3 | Dream versus Reality | Real Life

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Weißer Nebel. Das war alles, was Rainy sehen konnte. Weiße Farbe und ein sachter Lufthauch wehte um sie herum. Dann erklang eine weiche Stimme, die sie unter tausenden sofort wiedererkennen würde. Die Stimme ihrer besten Freundin.

„Naila?", hauchte sie leise. Doch nun war keine Stimme mehr zu hören, stattdessen heulte der Wind nur noch stärker. Bis er wie ein Tornado wirbelte und das blonde Mädchen mitten im Auge von diesem stand.

Ihr Haar peitschte wild durch die Luft, schlug ihr mehrere Male ins Gesicht. Der Wind wurde noch stärker, nun konnte sie sich kaum noch auf den Beinen halten und taumelte leicht. Rainy schloss die Augen und hielt sich ihren Arm vor das Gesicht.

Doch so schnell wie der Wind aufkam, legte er sich auch wieder. Vorsichtig ließ sie ihre Arme sinken und öffnete ihre Augen. Nur ein paar Meter direkt vor ihr stand ein junges Mädchen. Genau das Mädchen, das ich das letzte Mal vor vierzehn Jahren gesehen hatte. Nun müsste sie neunzehn Jahre alt sein.

Rainy erinnerte sich noch sehr genau an ihren letzten Tag gemeinsam ...

Sie waren da fünf und sechs Jahre alt. Es war ein regnerischer Tag, aber niemals hätte sie geglaubt, dass dieses Wetter an diesem Tag ihre Stimmung widerspiegeln würde. Sie wurden beide von Nailas Vater vom Kindergarten abgeholt und zu Rainy nach Hause gebracht. An diesem Tag war die Mutter der Blonden krankgeschrieben, doch bei Naila konnten sie nicht bleiben, weil beide ihrer Elternteile arbeiten mussten.

Sebastian setzte sie vor der Haustür ab und wartete, bis Rainys Mutter Flora die Tür geöffnet hatte, dann erst fuhr er los zur Arbeit. Der Mittag war noch wie immer, wir haben zusammen gespielt, Flora hatte trotz ihrer Krankheit kurz etwas für die Kleinen gekocht.

Und dann kam der Abend, der alles veränderte. So gegen 18 Uhr wurde Naila von ihren Eltern Sebastian und Flora abgeholt und da offenbarten sie, dass sie wegziehen würden. Und zwar in ein anderes Land, ganz weit weg ... Sie zogen nach Mexiko ... Genau diese Nachricht veränderte Rainys Leben komplett, stellte es auf den Kopf und ließ ihr Herz zerbrechen. Naila war doch ihre einzige Freundin!

Sie schüttelte etwas ihren Kopf, um wieder ins Hier und Jetzt zurückzukehren.

Das Mädchen ihr gegenüber war groß gewachsen, um einiges größer als sie selbst. Ihr schokobraunes Haar floss in sanften Wellen auf ihre Schultern und ihre Augen erst! Diese leuchteten in einem wunderschönen dunklen Waldgrün. Sie liebte die Augen ihrer besten Freundin.

„Naila", hauchte Rainy tonlos und nun kam auch endlich Bewegung in ihren Körper. Ihre Füße bewegten sich wie von selbst auf das braunhaarige Mädchen zu.

Automatisch hob sie ihre Hand und streckte sie nach Naila aus, doch anders als erhofft glitt diese nur durch sie hindurch. Es stach in ihrem Herz, es war alles also wirklich nur Einbildung. Eine einsame Träne verließ Rainys Augenwinkel und floss ihre Wange hinab. Jedoch machte sie keine Anstalten, diese wegzuwischen.

Plötzlich erklang ein Geräusch, das überhaupt nicht von hier kommen konnte. Es war hoch und schrill, nervtötend und schmerzaufreibend. Dann ging es los: Naila vor ihr löste sich in Luft auf, es begann wieder zu stürmen und schlagartig fand sich das blonde Mädchen in ihrem Bett wieder. Das nervig laute Klingeln entpuppte sich als ihr Wecker auf dem Nachttisch.

Es war also schlechthin nur ein Traum. Einen Traum, den sich seit Anfang Dezember fast jede Nacht hatte, sowie gerade eben auch. Sie rieb sich seufzend über das Gesicht. Sie hatte einfach keine Kraft mehr, den Verlust ihrer besten Freundin immer wieder zu ertragen.

Schließlich schlug sie die Decke zur Seite und sofort kroch eine Gänsehaut ihren Körper hinaus, die sie frösteln ließ. Also griff sie wieder nach der Decke und legte sie sich um die Schultern.

Mit schleichenden Schritten betrat sie die kleine Küche ihrer Wohnung und blickte kurz aus dem Fenster. Dicke, weiße Flocken rieselten vom Himmel hinab, die Straßen waren von mindestens fünf Zentimeter hohem Schnee bedeckt und die Gradzahlen sanken inzwischen auf Minus zehn Grad Celsius. Es war eisig kalt draußen.

Doch auch in ihrer Wohnung war sehr kalt. Die Fenster waren etwas undicht und die Heizungen funktionierten nicht. Das war auch der Grund, warum sie nun mit ihrer Bettdecke um den Schultern durch die Wohnung lief.

Rainy griff sich eine Tasse aus dem Küchenschrank und machte sich erst einmal eine heiße Schokolade. Doch darauf konnte sie sich nicht konzentrieren, stattdessen wanderten ihre Gedanken nur wieder zu ihrem Traum.

Warum träumte sie mehrere Nächte hintereinander immer das Gleiche? Hatte das einen Grund? Wollten die Träume ihr damit vielleicht etwas sagen?

Diese Fragen geisterten in ihrem Kopf herum. Auch als sie es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte, fragte sie sich das alles. Sie wollte ihr Handy zur Hand nehmen, um ihren Eltern zu schreiben, wobei ihre blauen Augen auf das heutige Datum fielen: 24. Dezember 2023

Es war Weihnachten, doch Grund zum Feiern hatte sie nicht. Ihre Familie wohnte mehrere Stunden von ihr entfernt und mussten arbeiten, ihre beste Freundin war schon seit 14 Jahren in Mexiko und hatte sie so auch sehr lange nicht mehr gesehen. Und sie vermisste ihre beste Freundin. Ihre Schwester. Ihre Naila.

Inzwischen hatte Rainy fast den ganzen Tag gemeistert. Es war 19 Uhr und das blonde Mädchen saß nun auf dem Sofa. Der Fernseher ihr Gegenüber war an und ihr Lieblingsweihnachtsfilm lief gerade: Orangen zu Weihnachten.

Sie wusste zwar nicht, wie lange sie schon den Film schaute, aber ein Klingeln an ihrer Haustür ließ sie zusammenschrecken. Wer sollte das denn bitteschön sein? Es kam doch eh niemand auf die Idee, sie zu besuchen.

Mit einem fragenden Gesichtsausdruck stoppte sie ihren Film und ging zur Tür. Kurz haderte sie noch mit sich. Dann jedoch ergriff sie die Türklinke und öffnete sie. Als sie sah, wer geklingelt hatte, stolperte sie ein, zwei Schritte zurück und schlug sich die Hände vor das Gesicht.

Draußen in dem weißen Pulverschnee stand eine Person, zirka einen Kopf größer als sie selbst. Ihr Haar floss in sanften schokobraunen Wellen auf ihre Schultern und die schönen waldgrünen Augen ... diese würde sie überall wiedererkennen.

„Aber ... was machst du denn hier? Was ist mit deinen Eltern? Warum bist du nicht in Mexiko?" Rainy fiel aus allen Wolken, als sie ihre beste Freundin vor sich sah.

Eine Antwort bekam sie jedoch nicht. Naila lächelte nur unbeholfen und schüchtern. Doch für Rainy ging es gar nicht schnell genug. In nur einem Bruchteil einer Sekunde zog sie das junge Mädchen vor sich in ihre Arme und somit auch mit unter die warme Decke, die die Blonde noch immer um ihre Schultern gelegt hatte.

Die Braunhaarige wusste erst gar nicht wie ihr geschah, dann schloss auch sie ihre Arme um die Kleinere. Sie lächelte leicht. Mit einem gezielten Tritt schaffte es die Größere die Haustür zu schließen, bevor die kalte Wohnung noch mehr abkühlte als sie eh schon war.

„Was machst du denn hier?", fragte Rainy, den Tränen nahe, als sie sich auf das Sofa gesetzt hatten.

Naila lächelte einfach nur. „Ich wollte dich mal wieder sehen und ich dachte, Weihnachten wäre dafür perfekt."

Rainy strich sich einige Tränen von den Wangen und verkroch sich anschließend in Nailas Armen. Sie schluchzte auf. Sie spürte nun eine Hand, die sanft über ihren Rücken fuhr.

„Ich bin bei dir", hauchte die Braunhaarige leise.

„Aber ..."

„Aber was?"

„Aber ... was, wenn das alles nur ein Traum ist? Was, wenn ich das alles nur Träume und du nicht bei mir bist?"

Naila lächelte leicht und vergrub ihr Gesicht in den blonden Locken ihrer Freundin und flüsterte: „Das ist kein Traum, das verspreche ich."

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Ich weiß, dass Weihnachten schon lange vorbei ist, aber ich finde den Oneshot viel zu schade, um nochmal ein Jahr lang zu warten. Ich hoffe, ihr lest es trotzdem, kommentiert und liket vielleicht auch?

Außerdem wird Naila von meinem Lieblingsmenschen verkörpert: Fandom_IG! 🩵🩵

Mondsplitter | Pausiertحيث تعيش القصص. اكتشف الآن