Ich schätze, das hier nennt man [One-shot]

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Der Junge liegt nur noch da. Tagein, tagaus, auf dem Bett im dunklen Zimmer. Mich hat mal jemand gefragt, ob er tot wäre.

„Nein,“ habe ich da gesagt, „Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.“

Doch der Junge war immer noch hier und ich schaue ihn immer noch mit einem scharfem Schmerz in der Brust an. Jeden Tag. Es tut mir weh, ihn so dahinsiechen zu sehen. Er scheint unglaublich traurig.

Und ich versuchte ihn zu verstehen, warum tat, was er tat, und warum es mich so beschäftigte, aber ich kam meinem Ziel nur langsam und über viele Umwege näher.

Schließlich wusste ich dann doch noch einige Dinge über ihn:

Er glaubt nicht an Erlösung, denn ein Klumpen Fleisch hat keine Hoffnung. Wieder und wieder fragt sich der Junge, was das Ziel der Existenz allen Lebens ist und versucht zu begreifen, worin der Wert eines Lebens liegt. Warum hatte er nur Angst etwas zu verpassen? Warum war er unglücklich mit der Art wie er war? Schließlich konnte er sich doch einreden, dass ein einzelner Mensch doch nur eine von vielen schwach glimmenden Kerzen war, aus deren Wachs sich wenn sie abgebrannt war, wieder eine neue Kerze formte.

Das hier wird nicht enden, oder?

Warum nicht selbst die Kerze auspusten? Dann müsste er nicht weiter wie in Ungewissheiten brennen. Doch als ich diesen Gedanken fasste, sah ich das Glas mit rotem Wein auf dem Nachtisch des Jungen. Wenn man Wein trinkt, heißt das, dass man das Glück kennt, denn sonst versteht man nichts von dem Geschmack, der in jeder Hinsicht nur der augenscheinlichen Fadheit des ursächlichen Lebens gleichen würde.

Da kamen mir Zweifel. War der Junge wirklich so unglücklich mit seinem Leben wie er sich gab? Oder hatte er einfach nur Angst vor Veränderung und lief deshalb vor allen Entscheidungen davon? Versteckte er sich vor irgendwem? Das war dann wohl der Rest der Menschheit.

Wenn ich ihn so liegen sehe, weiß ich, dass er an Feuerwerk denkt, Raketen, die sich öffnen wie die Blüten einer zarten Blume, Sterblichkeit, die schnell erlischt und doch glücklich macht. Allein das Wissen, dass andere Menschen; Menschen, die er lieben könnte, auch diese riesige Verzierung im Himmel irgendwo ganz anders sehen würden, lässt sein Herz höher schlagen.

Aber er liegt immer noch da und rührt sich nicht.

Es genügte dem Jungen sich darüber im klaren zu sein, dass irgendwo Menschen waren, die sich vielleicht in diesem Moment freuen könnten, und das gab ihm Sicherheit.

An diesem Silvester geht er nicht mehr nach draußen, denke ich. Vielleicht verschläft er sogar das wunderschöne Feuerwerk, das das Firmament erhellen würde, aber ich verstehe nicht, was schlimm daran sein soll. Denn er scheint ja zu wissen, wie er glücklich sein kann, mag es nur selbst nicht zu wollen.

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⏰ Last updated: Jan 01 ⏰

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