KAPITEL 35

183 22 24
                                    

HURRICANE

Sie ist still, lediglich ihr Atem trifft mein Ohr. Somit weiß ich, dass sie noch nicht aufgelegt hat. Bin ich zu forsch gewesen? War mein Tonfall einschüchternd? Nervös fummle ich an der Ecke meiner Bettdecke herum, während ich auf eine Antwort warte. Ich will die Nase hochziehen, unterdrücke den Drang jedoch. Arlas Atem klingt zittrig und ich würde mich gerne für meine schroffe Art entschuldigen, weil es mir leidtut, sie verschreckt zu haben. Allerdings widerstehe ich auch dem Bedürfnis.

Schließlich gibt sie einen merkwürdigen Laut von sich. Es ist eine Mischung aus Schnauben und Seufzen. »Ja, ich habe es gewusst, aber nicht, weil du mir ihr Foto gezeigt hast, sondern aufgrund ihres Namens«, gesteht sie schließlich leise. »Ich hätte mich auch irren können, allerdings scheint es zu stimmen.«

»Es stimmt«, bestätige ich. Meine Stimme klingt kratzig, denn seitdem Arabella mir von ihrem Date erzählt hat, bin ich in einer Art Schockstarre. Arla ist die erste Person, mit der ich nach der Botschaft von meiner Schwester spreche. Merda. Arabella hat gesagt, dass sie sich wieder mit ihm treffen wird, ganz gleich, was ich davon halte. Meine kleine Schwester wird erwachsen und damit komme ich nicht zurecht.

»Wenn ich mir sicher gewesen wäre, dann hätte ich es dir -«

»Du hättest es mir nicht erzählt, cordeirinho«, unterbreche ich sie.

»Offensichtlich kennst du mich nach unserem Date immer noch nicht gut genug«, erwidert sie mit einem gespielten Seufzen. Ein Flattern meldet sich in meiner Brust. »Womöglich solltest du dir mehr Mühe geben, um mich kennenzulernen.«

»Vielleicht sollte ich mich darauf konzentrieren, Amilcar von meiner kleinen Schwester fernzuhalten«, gebe ich nachdenklich und leicht amüsiert zurück.

»Er ist ein guter Kerl, Hurricane. Du musst dir keine Sorgen um deine Schwester machen.« Plötzlich ist das Scherzen vergessen. Arla spricht über ihren Freund, als würde sie für ihn die Hand ins Feuer legen, und mir fällt keine aushebelnde Erwiderung ein. Bisher habe ich Amilcar tatsächlich als korrekten Menschen kennengelernt. Zwar scheint er ein wenig impulsiv, aber daraus kann ich ihm keinen Vorwurf machen.

»Mit Sicherheit ist er ein netter Kerl, trotzdem ist es meine kleine Schwester, die er datet.« Ich grunze die Worte heraus, weil sich in meinem Rachen Galle bemerkbar macht. Es ist für mich unvorstellbar, dass Arabella bald wirklich mit Amilcar Händchen haltend über den Campus schlendert. Die Grenzerfahrung, als sie ihren ersten Tag an der Universität hatte, hat mir gereicht. Jetzt soll ich sie auch noch beim Flirten beobachten können? »Weiß er es?«

»Dass sie deine Schwester ist?« Ein bestätigendes Murmeln meinerseits. »Ich schätze schon. Zumindest wusste Mercúrio es und ich kann mir nicht vorstellen, dass er es ihm nicht schadenfroh auf die Nase gebunden hat«, sagt sie. Bei ihren Worten flimmert ein Glucksen durch ihre Stimme.

»Mercúrio wusste es? Woher?«

»Mein bester Freund ist ein kluges Köpfchen. Er kann schneller eins und eins zusammenzählen als ein Grundschulkind in der ersten Klasse. Manchmal glaube ich, dass er hochbegabt und zusätzlich hochsensibel ist«, erklärt sie seufzend.

»Er wirkt überhaupt nicht so. Eher wie ein ...« Angestrengt suche ich nach dem richtigen Wort, allerdings will mir partout nichts einfallen.

»Wie ein böser Junge, der sich mit zwielichtigen Leuten umgibt?«, mutmaßt sie. Womöglich trifft sie damit meine Denkweise genau, trotzdem gebe ich es nicht zu. »Genau wie Milcar ist auch Mercú ein guter Kerl. Aber er versteckt es hinter einer finsteren Miene, bösen Sprüchen und seinem ausgeprägten Beschützerinstinkt. Tief im Inneren ist er ein kuscheliges Bärchen. Deswegen hat er auch seinen Spitznamen bekommen.«

HATE ME HARDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt