestoppeln bohrten sich unangenehm in ihre Pfotenballen.

Innerhalb weniger Herzschläge erreichte sie das brennende Monster. Die flackernden Flammen erhellten den leblosen Körper von Rotstreif, der von einem Trümmerstück des klingenbewehrten Dings eingeklemmt wurde. Tauwunsch warf sich dagegen und zog ihn hoch. Er hatte die Augen geschlossen, aber sie spürte, dass er noch lebte, auch, wenn sich der Boden rot verfärbte von seinem Blut. Wie ein Junges packte sie ihn am Nackenfell und zog ihn weg. 

Inzwischen hatte das Gewitter größere Ausmaße erreicht und war nun direkt über ihnen. Blitze zuckten pausenlos über den Himmel, der so dunkel war wie die schwärzeste Nacht. Dazwischen ertöhnte so lauter Donner, dass der Boden unter Tauwunschs Pfoten bebte. Verschreckt legte sie die Ohren an und duckte sich, als ein großer, scharfkantiger Splitter über sie hinwegzischte. Er ritzte ihre Ohrspitze auf.

Tauwunsch schleifte Rotstreif weiter, über die Getreidestoppeln hinweg, den Weg entlang, den das Monster geebnet hatte. Immer mehr Getreide um sie herum fing Feuer und das trockene Getreidefeld verwandelte sich binnen weniger Herzschläge in eine feurige Hölle.

Hustend kämpfte Tauwunsch sich weiter. Der dunkle Rauch erschwerte zusätzlich zu der Dunkelheit ihre Sicht, sie konnte sich nur an den gleißenden Blitzen orientieren, die über den Himmel zuckten. Ein Knall ertöhnte und die Erde unter ihren Pfoten bebte. Ein weiterer Blitz war in das Feld eingeschlagen.

Tauwunsch verharrte für einen Herzschlag. Sollte sie Rotstreif loslassen? Der Wald war nahe, sie würde ihn schnell erreichen - aber Rotstreif wäre verloren.

Nein. Entschlossen hob sie den Kopf, sodass Rotstreifs Flanken nicht mehr so sehr von den Getreidestoppeln zerkratzt wurde, während sie weiterlief. Beinahe hätte sie ihn losgelassen, als sie aufschrie, weil ein glühendes Trümmerstück sich in ihre Flanke bohrte. Tapfer ertrug sie den Schmerz und schleppte Rotstreif weiter.

Der Wald kam immer näher, aber auch die Flammen tosten über das Feld hinweg wie ein wütender Sturm. Tauwunsch wünschte sich nichts lieber als Regen. Sie mochte ihn eigentlich nicht, aber er würde die Flammen löschen! Doch das Feld blieb trocken, sodass das Feuer sich ungehindert ausbreitete.

Nur noch zwei Fuchslängen, dann bin ich im Wald! versuchte Tauwunsch, sich Mut zu machen. Die Hitze des Feuers hinter ihr wurde langsam unerträglich, der Rauch brannte ihr in der Kehle und in den Augen. Immer weiter rannte sie, auf den sicheren Wald zu.

Dann betrat sie den kühlen Schutz des Waldes.

Tauwunsch ließ Rotstreif auf einen flachen, moosbewachsenen Stein fallen und schaute keuchend zurück. Die flackernden Flammen erhellten den dunklen Wald. Ihre Pfoten brannten vor Schmerz, ihr Fell stank nach Rauch und das Fell an ihrer Flanke war dunkel und angekokelt. Mit den Zähnen zog sie sich den Splitter aus der Flanke und ließ ihn fallen. Dann musterte sie Rotstreif.

Auch sein Fell war angekokelt, sein Fell an den Hinterbeinen zerfetzt und büschelweiße ausgerissen. Seine Flanken waren blutverkrustet, tiefe Schnitte zierten seinen Schweif und seine Hinterbeine. Tauwunsch senkte den Kopf und beobachtete sein Brustfell.

Nach wenigen Herzschlägen atmete sie auf. Er atmete noch. Dann sah sie zum Feld zurück und zuckte zusammen. Die Flammen griffen auf die Bäume über! Schnell packte sie Rotstreifs Nackenfell und lief in Richtung Lager.

Nach wenigen Baumlängen setzte sie den Kater ab und sah hinter sich. Die Flammen kamen immer näher, verschlangen brüllend die Umgebung. Ein eiskalter Schauer lief Tauwunsch trotz der Hitze über den Rücken. Das Feuer folgte ihr!

Beißender Rauch verpestete die Luft und raubte ihr den Atem. Hustend nahm sie Rotstreifs Nackenfell wieder ins Maul und stolperte weiter, ohne zu sehen, wohin sie überhaupt lief. Ich muss den Clan warnen! Einmal trat sie ins Leere, doch es war kein Graben, sondern nur ein Mäuseloch.

Das Feuer kam immer näher, erhellte den dunklen Wald und warf flackernde Schatten an Felswände und Baumstämme. Es toste und brüllte wie ein wahnsinniger Bär. Tauwunschs Ohren schmerzten. Erschöpft kämpfte sie sich weiter durch dichte Dornenbüche, die ihr Fell aufrissen. Wenn Rotstreif nicht wäre, würde sie sich einfach dem Schicksal ergeben und in den Flammen sterben.

Aber sie musste den Clan warnen. Und Rotstreif in Sicherheit bringen.

Die grellen Flammen spiegelten sich in ihren Augen, als sie zum schwarzgrauen Himmel hinaufsah. Noch immer erbarmte sich das Wetter nicht, es regnete nicht, sodass sich das Flammenmeer ungehindert ausbreiten konnte.

SternenClan, liegt dir denn nichts an uns Katzen? flehte Tauwunsch. Ihr Sterne, helft mir! Aber nichts geschah.

Sie duckte sich, als ein glühender Ast über sie hinwegzischte und in das trockene Gebüch fiel. Sogleich loderte es hell auf. Tauwunsch wich zurück. Fieberhaft suchte sie nach einem Ausweg, doch Rotstreif behinderte sie immer mehr. Der bewusstlose Kater war schwer, und Tauwunsch hatte immer weniger Kraft, um ihn zu schleppen.

Niemals werde ich ihn hier zurücklassen! schwor sie sich und fand endlich ein Loch im Dickicht, das noch nicht brannte. Sie schlüpfte hindurch und schleppte sich und Rotstreif weiter.

Endlich erreichte sie die Wiese. Auf der offenen Fläche konnte sie viel besser sehen als im rauchdurchdrungenem Wald. Sie lief schneller, so schnell, wie es mit Rotstreif eben ging, bis die das Lager erreichte.

Das erste, was sie sah, war Feuer. Die Baumgruppen hatten Feuer gefangen. Schwarze Silhouetten von Katzen liefen panisch umher.

Das erste, was sie hörte, waren Schreie.


Quelle Bild: https://www.wochenblatt.de/archiv/flammenmeer-auf-dem-getreidefeld-198838

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⏰ Last updated: Jun 11 ⏰

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Der Wille der SterneWhere stories live. Discover now