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Jinn sah sich suchend in dem spartanisch eingerichteten Quartier um, doch er fand nichts produktives zu tun, also beschloss er schlafen zu gehen. Es war unwahrscheinlich, dass Obi-Wan heute Abend zurückkommen würde, also schmiss er seinen Mantel einfach achtlos über eine Stuhllehne und legte sich ins Bett. Doch er konnte nicht so recht Ruhe finden. Irgendetwas in der Macht fühlte sich komisch an. Nicht so, als würde ihm Gefahr drohen, aber ihre sonst so warme Unendlichkeit, fühlte sich diese Nacht kälter an, als stände er nur noch am Ufer und nicht mehr in der Mitte des Meeres der Macht. Es dauerte lange, bis er endlich in einen traumlosen Schlaf fiel, bis ihn ein lautes Klirren aufschrecken ließ. War Obi-Wan etwa doch heimgekehrt? Aber was könnte ihn zu so einem Lärm veranlassen? Entnervt stieß der Jedi sein Bettlaken beiseite, um seinen Padawan zurechtzuweisen. Doch als er die Türen zu seiner Schlafkammer öffnete, erwartete ihn nicht sein aktueller Schüler.

"Hallo Meister." säuselte sein ehemaliger Padawan Xanatos. Er sah aus, wie kurz vor seinem Tod, als er sich entschied lieber zu sterben, als sich einen Prozess zu stellen. Er trug dieselbe zerrissene Kleidung wie damals, die gleiche blutende Wunde erstreckte sich über seine Wange, selbst die Fesseln waren noch immer um seine Handgelenke geschlossen.

"Nein, nein, nein, das kann nicht wahr sein! Du bist tot! Das alles hier ist nicht real!"
"Ich bin tot, ja." entgegnete Xanatos untypisch ruhig, während er geradewegs durch den Tisch hindurch auf seinen ehemaligen Lehrmeister zulief "Und du schläfst noch immer dort drüben in deinem Bett. Nichts hiervon passiert wirklich, aber das macht es nicht weniger real."
"Was willst du von mir?" er vesuchte es fest klingen zu lassen, doch Xanatos grinste bei dem Zittern in seiner Stimme.
"Ich bin lediglich eine Manifestation der Macht. Die Frage, die du dir stellen solltest, ist also, was will die Macht von dir?"
"Und was will die Macht von mir?"
"Dir, mein alter Meister, hat die Macht die einmalige Chance geschenkt, dein Leben wieder auf die rechte Bahn zu lenken."
"Du meinst deinen Pfad? Ich wandle auf dem Pfad des Lichtes, dem Weg der Macht."
Doch Jinns verächtlich gemeinten Worte ließen sein gegenüber bloß breit aufgrinsen. Mit einem Blick auf Kenobis leere Schlafkammer fragte er scheinheilig "Wo ist denn eigentlich mein Nachfolger? Soweit ich mich erinnere haben wir beide den Abend vor Jul immer zusammen verbracht. Nur wir beide, ohne den Stress all der vielen Leute am Jultag. Es war dein Lieblingstag gewesen. Warum verbringst diesen Tag nicht mit deiner Familie?"
"Die Jedi sollen keine tiefen Bindungen eingehen. Ich habe dich wie mein eigenes Kind geliebt und du hast dich gegen mich gewandt. Ich werde diesen Fehler nicht bei Obi-Wan wiederholen. Meine Distanz wird ihm dazu verhelfen, zu dem großen Jedi zu werden, den ich in ihm sehen."
Xanatos brach nun in ein ehrliches Lachen aus "Oh närrischer alter Meister! Du glaubst wirklich dein kostbarer kleiner Welpe würde durch deine mangelnde Fürsorge stärker werden? Erlaub mir dir etwas zu zeigen."
Bevor Qui-Gon reagieren konnte, hatte Xanatos den halben Meter zu ihm geschlossen und die Hand nach seiner Stirn ausgestreckt. Sobald die Finger seine Stirn berührten, umschloss schwarzer Rauch die beiden, bis sein Quartier gänzlich hinter einem dunklen Wirbel verschwunden war.

Als die Dunkelheit sich wieder legte, fand sich Qui-Gon unweit einer Gruppe Padawane in der festlich geschmückten Kantine wieder.
"Wo sind wir? Was soll ich hier?"
"Erkennst du die Freunde deines Padawans etwa nicht wieder?" höhnte Xanatos hinter ihm. Und tatsächlich, als Qui-Gon sich die Padawangruppe näher ansah, erkannte er tatsächlich die Gesichter aus Obi-Wans Jünglingsgruppe. Sie alle waren da: Bant, Garen, Reeft, Prie und Jape.
"Wo ist Obi-Wan? Warum ist er nicht bei seinen Freunden?"
"Ihr habt es ihm nicht erlaubt." antwortete Xanatos mit einem Schulterzucken, "Er hat bei der letzten Mission Probleme beim Abwehren von Projektilen gehabt, deshalb hast du ihm extra Training aufgeben."
"Wenn Schüsse nicht abwehren kann, könnte es Leb-"
"Hörst du über was sie so ausgelassen lachen, Meister?" unterbrach Xanatos Jinns Rechtfertigung, "An Reefts Geburtstag ist sein Meister einen Tag länger als nötig auf Correlia geblieben, um mit ihm auf eine Speeder Convention zu gehen.
Ich frage mich, wann hast du dir eine Mühe gemacht, um Kenobi eine Freude zu machen?"
"Wir- Wir sollten unsere Schüler nicht zu sehr verwö-"
"Ach ja richtig! Er soll ein guter Jedi werden, indem du ihm jede Freude verbietest. Warum sehen wir uns dann nicht mal an, wie es deinem großen Jedi geht, hm?"

"Das ist das Trainingsdojo." stellte Qui-Gon fest als sich der Wirbel erneut auflöste. "Was sollte Obi-Wan mitten in der Nacht hier tun?" fügte er mit einem Blick auf die rot leuchtenden Ziffern über dem Eingang hinzu.
"Er ist dort drinne." entgegnete Xanatos lediglich mit einem Nicken in Richtung Bad.

Er wusste immer noch nicht, was er über Xanatos' Erscheinen denken sollte, aber konnte nicht leugnen, dass es begann ihm Angst zu machen. Mit einen letzten tiefen Atemzug trat er durch die abgeschlossene Tür hindurch und wäre vor Schreck beinahe wieder Rückwärts hinausgefallen. Vor ihm stand Obi-Wan noch immer in seiner Trainingsrobe. Stumme Tränen rollten aus seinen Augen, die emotionslos auf das Blut starrten, wie es aus dünnen Schnitten in seinem Unterarm in das Waschbecken floß. Erst als sein Padawan sein Messer für einen weiteren Schnitt anhob, konnte sich Qui-Gon von dem Bild vor ihm losreißen.
"Nein, nein, nein! Das kann nicht sein! Das darf nicht wahr sein! Warum sollte er so etwas tun?"
"Weil er versagt hat." antwortete Xanatos nüchtern, "Mal wieder. Seine Freunde sind bestimmt sauer, dass er nicht zu ihrem selten möglichen Treffen gekommen ist und für seinen Meister wird er niemals gut genug sein. Er hat versagt. Als Freund und als Jedi."
"Nein. Nein, das ist nicht wahr!"
"Wer soll ihn denn vom Gegenteil überzeugen? Zu wem soll er denn mit seinen Gefühlen gehen? Die Meister sollten nur Lehrer sein. Sie sollten keine engen Bindungen eingehen. Kein Kind sollte glauben, dass es sich jemanden anvertrauen kann, dass es Schwächen haben darf, dass es jemanden etwas bedeuten! Nicht wahr?
Du machst das hier, damit er sein ganzes Potenzial entfalten kann? Dann sehen wir uns doch mal an, was für ein großartiger Jedi aus ihm wird."

Dieses Mal legte sich Sturm um sie herum nicht, stattdessen drang die brüchige Stimme einer jungen Frau durch die Schwärze hindurch. "Ich weiß, dass ich so nicht fühlen darf, Meisterin Tahl, aber ich fühle so einen Hass auf Jinn. Aber auch auf mich, dass ich nicht gesehen habe, wie schlecht es ihm geht, dass ich es nicht verhindert habe."
"Wer ist das? Warum ist sie so wütend auf mich?" noch bevor er eine Antwort erhalten konnte, überdeckte das Tosen des Wirbels wieder das Gespräche, bis sich eine weitere Stimme herauskristallisierte, die er als Meister Windus erkannte.
"Damit ist es einstimmig beschlossen, dass Meister Jinn aus dem Orden ausgeschlossen wird. Ich bedaure nur, dass wir diesen Schritt nicht viel früher gegangen sind. Wir sind zu lange nachsichtig mit ihm gewesen und der junge Kenobi musste den Preis dafür zahlen."
"REDE MIT MIR! WAS PASSIERT HIER?"
Doch Xanatos antwortete nicht. Stattdessen erklang eine weitere Stimme aus dem Dunkeln, während langsam die Hallen der Heilung durch den Rauch zum Vorschein kamen. "Es tut mir Leid, Padawan Eerin, ich kann nichts mehr für ihn tun. Es mag Sie vielleicht wenig trösten, aber er hat einen schnellen Tod gewählt. Er hat nicht gelitten."

"WER? WER HAT NICHT GELITTEN?"
"Verstehst du es denn immer noch nicht? Du bist wahrlich noch ein viel größerer Narr, als ich angenommen hatte. Sieh dir deinen großen Jedi an!"
Bei seinen Worten trat Heilerin Che aus dem Türrahmen hinaus, wodurch die Sicht ins Innere eines der Behandlungszimmer frei wurde. Dort auf dem Bett lag eine Person unter einem weißen Totentuch mit goldenen Stickereien, Obi-Wans Lichtschwert respektvoll auf der Brust platziert.

"DAS- DAS IST ALLES NICHT WAHR! DU-" wirbelte er zu seinem gefallenen Schüler um "DU WILLST MICH ZUR DUNKLEN SEITE VERFÜHREN!"
"Ich bin tot. Gestorben, weil ich deine Hand nicht annehmen wollte und Obi-Wan wird mir folgen, weil DU sie ihm nicht anbietest."

"Nein." er versuchte nach Obi-Wan zu greifen, doch seine Hand fiel in die schwarze Leere des Wirbels, als alles um ihn wieder in der Dunkelheit verschwand.
"NEIN!"

Der Geist von JulWhere stories live. Discover now