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Chloé

DÁKITI - Bad Bunny, Jhayco

Instinktiv weiche ich zurück, denn meine Augen fixieren ein dunkles Stück Stoff, anstelle des Gesichts meiner Freundin, die ich eigentlich erwartet habe. Mein Kopf schnellt nach oben und es sind nicht etwa Katies grüne Augen, die mir begegnen, sondern viel dunklere – espressobraune – Augen fangen meinen Blick auf. Ich atme hastig ein. Der Geruch von Aftershave schwingt mir entgegen. Ich registriere, dass sich die vollen Lippen des Mannes vor mir zu einem gewieften Lächeln verziehen. Dabei entblößt er seine schneeweißen Zähne, die im Kontrast zu seiner gebräunten Haut stehen. Er legt den Kopf leicht schief und schaut abwartend auf mich herab. Durch die kleine Bewegung fällt ihm eine Strähne seines rabenschwarzen Haares in die Stirn. Erst jetzt kommt mir der Gedanke, dass er vermutlich auf eine Begrüßung meinerseits wartet. Ich straffe meine Schultern und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass seine Erscheinung mir für einen kurzen Moment den Atem geraubt hat. Trotzdem finde ich es zutiefst bedauerlich, dass ich gerade, wenn ein attraktiver Mann bei mir an die Tür klopft, ungeschminkt und mit einer Robe bekleidet, öffnen muss. Schnell recke ich mein Kinn in die Höhe. Meine Verunsicherung darf er mir schließlich nicht anmerken.

»H-heeey?« Klasse. Das klang äußerst selbstbewusst. Ich räuspere mich schnell. »Kann ich dir helfen?«

»Das hoffe ich.« Verwirrt ziehe ich die Stirn kraus, da der Fremde keinerlei Anstalten macht, sich zu erklären. Stattdessen inspiziert er mich und meine Kleiderwahl, ehe sein Blick den Weg zurück zu meinem Gesicht findet. Ich verschränke meine Arme vor der Brust, bevor ich abwartend eine Braue hochziehe. Wie du mir, so ich dir, denke ich und lasse meinen Augen ebenfalls über seinen Körper schweifen. Er trägt allerdings keine besondere Kleidung, an der ich mich lange aufhängen könnte. Ein dunkles Baumwollhemd spannt sich um seinen Oberkörper. Der linke Ärmel ist etwas hochgeschoben, weshalb ich die Tattoos erkennen kann, die seinen sehnigen Unterarm bedecken. Mir fällt auf, dass er sich mittlerweile gegen den Türrahmen lehnt und mir wird ein wenig unwohl bei dem Gedanken, dass ein fremder Mann beinahe in meiner Wohnung steht. Ich atme hörbar aus und möchte meinen Blick wieder auf sein Gesicht lenken, als er sich im selben Moment mit seiner rechten Hand durch die Haare fährt. Das ist der Augenblick, in dem mein Herz kurz aussetzt.

Ich taumle einen Schritt zurück, ehe ich erstarre und das rote Bandana fixiere, welches eng um das Handgelenk des Fremden gebunden ist. Ich brauche nicht lange, um meine Schlüsse zu ziehen. Mein Mund öffnet sich von selbst. »P-paco?«, stammle ich.

»Hast du einen Schlaganfall?«

Ich atme zittrig ein. Mein Herz hämmert so stark gegen meinen Brustkorb, dass ich das Pochen in meinem gesamten Körper spüre. Also ja, verdammt, vielleicht habe ich tatsächlich einen Schlaganfall. Meine Augen huschen noch einmal über den Körper des Latinos, von dem ich vermute, dass es sich um Tinas großen Bruder oder zumindest irgendjemanden von den Sangré Guerrero handelt. Es kann kein Zufall sein, dass plötzlich ein Mann mit offenbar hispanischem Wurzeln und einem Bandana vor meiner Haustür steht, kurz nachdem ich von einem Interview mit der Schwester eines Gangmitglieds nach Hause gekommen bin. Er verfolgt jeden meiner Schritte, rufe ich mir Tinas Worte ins Gedächtnis. Ruhig. Atme.

Er scheint keine Waffe zu tragen. Ich kann mir allerdings nicht sicher sein, denn ich sehe nicht, ob er nicht doch eine Pistole hinten in seinen Hosenbund geklemmt hat. Mögliche Fluchtmöglichkeiten rattern durch meinen Kopf, während die Miene des Latinos immer ahnungsloser zu wird. Er sieht fast schon ein wenig unschuldig aus, als er sich am Hinterkopf kratzt und weiterhin beobachtet, wie ich ihn wie versteinert anstarre.

Mir ist bewusst, dass er mir den Fluchtweg nach draußen durch seinen Körper versperrt. Deshalb schnellt meine Hand nach vorne und ich presse mich mit meinem ganzen Gewicht gegen die Haustür, um sie ihm vor der Nase zuzuknallen. Ich zucke zusammen, als ich einen dumpfen Gegenschlag oberhalb meines Kopfes, gegen die Oberfläche der Tür, spüre.

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⏰ Last updated: Nov 12, 2023 ⏰

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