Ungewollte Bekanntschaft

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-Eu parado no bailão foi no bailão...- ertönt es aus dem Radio und ich seufze genervt auf. Ich kann dieses Lied nicht mehr hören. Ich habe es mindestens zehnmal schon angehört seit ich hier in Rio de Janeiro angekommen bin. Ich werde hier den nächsten Monat verbringen und Deutschland bei der Weltmeisterschaft unterstützen. In drei Tagen ist das erste Spiel gegen Portugal und ich bin echt nervös. Erschöpft fahre ich mit meinen gemieteten Auto durch die Straßen Rio de Janeiros. Mein Hotel soll direkt neben den Stadion liegen, weshalb ich wirklich durch die ganze Stadt fahren muss, um zum Hotel zu gelangen. Ich fahre durch die kleinen engen Straßen, bis vor mir sich eine große Menschenmenge auftut. Ich kann nicht weiterfahren, also parke ich rechts am Rand und steige aus.

-Was ist hier los?- frage ich einen deutschen Fan neben mir. Er sieht aus wie 24 und schon leicht angetrunken.

-Da vorne ist Neymar- schreit mir der Fan ins Ohr und ich zucke zusammen. Wer ist Neymar? Ich habe wirklich keine Ahnung von Fußball, weshalb ich mich auch fragte, wieso meine Eltern mir eine Brasilien Reise schenkten, in der ich mich einen ganzen Monat in Rio de Janeiro aufhalten würde, um dort die Spiele der Weltmeisterschaft zu besuchen. Danach würde ich weiter reisen an der Küste entlang.

-Komm mit- meint der Fan, als er meinen fragenden Blick sieht. Er ergreift meine Hand und zieht mich durch die Menge. Ich verziehe mein Gesicht, da seine Hand sehr schwitzig ist und er mich nicht loslassen will, bis wir durch die Menge sind. Er bleibt abrupt stehen und lässt mich los, als wir durch die Menge sind. Ich erkenne einen jungen Mann, der vielleicht ein zwei Jahre älter als ich ist. Er will durch die Menge zu seinen Auto, doch sie lassen ihn nicht durch. Er versucht sich durch die Leute durch zu quetschen, doch sie lassen ihn nicht durch. Ich verdrehe die Augen. Fußballfans sind echt die schlimmsten.

-Lasst ihn durch- rufe ich auf portugiesisch. Ich dränge mich durch die Menge zu den gutaussehenden jungen Mann. Ich spreche aufgebracht mit den Leuten vor ihm, dass sie ihm gefälligst Platz machen sollen und sie hören sogar auf mich. Gerade als der junge Fußballer durch die Menge geht, ergreift er meine Hand. Ich erstarre für einen Moment, bis er mich mit zu seinen Auto zieht. Er öffnet den Mercedes und lässt mich hinten einsteigen. In mir kommt Angst auf. Was will er von mir?

-Keine Angst ich will mich nur bedanken- flüstert er und schließt die hintere Tür, um vorne einzusteigen. Okay? Bedanken? Ich habe schon zu viel gelesen, um nicht komisch über diese Aussage zu denken. Der Fußballer der anscheinend Neymar heißt steigt vorne ein und startet das Auto. Ich sehe Blitzlicht und weiß sofort, dass ich diesen Monat nicht mehr alleine irgendwo hingehen kann. Jeder wird denken ich hätte etwas mit diesen Fußballer. 

-Fahr los- flüstere ich angsterfüllt, dass noch mehr Bilder von uns gemacht werden. Er nickt knapp und fährt los. Sobald die Straßen leerer werden hält er rechts an und steigt aus. Ich will es ihm gleich tun, doch er kommt mir zuvor, indem er mir die Tür öffnet und mir seine Hand hinhält. Ich ergreife sie langsam und ein Kribbeln durchfährt mich. Das ist nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Dieses Kribbeln habe ich bisher nur einmal gefühlt und es ist nicht wirklich gut ausgegangen. Jedenfalls für mich.

Er hilft mir aus dem Auto, was sich in meinen Sommerkleidchen schwerer herausstellt, als ich dachte. Er trägt eine Trainingshose und ein T-Shirt mit dem gleichen Wappen darauf. Ich schätze mal die brasilianisch Nationalmannschaft.

-Wie heißt du?- fragt er mich auf Portugiesisch und schaut mich lange an.

-Leonie und du?- frage ich und schaue zu Boden, da sein Blick so durchdringend ist.

-Neymar aber du kannst mich auch gerne Ney nennen- meint er zwinkernd und ich ziehe die Augenbrauchen hoch. So einer ist er also. Er spielt mit seinen Charme.

-Wieso hast du mich mitgenommen Neymar?- frage ich und zögere seinen vollen Namen in die Länge hinaus.

-Die Menge hätte dich zerrissen- meint er schulterzuckend und wendet sich ab. Will er mich jetzt hier stehen lassen, nur weil ich nicht mit ihm flirte???

-Wohin willst du?- frage ich aufgebracht, als er gerade seine Autotür öffnen will.

-Zum Training- murmelt er und steigt ein. Meine Wut steigt immer mehr. Er fährt das Fenster herunter.

-Danke noch mal für deine Hilfe. War nett deine Bekanntschaft gemacht zu haben- sagt er und sieht mich kurz an. Dann startet er das Auto.

-Warte mal- rufe ich hektisch und er blickt wieder auf.

-Was?- murmelt er genervt und ich verdrehe die Augen.

-Was soll ich jetzt machen?- rufe ich aufgebracht.

-Dir ein Taxi rufen- meint er, als wäre nichts passiert. Als hätte er mich nicht gerade drei Kilometer von meinen Auto weggebracht. Er fährt langsam das Fenster wieder hoch.

-Meinst du das ernst?- schreie ich, aber er hört mich nicht mehr. Er fährt einfach weg.

-Arsch- schreie ich ihm hinterher und fuchtele wild mit meinen Armen umher. Nun muss ich mir also wirklich ein Taxi bestellen. Schnell bestelle ich mir ein Taxi, ohne nochmal Gedanken an diesen Arsch zu verlieren...

-Drei Tage später-

Genervt stelle ich mich an der Schlange an. Es wird geschubst und gedrängelt, um noch gute Plätze zu bekommen. Ich bleibe einfach ruhig stehen und gehe immer einen Schritt vorwärts, sobald es weiter geht. Doch plötzlich drängt sich etwas in mein Blickfeld. Ein großer Mann mit schwarzen Anzug und Sonnenbrille drängt sich durch die Menge. Schmunzelnd beobachte ich wie er sich voran kämpft und anscheinend jemanden sucht. Als sein Blick auf mich fällt, nickt er mir zu und kommt direkt auf mich zu. Na toll was will der denn jetzt? 

-Ma'am würden sie bitte mitkommen?- meint er und zieht mich an meinen Arm durch die Menge. Ich wollte gerade verneinen, als er mich in den VIP- Bereich zieht.

-Entschuldigung wer sind sie?- frage ich leicht überfordert auf Englisch, da er mich auch auf Englisch angesprochen hatte.

-Spielerfrauen sollen nicht auf die normalen Tribünen- murmelt er und ich stocke. Spielerfrau?

-Es muss eine Verwechslung gegeben haben- meine ich und folge den großen Typen Treppen hinauf. Er erwidert nichts sondern bleibt stehen und zeigt auf einen Platz. Mir bleibt die Kinnlade offen stehen, als ich niemand geringeres dort sitzen sehe als den Arsch der mich auf einer Straße sitzen gelassen hat.

Parado no BailãoWhere stories live. Discover now