Zwischen Pflicht und Liebe

Kapitel 1 - Die Bruderschaft

Wie Trommelschläge in einem gleichmäßigen Takt marschierten die Ritter der Stählernen Bruderschaft auf dem alten Flughafengelände in Boston auf ihre Posten zu.

Die verlassenen Flugzeughangars ragten wie stumme Zeugen vergangener Pracht in den Himmel, während der Wind den Staub des Ödlands durch die heruntergekommenen Landebahnen wirbelte. Überall sah man die markanten Rüstungen und das metallische Klirren der Stiefel hallte in der Luft wider.

Der morgendliche Himmel über Boston glühte in einem dumpfen Orange, durchsetzt von den Ruinen von Wolkenkratzern, die wie verwitterte Wächter über der postapokalyptischen Stadt thronten. Die Sonne, die sich durch den morgentlichen Nebel kämpfte, warf spärliche Strahlen auf die abgewetzten Banner der Bruderschaft, die stolz im Wind flatterten.

Jeder Tag verlief nach dem gleichen Muster, mit den vertrauten Gesichtern der Kameraden und der blassen Silhouette des verkohlten Bostoner Horizonts in der Ferne. Die Stählerne Bruderschaft, eine Bastion der Ordnung inmitten des Chaos, vollzog ihre Routinen streng und ohne Kompromisse. Das Knirschen der Panzerstiefel auf dem schroffen Boden, das metallische Klappen von Rüstungen und das leise Murmeln von Befehlen bildeten die Kulisse dieses trostlosen Morgens.

Eigentlich ein weiterer langweiliger Morgen, wäre da nicht die besondere Wendung für die Bruderschaft an diesem Tag gewesen. Die normalerweise strengen Ritter und Paladine öffneten nach langer Zeit die Tore für Zivilisten. Ein Mangel an Soldaten war der Auslöser für diesen Regelbruch, der persönlich vom Ältesten Hardings angeordnet wurde. Obwohl die Bruderschaft für ihre strengen Regeln bekannt war, erlaubten sie heute Ausnahmen.

"Keine Außenseiter!" Das war das ungeschriebene Gesetz.

Alles wurde normalerweise intern geregelt und blieb unter Verschluss. Die meisten jungen Ritter und Paladine wurden in das Militärleben hineingeboren, wuchsen in den eisernen Strukturen auf und wurden von klein auf zu Soldaten ausgebildet - so wie Henry. Ein Kind der Stählernen Bruderschaft.

Seine Eltern, hoch angesehene Paladine, verloren ihr Leben bei einem riskanten Einsatz. Ihr Ziel war es, die Pläne eines Doppelagenten während eines Putschversuchs zu durchkreuzen, doch leider blieb ihr heroischer Einsatz ohne Erfolg.
Dadurch lasteten von Beginn an hohe Erwartungen auf Henrys Schultern, und er schaffte es tatsächlich, ihnen gerecht zu werden. Nach Abschluss seiner letzten Mission wurde er im zarten Alter von 21 Jahren persönlich vom Ältesten zum Junior Paladin ernannt – eine Ehre, die jedoch nicht ohne den Neid und Unmut einiger anderer Mitglieder verliehen wurde. In den Augen seiner Brüder war diese Beförderung nämlich nicht gerechtfertigt.

Henry saß gelangweilt auf der Mauer, die das Gelände der Basis umschloss. Sein Kopf lehnte gegen das kalte Metallgerüst, während er seine Kameraden am Haupteingangstor beobachtete, die gerade dabei waren, das große stählerne Tor zu öffnen.

"Schon bizarr, findest du nicht?", drehte er sich fragend zu seiner Kameradin Elenor, die sich neben ihm am Geländer stützte.

"Warum?", erkundigte sie sich.

"Na vor einer Woche wäre der Älteste fast an die Decke gesprungen, weil einer der Knappen einem älteren Mann vor dem Tor mit Wasser versorgt hatte, und jetzt lassen wir einfach jeden in unsere Basis, der nur den Anschein erweckt, er könnte kämpfen?"

"Drastische Zeiten verlangen drastische Maßnahmen, oder wie war das?", sagte sie grinsend.

Henry schüttelte nur den Kopf und gab einen abwertenden Laut von sich. Erhielt nicht viel von der "tollen" Idee des Ältesten. Henry empfand sie als leichtsinnig. Durch diese Aktion könnten falsche Leute durch dieses Tor spazieren. Warum also nicht gleich dem Commonwealth alle wichtigen und geheimen Informationen der Bruderschaft auf einem Silbertablett servieren?