1. Das Erstgeborene als Dank

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🎼If you love me, let me go. These words are knives and often leave scars. The fear of falling apart. Truth be told, I never was yours. The fear of falling apart🎶

»Lilly! LILLY!«

Erschrocken nehme ich die Kopfhörer aus meinen Ohren und blicke einer genervten Rosie entgegen. Das Rot unserer Arbeitskleidung verstärkt das mahnende Leuchten in ihren Augen.

»Was ist los?«, frage ich meine beste Freundin und schaue mich um. Die Popcorn-, Nacho- und Getränkevorräte sind aufgefüllt, Wechselgeld liegt in der Kasse und im Boden kann man sich spiegeln, so sauber ist dieser. Das Kino ist bereit für den täglichen 20:00 Uhr Ansturm.

Dennoch verschenkt Rosie ihre Hände erwartungsvoll vor ihrer Brust, als würde sie erwarten, dass ich ihre Gedanken lese.

Wieder schaue ich mich um, bis mein Blick auf die Kopfhörer in meinen Händen fällt, aus denen mein aktuelles Lieblingslied dröhnt.

»Sorry Rosie, kommt nicht mehr vor«, entschuldige ich mich und drehe die Lautstärke leiser.

»Hoffentlich. Du singst so laut und schief, dass ich dich feuern würde, wenn ich der Boss wäre«, erklärt sie und ist dabei direkt wie immer.

»Niemals, ich lasse dich hier nicht alleine zurück. Wie würdest du sonst im Kino des Schreckens überleben?« Ich lache. Rosie gibt mir einen tadelnden Klapps auf den Arm.

Egal ob wir die Popcornmaschine putzen, den Boden kehren oder den Saal für eine Vorstellung vorbereiten, wir motzen meistens über unsere Arbeit im Kino. Doch trotz unhöflicher Kinobesucher und unmenschlichen Arbeitszeiten hallt stets unser amüsiertes Gelächter durch die Gänge des Kinos.

An meinem ersten Tag habe ich Rosie kennen gelernt, als sie dabei gewesen ist, frisches Popcorn zu machen. Sie hat sich so gefreut, eine neue Kollegin zu haben, dass sie auf das Popcorn vergessen hat und wir es daraufhin kohlrabenschwarz aus der Popcornmaschine schaufeln haben müssen.

Ihre offene Art macht es leicht, sich mit ihr anzufreunden. Damals habe ich mich sofort wohl bei ihr gefühlt. Anders als Rosie bin ich kein Bündel an positiver Energie, sondern eher eine kleine, graue Maus, die unsichtbar von A nach B huscht. Trotz unserer Unterschiede ergänzen wir uns super und sie ist inzwischen meine beste Freundin.

Um ehrlich zu sein, ist Rosie meine einzige Freundin. Ich bevorzuge eine echte Freundschaft, die fürs Leben hält, gegenüber flüchtigen Bekanntschaften. Den größten Teil meiner Freizeit verbringe ich demnach alleine in meinem Zimmer mit einem guten Buch.

Meiner schüchternen Art habe ich es zu verdanken, dass ich in der Schule als Außenseiterin gelte. Football-Spiele meide ich und vor den nervigen Schulfeierlichkeiten drücke ich mich meistens erfolgreich. Und wenn nicht, verkrieche ich mich in einer Ecke mit einer guten Lektüre. Ein fesselndes Buch finde ich um Längen besser als das chaotische Treiben des Homecomingballs.

Für meine Mitschüler ist das nicht nachvollziehbar. Weirdo, Looser und Freak sind nur ein paar der Namen, die mir in diesen Situationen gegeben worden sind.

Manchmal treffen mich die Kommentare meiner Mitschüler, doch ich versuche, nicht darüber nachzudenken. Was glauben sie schon, von mir zu wissen? Am Ende zählt, was meine Herzensmenschen von mir denken.

Ich habe meine beste Freundin und eine tolle Schwester. Mehr Begleiter brauche ich nicht.

Zumindest rede ich mir das ein.

Ich schüttel meinen Kopf, um mich aus den Gedanken zu reißen. Meinen geliebten MP3-Player verstaue ich sorgfältig in der Tasche. Ja, MP3-Player. Ich bin diese Art von Mensch.

Me, my Lover and I ✔️Onde as histórias ganham vida. Descobre agora