11. Shopping-Hölle

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Das zweifellos schlimmste an Partys ist die unausgesprochene Regel, auf jeder ein neues Outfit zutragen. Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber solange ich neu in der Welt der Beliebten bin, halte ich mich an die Regeln aus Clueless und Mean Girls. In diesem Fall heißt das: Shoppen gehen.

Juhu... Auch wenn ich mir schönere Aktivitäten vorstellen kann, tut die Ablenkung gut. Dass Lilly jetzt Chris in Chemie helfen soll, geistert mir seit Tagen im Kopf herum. Krampfhaft versucht mein Kopf, herauszufinden, wie ich diese Dreiecksbeziehung jonglieren kann. Wenn alles nach Plan läuft, sammelt Alison auf der Party am Freitag genug Informationen über Chris, um Lilly am Sonntag gutdastehen zu lassen. Die Zweifel, ob mein Vorhaben moralisch vertretbar, geschweige denn sinnvoll ist, kann ich nur schwer zum Verstummen bringen.

Wenigstens kann ich durch die Shoppingausflüge Rosie über die neuesten Ereignisse auf dem Laufenden halten.

Vor unserer Arbeit bietet sich die perfekte Gelegenheit, ein Kleid für die Party zu kaufen. Damit ich nicht immer wieder Klamotten für Alison oder mich besorgen muss, erweitern wir den Warenkorb auf ein paar extra T-Shirts. Meine Garderobe benötigt ohnehin ein kleines Upgrade.

Möglicherweise ist es naiv zu denken, dass ich mich auch als Lilly trauen würde, Alisons Kleidung anzuziehen. Schwarz ist nie meine Farbe gewesen, aber vielleicht wirken die befremdlichen Klamotten ähnlich wie ein Schutzschild.

»Wie findest du das?« Ich zeige Rosie ein schwarzes Cocktailkleid mit ein paar goldenen Pailletten.

Rosie überlegt angestrengt, bevor sie antwortet: »Schwierig... Setz die Perücke auf, dann kann ich es mir besser vorstellen.«

Nachdem ich die falschen Haare übergezogen habe, schenkt mir Rosie einen zufriedenen Blick. »Nicht übel, Alison, aber du könntest ruhig mehr Haut zeigen.« Rosie formt mit ihren Daumen und Zeigefingern einen Rahmen und kneift musternd ein Auge zusammen.

»Bist du dir sicher?« Ich mustere das Kleid erneut und halte es an mich ran. Ich muss gestehen, dass es jetzt doch ziemlich konservativ wirkt. Schnell hole ich etwas, was mehr mein Geschmack, Alisons Geschmack, entspricht.

»Und das?«, frage ich unschuldig.

»Holy shit, Lilly. Das ist ja mega sexy!«, schreit Rosie mich förmlich an. Ich mustere das schwarze, hochgeschlossene Kleid mit netzartigen Cut-Outs an den Seiten erneut und komme zu dem Schluss, dass es kombiniert mit einer Jacke angemessen für so eine Party ist.

Das sieht Rosie anders und reißt es mir aus der Hand. »Ich lasse dich damit sicherlich nicht auf ein Date gehen, oder willst du deine Jungfräulichkeit verlieren?« Sie meint es bitterernst, aber ich muss lachen, da sie sich absolut lächerlich verhält.

»Ach, komm scho-«, beginne ich, aber Rosie unterbricht mich.

»Keine Widerrede, nimm das und das.« Sie drückt mir ein asymmetrisches Top mit Löchern in die Hand und dazu einen schlickten schwarzen Rock, an dem eine Kette raschelt.

»Willst du mich verarschen? Ich gehe auf eine Party und nicht in den Skaterpark.«

»Beruhig dich. Mit deiner Lederjacke sieht das süß aus. Alison hat ja so einen Emo-Vibe, oder?« Sie lacht und schickt mich in die Umkleide, aber ich komme nicht mehr dazu, Rosie das zugegeben doch ganz süße Outfit zu präsentieren.

Während ich herausfinde, in welches Loch des Tops mein rechter Arm gehört, vernehme ich eine bekannte Stimme. Es ist Ness.

Anscheinend mit einer ganzen Schar an Freundinnen und Anhänger. Ich höre sie klar und deutlich neben mir sprechen und lausche etwas.

»Und was machst du, wenn sich Chris in die Bitch verliebt und du Dixon abschießt?«, vernehme ich eine helle Stimme.

»Ach, das ist harmlos. Chris flirtet immer, auch wenn wir zusammen sind. Wenn ich Dixon verlasse, kommen Chris und ich garantiert wieder zusammen.« Ness klingt bestimmt, so als hätte sie den Vorfall letzten Samstag überwunden.

»Und wenn er sich wirklich verliebt und nicht mehr mitspielt?« Eine weitere Stimme redet auf Ness ein und klingt dabei besorgt.

»Chris liebt es, mit den unschuldigen Mädchen zu spielen. Wenn es darauf ankommt, weiß er, wo sein Platz ist. Da tut mir diese Alison schon fast leid. Er will von ihr nur das eine, was ich ihm gerade nicht gebe.« Sie lacht höhnisch. »Wie dem auch sei, das Kleid in Weiß oder Schwarz?«

Ich lasse Ness Worte auf mich wirken, während ihre weiteren Worte unverständlich werden.

Natürlich kenne ich die Gerüchte um Chris, wie z. B. sein Abenteuer mit der Tochter des Schulleiters in dessen Büro, oder die alljährlichen Abschlussstreiche, an denen er sich gerne beteiligt.

Doch all das, was Ness gerade gesagt hat, passt nicht zu dem Menschen, den ich in letzter Zeit etwas kennenlernen durfte. Chris ist stets bemüht um Alison gewesen und hat ihre Grenzen respektiert.

Aber ist nicht in jeder Lüge zumindest ein Funken Wahrheit? Wie sicher kann ich mir über Chris' Absichten wirklich sein?

»Hey, sie sind weg«, informiert mich Rosie nach einer Weile und zieht den Vorhang etwas beiseite. Sie ertappt mich, wie ich ausdruckslos zu Boden starre und nachdenklich das Gesicht verziehe.

Was, wenn er mir wirklich nur etwas vorspielt? Was, wenn Lillys Crush Alison die rosarote Brille aufgesetzt hat und ich zu viel in sein Interesse interpretiert habe? Sein Badboy-Image kommt ja auch nicht von nirgendwo. Immer wieder sorgt er mit seinen Freunden für Aufregen, weil sie Alkohol in die Bowle am Homecoming Ball schütten, oder durch ihre Wetten den Unterricht stören.

»Woran denkst du?«, reißt mich Rosie aus den Gedanken und sieht mich mitleidig an. »Ness lügt doch immer wie gedruckt«, fügt sie hinzu, als sie die Enttäuschung auf meinem Gesicht erkennt.

Ich nicke stumm und nehme die Perücke ab. Plötzlich fühlt es sich albern an, das Ding zu tragen.

»Wie wär's, wenn wir das Outfit nehmen und vor der Arbeit noch ins Café gehen?« Von dem eben noch traurigen Unterton in ihrer Stimme ist nichts mehr zu hören. Erwartungsvoll lacht sie mich an.

»Das hört sich nach einem richtig guten Plan an.«

Me, my Lover and I ✔️Where stories live. Discover now