Kapitel 11

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Meine Hochzeit mit Boromir war prunkvoll, aber kalt wie der weiße Stein, der uns umgab. Mein Mann gab sich große Mühe und küsste mich respektvoll auf die Wange, als der Bund der Ehe mit einem Kuss besiegelt werden sollte. Mein Ehering war schlicht, ohne einen Edelstein, ohne Erinnerungen, die mich zu Freudentränen rührten. Unbeabsichtigt drehte mein Daum den Goldring immer weiter.

Eomér ́s Blicke waren intensiv und durchdringend. Ich wagte es kaum, ihm in die Augen zu schauen – jeder würde sehen, wie viel er mir bedeutete. Ein Raunen unterbrach die Stille und das Brautpaar betrat die goldene Halle. Die verliebten, zukünftigen Eheleute strahlten übers ganze Gesicht und winkten freudig der Menge zu. Das Ritual der Eheschließung wurde beendet, indem der Ehemann seine Ehefrau voller Leidenschaft küsste. Mein Begleiter lächelte mit einem sehnsüchtigen Blick zu mir.

Sein Ausbilder war ihm ein guter Freund geworden, ebenso wie meine Ausbilderin. Edda brachte sich in Position und warf den Brautstrauß in die Menge. Eine mir unbekannte, junge Frau fing ihn und lief mit schrillem Gekreische auf Eomér zu. Dieses Szenario warf so einige Rätsel auf. Angefangen zu – Wie standen sie zueinander, bis hin zu – Warum hat er sie bisher nicht erwähnt? Zu meiner Erleichterung nahm er es gelassen und tätschelte augenrollend ihren Kopf, wie bei einem Kleinkind. Mein Begleiter erkannte meine Verwirrung, beugte sich zum Ohr der jungen Frau und deutete auf mich. Die blonde Schöne hörte gebannt zu und geriet nochmal komplett aus dem Häuschen. Mit dem Brautstrauß in der Hand kam sie im schwungvollen Schritt auf mich zu und fiel mir überraschend um den Hals. Eomér trat hinter sie und klärte ruhig die Situation auf.

„Lynea, das ist deine Cousine – Malea. Sie wurde vor zwei Jahren ebenfalls hierher geschickt. Mit der gleichen Mission, mit der du damals geschickt wurdest. Scheinbar habt ihr den gleichen Männergeschmack." erwähnte er neckisch am Rande. Entsetzt riss ich den Mund auf. „Du hast doch nicht..." Sofort schüttelt der gutaussehende Mann den Kopf. „Nein – weder mit ihr, noch einer Anderen, seit du fort bist." erleichtert atmete ich aus. Meine Cousine hielt mich immer noch fest und ich beschloss, die Umarmung zu erwidern.

„Du bist so groß geworden! Ich habe dich gar nicht erkannt. Wie geht es meiner Kleinen? Du hast doch sicher einen Haufen Verehrer hier am Hof?" Sie grinste mich an. „Eomér passt auf mich auf. Ich schätze, nachdem ich mich so unbeholfen an ihn ran machte, fühlt er sich verpflichtet, mich vor Unholden zu beschützen."

Fragend, woher dieser ausgeprägte Beschützerinstinkt kommt, sah ich in sein Gesicht. „Ich konnte dich nicht beschützen ... das war mir eine Lehre! Sie ist ein Teil von dir und deswegen auch mir sehr wichtig!" begründete er mit Worten, die mich schmelzen ließen.

„Es tut mir leid, Malea, aber deine Cousine und ich haben viel zu besprechen – unter vier Augen." Der junge Mann bot mir höflich den Arm an. Sobald meine Cousine mich mit ihren niedlichen Grübchen anschaute und los ließ, hakte ich mich ein und lief schweigend mit ihm in den Garten.

Nachdem Eomér sich versicherte, dass wir alleine waren, wies er mir einen Platz auf einer Bank am Brunnen zu.

„Verzeih meine Ungeduld, aber ich kann nicht mehr warten. Berichte mir bitte alles!"

Sehr ausführlich erzählte ich Eomér, wie es mir am Hofe Gondors erging. Auch von Erania erzählte ich viel, schließlich war sie für mich wie mein eigenes Kind. Immer wieder hackte er bei Themen nach, die Boromir und mich betrafen.

„Du willst mir sagen, dass Boromir dich nie angerührt hat? Auch nicht in der Hochzeitsnacht? Wie um Himmels Willen funktioniert das? Der Truchsess muss doch ungeduldig sein, wann er endlich einen Enkel erwarten kann? Du bist wahrhaftig noch eine Jungfrau?" platzten die Fragen aus ihm heraus.

Es schien mir ein guter Einstieg, ihm sowohl die Fragen zu beantworten, als auch von Boromir's Zugeständnis zu erzählen.

„Boromir ist ein lustvoller Mann und genießt den Beischlaf - nur nicht mit mir. Er wünscht mir, in den gleichen Genuss zu kommen. Er gestattet mir eine Affäre mit dir - Eomér... weil du der einzige Mann in meinem Leben bist, den ich spüren will...."

Es verschlug meinem Gegenüber die Sprache. Der Krieger stand auf und ging ein paar Schritte auf und ab, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schien nach Worten zu suchen.

„Zu welchen Bedingungen?" fragte er skeptisch. Nun - es gab tatsächlich welche.

„Ich musste ihm versprechen, wieder zu ihm nach Gondor zurückzukehren."

„Und?" hakt er nach, weil er heraushörte, dass das noch nicht alles war.

„Boromir warnte mich davor, von dir schwanger zu werden. Würde es geschehen, würde das Kind mit Boromir als Vater aufwachsen." Das war der größere Brocken, den er zu schlucken hatte.

„Das würde ich nicht zulassen!" sagte er bestimmt.

„Er gestattet uns gemeinsame Zeit... Ich kann nach Edoras kommen ... Du kannst nach Osgiliath kommen. Ich habe dort ein eigenes Haus, außerhalb des Blickes von Denethor und anderen Bewohnern."

„Ich will dich ganz und gar Lynea!" entgegnete er impulsiv laut.

„Dafür ist es zu spät, Eomér! Wir hatten eine Chance ... du hast sie verstreichen lassen und dich anderweitig vergnügt!" Meine Stimme erhob sich bei diesem Vorwurf.

„Ich weiß!!!" schrie er regelrecht. Seine Hände ballten sich vor Wut zu Fäusten.

„Wir können zumindest zeitweise glücklich sein..." schlug ich nach einer langen Atempause kleinlaut vor.

„Das ist nicht genug! Ich liebe dich so sehr, dass es weh tut!" Er biss sich auf die Lippe und holte tief Luft, um fortzufahren. „Ich weiß nicht, was schlimmer ist! Von dir für immer getrennt zu sein oder nur kurz mit dir zusammen zu sein, um dann jedes Mal erneut den Schmerz durchstehen zu müssen... Was wäre, wenn wir ein Kind zeugen? Boromir als Vater – eher sterbe ich!" Seine Worte waren eindeutig.

„Ich will dich, Eomér! Auch wenn nur zeitweise ... ich will dir nah sein! Das wollte ich schon immer! An mir soll's nicht liegen. Ich versuche lediglich das Beste aus der Situation zu machen in der wir nicht wegen mir stecken .... "

„Ich will dich auch Lynea ... den ständigen Abschiedsschmerz würde ich auf mich nehmen – immerhin habe ich es damals kaputt gemacht, also muss ich dafür auch gerade stehen. Würdest du die Frucht unserer Liebe in dir tragen ... du würdest es aufziehen und jeden Tag bei dir haben ... ich nicht!" sein Einwand war berechtigt. Tatsächlich hatte ich mir für den Fall schon eine Antwort parat gelegt.

„Meine Blutungen kommen recht regelmäßig und durch die Heiler habe ich studieren können, an welchen Tagen eine Frau fruchtbar ist. Wir können die fruchtbaren Tage vermeiden, so verhindern wir eine Schwangerschaft. Sollte im unwahrscheinlichen Fall doch eine Schwangerschaft eintreten, entbinde ich es hier – in Edoras. Das Kind würde bei dir leben und ich würde euch so oft es geht besuchen kommen! In Gondor könnte ich von einer tragischen Totgeburt berichten ..."

„Wow, du hast an wirklich alles gedacht...." Seine Stimme hatte noch einen Unterton. Doch er war von meinen Ideen nicht abgeneigt – das sah ich ihm an.

„Es würde dir das Herz brechen, dein Neugeborenes bei mir zu lassen.."

„Wenn der Fall eintritt...", betonte ich extra, „dann wüsste ich, dass es bei seinem liebenden Vater aufwächst." Er stellte sich hinter mir und legte die Arme um mich.

„Du weißt genauso gut wie ich, dass ich das nicht zulassen würde!" sprach er leise in mein Ohr.

„Eomér – ich -"

„Lass uns eine Nacht darüber schlafen." unterbrach er mich. Das war so gesehen witzig, weil bereits der Morgen graute, als unsere Gespräche und Diskussionen endeten.

Jugendliebe vergeht nicht (Eomér FF)Where stories live. Discover now